12 | Herzschmerz

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Das erste Mal, als mich der Herzschmerz befiel, war eine Woche nach Jimins Unfall. Er hing an Maschinen und lag im Krankenbett, die Ärzte hatten mir lange Zeit nicht erlaubt, ihn zu sehen. Ich habe Jimin so schrecklich vermisst gehabt. In seiner Wohnung verblasste sein Duft und die Zimmer fühlten sich so leer an.

Die Diagnose war das, was mich am meisten schockiert hatte. Die Entschuldigungen und mitleidigen Blicke meiner Familie und Freunde hatten mir dabei nicht besonders geholfen, sie machten es nur immer schlimmer. "Oh Yoongi, das tut uns wirklich leid. Jimin ist nun behindert, oder?" "Oh, Yoongi. Sowas habt ihr nicht verdient, ganz besonders Jimin. Ihr seid doch noch so jung."

Es tat doch so weh, wieso hat das denn keiner gesehen?

Ich stand vor der Tür, in meinen Händen die Unterlagen und der Schlüssel. Ich hatte mir das mit der Wohnung durch den Kopf gehen lassen. Jimin war dort besser aufgehoben, man konnte sich rund um die Uhr um ihn kümmern. Er war doch mein kleiner Engel, man musste auf ihn aufpassen.

Leise klopfte ich an und öffnete die Tür, blinzelte die Tränen weg. Ich entdeckte Jimin an der Fensterbank sitzend, neben ihm Doktor Namjoon. Sie redeten nicht, sondern sahen einfach aus dem Fenster. Jimin war mit dem Rücken zu mir gedreht, weswegen ich seine verwuschelten Haare erkennen konnte. Es zog sich in mir zusammen. "Hallo, Yoongi." Der Arzt drehte sich zu mir um, lächelte freundlich.

Schweigend ging ich auf ihn zu, legte Papiere und Schlüssel auf die Fensterbank und musterte meine Unterschrift in der unteren Ecke. "Du bist also dafür?" Doktor Kim staunte. Verletzt sah ich zu Jimin runter, musterte seine weichen Gesichtszüge. Er hatte einer der Rosen aus der Vase geholt und strich träumend über die weißen Blätter. Ich musste tief durchatmen, um nicht die Fassung zu verlieren. "Ich kann mich nicht um ihn kümmern, also führt daran kein Weg vorbei." Der Arzt wollte mir tröstend auf die Schulter klopfen, das konnte ich sehen, aber er verkniff es sich und nickte nur verstehend.

"Wir werden dich nicht enttäuschen, versprochen. Dass du Zugriff auf die Wohnung haben darfst muss noch geklärt werden, aber spätestens am Tag des Einzugs wirst du die Zustimmung bekommen. Wenn du möchtest kannst du auch Jimins Pfleger kennenlernen, er ist erst frisch in unsere Klinik stationiert worden. Er macht seine Arbeit gut." Ich wollte es ihm doch glauben, wirklich. Aber alles sträubte sich in mir Jimin in die Hände einer wildfremden Person zu legen, besonders in die eines Neulings.

"Wie geht es Jimin heute?" Ich wich seinen Worten aus, blickte stattdessen weiter meine Blüte an. Er sah verwundert und neugierig hoch, unsere Augen trafen sich. Ein leichtes Lächeln schlich sich auf meine Lippen, und ich widerstand dem Drang, durch seine Haare zu fahren und seine Wange zu streicheln. "Er wird die nächsten Tage bestimmt wieder laufen können, heute hat er es schon mit Krücken probiert. Es geht langsam wieder auf, denke ich."

Lüge.

Lüge. Lüge. Lüge. Lüge!!!

𝐁𝐈𝐓𝐓𝐄𝐑𝐒𝐖𝐄𝐄𝐓Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt