𝐁𝐈𝐓𝐓𝐄𝐑𝐒𝐖𝐄𝐄𝐓

13 | Inkompetenz

Eine andere Route einzuschlagen war gewöhnungsbedürftig. Die Wohnung lag zwar direkt beim Krankenhaus, aber auf einmal nicht mehr den Geruch von Desinfektionsmittel zu riechen war völlig fremd. Ich trat in den Wohnblock, die Flure rochen frisch nach Putzmittel und das Sonnenlicht schien durch die Fenster hinein. Alles war so kahl und lieblos.

Seufzend stellte ich mich vor die Wohnungstür, schloss sie auf und trat hinein. Ich hörte eine mir unbekannte Stimme, sie schien ruhig mit jemanden zu reden. Sie führte mich zum Badezimmer, in dem ich Jimin auf dem Klodeckel saß, vor ihm hockte ein junger Mann. Die Kleidung weiß und steril, am Kittel hing ein Namensschild. “Oh, guten Morgen.”, sprach der Junge zu mir und erhob sich richtig, zog sich die Handschuhe aus. Er legte ein feuchtes Lappen an den Rand der Badewanne.Ich sah, dass Jimin kein Oberteil trug.

Verwirrt runzelte ich die Stirn, musterte den Jungen und meine kleine Blüte. “Sie sind dann wohl Yoongi, oder? Ich bin Hoseok, Jimins Pfleger. Schön Sie kennenzulernen.” Sein Lächeln war freundlich und ehrlich. Er reichte mir sie Hand, aber ich musterte ihn nur starr und regte mich kein bisschen. “Wir können uns duzen.”

Er nahm seine Hand runter und nickte. Hoseok holte aus dem Schrank ein trockenes Handtuch und trocknete damit Jimins Haut ab. Dieser saß nur da, müde, die Augen geschlossen. “Jimin geht es die Woche irgendwie nicht so gut. Er tut sich schwer damit sich zu waschen und zu essen, laufen kann er erst recht nicht. Doktor Kim sagt dir bestimmt, dass es besser wird, aber er.. lügt, denke ich. Ihm fällt es leichter den Menschen Hoffnungen zu geben, anstatt die Wahrheit zu erklären.”

Ich konnte nur seufzen. Namjoon war schlecht im lügen, das wusste ich schon. Aber dass er trotzdem so dreist war und mir eine heile Welt direkt ins Gesicht vorspielte war eine andere Sache. Tapfer schluckte ich den Zorn runter und sah dabei zu, wie Hoseok Jimin ein Oberteil überzog.
“Das hatte ich mir schon gedacht.”

Hoseok bat mich ihm zu helfen Jimin in den Rollstuhl zu hieven und natürlich tat ich es auch. Es war nach ein Uhr am Mittag, also war es langsam Zeit was zu essen. “Er hat wieder abgenommen” Hoseok sah mich an, sein Blick war stechend. “Seine Arme sind so dünn. Isst er denn genug?”
Der Pfleger schob Jimin aus dem Bad zur Küche und während ich ihm folgte, musterte ich seine hängenden Schultern. “Ich gebe mein Bestes, aber er weigert sich oft. Feste Sachen bekommt er kaum runter, deswegen versuche ich es mit Brei und Suppe. Damit er wenigstens irgendwas im Magen hat.”

“Du kümmerst dich um sein Essen?”
“Ich gebe im Krankenhaus weiter was er eher zu Essen bekommen sollte und dann liefern sie es hierher. Kochen tue ich nicht, keine Sorge. Bei meiner Inkompetenz.”
“Inkompetente Leute sollten nicht in einem sozialen Beruf arbeiten.” Meine Stimme klang hart, dachte ich im Nachhinein. Hoseok sah mich erschrocken an, er hatte sich extra umgedreht. Ich sah auf ihn herab, dunkel und bitter ging an ihn vorbei, öffnete in der Küche den Kühlschrank. “Wenn drei feste Mahlzeiten nichts bringen dann soll er einfach ganz oft Kleinigkeiten essen oder trinken. Oder ein Shake mit Vitaminen und Kalorien, damit er wieder zunimmt. Er besteht nur noch aus Haut und Knochen, also wird es Zeit, was dagegen zu machen.”
Hoseok war so dumm. Was hatte er in seiner Ausbildung gelernt? Wie man Menschen wusch und sie im Rollstuhl durch die Wohnung schob? Das konnte ich auch. Verachtend schnaubte ich und suchte einen Löffel in den Schubladen. Jimin bewegte sich kurz, er rieb sich über die Augenpartie.

“Los, geh. Ich kann das hier schon alleine.”

Um Punkt halb 2 klingelte es an der Tür und Hoseok brachte etwas eingeschüchtert das Mittagessen in die Küche, verschwand dann wieder. Während ich Jimin ganz langsam und vorsichtig fütterte, redete ich leise mit ihm und erzählte einfach etwas, da ich die Stille nicht ertragen konnte. Und am Ende hatte Jimin alles aufgegessen. Alles! Ich war stolz auf ihn. Man musste einfach nur Geduld haben, das war alles.

Alle waren so unfähig.