Kapitel 12

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Pure Erleichterung durchströmt mich wie eine unaufhaltsame Welle. Mein ganzes Wesen erfreut sich an der Tatsache, dass ich die Seelenverbindung akzeptiert habe und überrennt jeden Rest meiner Zurückhaltung. Am liebsten hätte ich mich auf ihn gestürzt und wäre mit ihm fortgeflogen, irgendwohin, wo wir uns in aller Ruhe jahrzehntelang lieben konnten. Doch Azriel wird aus dem Raum gezogen und auf der blendenden Leiter, die auf ein Handzeichen der Soldaten wieder in den Raum hinabgefahren ist, nach oben transportiert. Ohne ein weiteres Wort schließt sich die Klappe und ich bleibe allein mit meiner Verzweiflung und meinen rasenden Gedanken. Eines steht fest: ich werde nicht fliehen, solange Azriel nicht mit mir kommt. Was, zur gottverdammten, dreckigen, schwarzen, blutigen Hölle soll ich denn nun tun?! Ich bin völlig alleine in einem Raum, aus dem ich keinen Fluchtweg erkennen kann und mein fucking _Seelenspiegel_ wird weggebracht, um so lange gefoltert zu werden, bis er sein Gedächtnis verliert. Ich war noch nie in einer schlimmeren, auswegloseren Situation, also wirklich. Wenn es so etwas wie ein Schicksal gibt, dann hat es mir hiermit offiziell den Mittelfinger gezeigt - und das mit beiden Händen.
Mein Atem geht angestrengt, keuchend - doch das sind wohl eher meine rasenden Gedanken. Die Verzweiflung schreit so laut in meinem Kopf, dass ich sie fast von außen hören kann. Die Ausweglosigkeit meiner Situation überrolt mich in einer gigantischen Welle aus Verzweiflung. Wohin, wie, was?! Hilfe. Ich brauche Hilfe. Doch ich bin allein auf dieser Erde, allein, ohne jemanden, der sich genug für mich interessiert, um mir zu helfen. Nein, falsch. Die einzige Person, auf die dies nicht zutrifft, wird gerade weggeschleppt, damit man ihn foltern kann. Toll. Der rationale Teil meines Gehirns streitet sich mit meinem emotionalen Chaos, während ich die Wände des Raums langsam abgehe, in der Hoffnung, gegen jede Hoffnung ein Loch, eine Lücke, _irgendetwas_ zu finden. Selbst wenn dies geschehen sollte (die Hoffnung stirbt zuletzt - oder eher jetzt), was dann? Ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich Azriel finden würde, keinen Plan, kein nichts. Andererseits halte ich dies alles für irrelevant, sollte ich es nicht schaffen, diesen Ort zu verlassen. Ich verdopple meine Anstrengungen, einen Ausgang zu suchen - erfolglos. Immer verzweifelter und hektischer renne ich die Wand des Raums ab, mein Atem geht keuchend und pfeift fast schmerzhaft schnell durch meine Lunge. In meiner Wut und Verzweiflung ramme ich meine Faust gegen die Wand. Verdammte Scheiße, ist alles Pech dieser Welt auf eine einzige Person draufgefallen, wie ein Stein aus dem Himmel, der sie erschlägt?! Anscheinend schon. Ist es zu viel verlangt, einen einzigen geliebten Menschen auf dieser Erde nicht zu verlieren? Anscheinend schon. _Ist es zu viel verlangt, einfach nur aus diesem scheiß Raum herauszukommen?!_ Ein Schrei kommt über meine Lippen, ein Wutschrei, geboren aus den Abgründen meines Herzens. _Anscheinend schon_. Die Verzweiflung kocht abermals in mir hoch, sie schmeckt bitter und rostig. Nach- Blut? Verdammt, ich habe meine Lippe blutig gebissen. Entkräftet lasse ich meine blutverschmierten Finger gegen die Wand sinken. In dem Moment, in dem meine rubinrote Haut auf das Steingrau der Wand trifft, höre ich ein Geräusch neben mir. Auf alles gefasst, mit vor Nervosität zitternden Nerven, wirbele ich herum. Ungläubig starre ich das Loch in der Wand an.

Gerechtigkeit - Ein Leben für ein LebenWhere stories live. Discover now