8 | ein Freund von dir

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Am nächsten Morgen tauchte ich nicht im Krankenhaus auf. Auch nicht am übernächsten Morgen und auch nicht am Tag darauf. Im Nachhinein war mir mein Benehmen nämlich ziemlich unangenehm gewesen. Ich meine, ich hatte mich wie ein Kind verhalten, nicht auf Jimin's Frage reagiert und bin dann auch einfach gegangen. Aber was sollte ich denn auch sagen? "Ach weißt du Jimin, ich heule nur wegen dir. Weil du jetzt krank bist und nicht einmal mehr lesen kannst. Verstehst du? Weil du mein kleiner Goldschatz bist und ich dich irgendwie verloren habe. Aber das kann dir ja egal sein. Das ist dir auch egal, nicht? Denn morgen wirst du all dies wieder vergessen haben. Du wirst fragen wer zur Hölle ich doch sei, woher ich mir das Recht nahm dich einfach so anzufassen. Ja, ist schon gut. Ich weiß. Ich sollte meine Finger von dir lassen. Ich sollte dich nicht mehr besuchen, weil es keinen Sinn mehr hat. Ich.."

"Ich bin mir noch sehr unsicher, Herr Kim.", murmelte ich leise ins Telefon, machte mich etwas auf meinem Bett klein, hörte das enttäuschte Seufzen des Arztes auf der anderen Seite der Leitung. "Yoongi, ich weiß dass es eine schwierige Entscheidung für dich ist, aber langsam brauche ich eine Antwort. Ich kann den Vermieter nicht zu lange zappeln lassen, sonst sucht er sich jemand anderen, der die Wohnung dringender bräuchte als Jimin und dann wärs das." Ja, ja! Ich weiß doch. Aber es ist doch so schwer. "Aber ich.." Ich hatte keine Lust mehr mit Doktor Namjoon zu sprechen. Er war zwar ein ganz netter Arzt, aber gleichzeitig auch so verständnislos und harsch. Ich wollte nicht mehr sprechen, denn er machte mir bei jeder Sache immer so scheiße viel Druck und das passte mir nun wirklich nicht.

"Komm doch morgen wieder vorbei, ja? Bei Jimin's Routineuntersuchung können wir uns dann etwas unterhalten. Ist das okay?" Nein, das war ganz und gar nicht okay. Aber dennoch stimmte ich leise zu, legte schnell auf und atmete schwer in meinen Pullover. "Ach und Yoongi, sein Zustand hat sich gebessert." Ach tatsächlich? "Er lispelt nicht mehr so stark beim Sprechen." Und das verletzende daran war, dass es unbedingt zu dem Zeitpunkt passieren musste, als ich mal für ein paar Tage nicht zu Besuch kam. Und das schmerzte mir ungemein. Da brauchte der Herr Kim sich auch nicht wundern, warum ich so schnell aufgelegt hatte. Bald würde Jimin noch ohne Probleme laufen können, und das dann, wenn ich wiedermal nicht da war.

Vielleicht sollte ich wirklich einfach gehen und es hinter mir lassen.

Am nächsten Morgen stand ich vor Jimin's Zimmertür im Krankenhaus musterte die silbernen Zahlen auf dem weißen Holz. Ich hätte nicht herkommen sollen, das wusste ich. Ich wollte auch eigentlich nicht kommen, aber irgendwie habe ich es dann doch getan und jetzt musste ich wohl dafür gerade stehen. Und langsam mussten die Blumen auf Jimin's Fensterbank auch entsorgt werden..

Leise klopfte ich an der Tür, wartete einige Sekunden und öffnete sie dann langsam. Mein Blick fiel auf das Bett, worauf Jimin saß und gerade anscheinend sein Mittagessen zu sich nahm. Eigentlich aß er nie so spät, wahrscheinlich hatte er aber nur vorhin keinen Appetit gehabt. "Oh, hallo.", lächelte ich schüchtern, umgriff die Stiele der Rosen fester und trat dann ein. Ich sah -anstatt in Jimin's Augen- zur Fensterbank und seufzte einmal leise aus, als ich diesen übersät mit weißen Rosenblättern auffand. Im Winter scheinen sie schneller zu verwelken als im Sommer, oder ich bildete mir das nur ein.

"Ich bin Yoongi, ein Freund von dir." Ein Freund.. Nein, ich war sein Freund. Aber das traute ich mir nicht zu sagen. Ich hatte keine Lust auf Fragen und Diskussionen und Streit, der am Ende dann doch eher einseitig von mir aus kam. Aber das ist ja egal, denn jeder Streit war bei uns schnell vergessen. "Ein Freund von mir?" Meine Unterlippe bebte für einen Moment.

Ich schluckte trocken, nickte etwas und legte meine frischen Rosen auf dem Tisch für die Besucher ab. Ich schnappte mir den Mülleimer und warf alle Rosensträuße weg, genauso wie die Blätter auf der Mamorplatte. Es schien, als seie mit den Rosen auch ein Teil in mir gestorben.

"Doktor Namjoon hat mir heute morgen gesagt, dass ein Yoongi vorbeikommen wollte. Ich glaube, er meinte dann wohl dich damit." Schön, jetzt redete der Herr auch noch über mich. Wie wundervoll.

"Ja, stimmt wohl." Ich schnappte mir alle Vasen, leerte sie im Badezimmer aus und stellte sie erstmal in den Schrank, behielt nur eine von ihnen draußen. In diese stellte ich dann meine frischen Blumen hinein und platzierte sie wieder an den Ort, wo sie hingehörten. "Zeig mal, was isst du denn da?", lächelte ich und zog einen Stuhl an das Bett, setzte mich darauf und linste auf sein halb leeres Tablett.

"Ihh, Brokkoli. Wie langweilig.", lachte ich leise, sah ihn dabei sogar ein wenig lächeln. Seine Ohren wurden rosa und er senkte verlegen seinen Blick. "Das ist auch total blöd. Ich würde lieber etwas anderes essen."

Ja, und ich hätte ihm heute etwas mitbringen können. Und warum habe ich es nicht getan? Weil mir Dinge peinlich sind, die schon in Vergessenheit geraten sind. Da mir mein Verhalten unangenehm ist, auch wenn mich Jimin nicht mehr drauf ansprechen konnte.

Ich war ja so ein schlechter Freund.

𝐁𝐈𝐓𝐓𝐄𝐑𝐒𝐖𝐄𝐄𝐓Where stories live. Discover now