Kapitel 14

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Der Boden des Raumes war vermutlich vor einiger Zeit noch strahlend weiß. Jetzt sieht er eher aus wie ein roter Hintergrund mit wenigen weißen, verdreckten Spritzern zwischendrin. In der Mitte des Raums stehen drei Gestalten mit Helmen und Visieren, sodass ich sie nicht erkennen kann. Ich kann auch nicht auf ihre Emotionen schließen - wenn sie denn welche haben - oder auf ihre Gedanken, wie zur Hölle es jemand geschafft hat, hierher zu kommen. Neben und hinter ihnen liegen Fleischfetzen herum, an den Steinen, die sie in der Hand halten, kleben Blut und einige Knochensplitter. Und zwischen ihnen liegt mein Seelengefährte. Entstellt und malträtiert liegt Azriel da, ich erkenne keine Einzelheiten seines Körpers, dafür ist er bereits zu zerstört. Für weitere Beobachtungen habe ich keine Zeit, in diesem Moment bewegen sich zwei der Soldaten auf mich zu. Was eine Verarsche. Denken sie ernsthaft, ich, einer der wertvollsten und mächtigsten Trierar (wie ich es zumindest einmal war) könne von zwei lächerlichen, einfachen Soldaten geschlagen werden? Ich habe keine Zeit, überheblich zu werden. Ich muss hier raus, mit Azriel. Und vorher werde ich diese Mörder leiden lasen.
Sie teilen sich auf, einer kommt von rechts, der andere von links auf mich zu. Ich komme ihrem ach so intelligenten Plan zuvor, indem ich mich mit schnellen Schritten zwischen ihnen hindurch bewege. Ich lasse den Soldaten keine Zeit, zu bemerken, was für einen Fehler sie begangen haben. Stattdessen breche ich dem einen mit einer schnellen Bewegung das Bein, sodass er schreiend auf den Boden fällt. Der andere ignoriert die Misere seines Kameraden und kommt weiter auf mich zu. Hat er nicht verstanden, wie leicht mir so etwas fällt? Sein Problem. Ich würde diese beiden Arschlöcher wirklich unglaublich gerne leiden lassen, doch meine Zeit ist begrenzt. Also gönne ich ihm einen halbwegs schnellen Tod und reiße ihm das Herz aus der Brust. Zuckend fällt er neben den anderen, der seinen Fehler endlich bemerkt hat. "Was bist du?", fragt er zitternd. Lächelnd antworte ich: "Dein Erlöser". Mit diesem Satz breche ich ihm das Genick. Er versucht vergeblich, von mir weg zu kriechen. So könnte er mir fast leidtun, so hilflos und elendig. Wäre da nicht dieser kleine Umstand, dass er meinem Seelengefährten endlose Schmerzen und beinahe den Tod bereitet hat. Ich lasse die Leichen hinter mir und nähere mich mit schnellen Schritten dem Dritten. Dieser starrt mich an. "Geh weg von ihm", befehle ich dem Soldaten. Er bleibt stehen. "_Geh weg_ von ihm, oder ich töte dich auch", beschwöre ich. Da bewegt er sich, aber nicht nach hinten, sondern auf mich zu. Wenn er sich schon für den Tod entscheidet... Ein Tritt und auch er liegt reglos am Boden. Ich renne zu Azriel, voller Panik, dass die Wunden ihn bereits umgebracht haben. Ich gehe neben ihm in die Knie, drehe sein Gesicht so vorsichtig wie ich kann zu mir, um ihn nicht durch eine Erschütterung noch mehr zu verletzen, sofern dies möglich wäre. Seine Augen blicken mich an, und ich sehe eine entsetzliche Menge Schmerz, gekoppelt mit einem Anflug von Erleichterung. "Kannst du stehen?". Seine Stimme bricht weg und ist kaum zu verstehen, als er antwortet: "Sehe ich aus, als könnte ich stehen?". Erleichtert von diesem Anflug seines Humors sage ich: "Du siehst aus, als könntest du ganz hervorragend küsssen." "Wenn ich nicht in diesem Zustand wäre, würde ich dir sofort zeigen, _wie_ gut". Seine Worte entfachen eine heiße Welle Verlangen, die mich in Brand steckt. Wenige Sekunden später übernimmt die Vernunft. Wenn wir nicht jetzt sofort hier herauskommen, dann wird es keinen besseren Zustand mehr geben, in dem wir uns küssen könnten. Während ich darüber nachdenke, wie wir es genau schaffen sollen, auch nur diesen Raum zu verlassen, geschweige denn das gesamte Gebäude, überfällt mich eine Erinnerung. Einmal, vor langer Zeit, gelang es mir, einen Kommandanten unserer Armee zu retten, indem ich ihm meine Lebensessenz gab. Das hatte mich enorm geschwächt, und doch hatte es dem Kommandanten das Leben gerettet und ihm genug Kraft gegeben, in das Lager zurück zu gehen. Könnte ich so etwas nochmals vollbringen, könnten Azriel und ich von hier fliehen.

Gerechtigkeit - Ein Leben für ein LebenWhere stories live. Discover now