Kapitel 19.5

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„Was? Wer?" Aetrian betrachtete sie amüsiert. „Die Hofdamen und der Attentäter?"

„Nein. Gratias Tugend und die Kinder der Tiefe."

Er antwortete nicht.

„Denk darüber nach. Wie ist dieser Attentäter der Tugend an Gift aus der Tiefe gekommen?"

Elanthin war sich bewusst, dass sie nach Strohhalmen griff. Die Worte des Attentäters würden jedoch Sinn ergeben, wenn sie mit ihrer Vermutung ins Schwarze getroffen hatte.

Du kannst gegen uns nicht bestehen, weil du nicht mit uns rechnest.

Unsere neuen Freunde.

„Ist es wirklich unmöglich?", fragte sie sich selbst. „Sind die Kinder und die Tugend zu unterschiedlich?"

Immerhin hasste die Tugend die Kinder dafür, Veritanisch zu sein; genau wie die Kinder die Tugend dafür hassten, nicht Veritanisch zu sein.

Aetrian legte den Kopf schief, während er überlegte. „Wenn wir mit dieser Einschätzung einen Fehler gemacht haben, dann kann das nur an falscher Information liegen."

Erinnerungen an endlose Berichte wirbelten durch Elanthins Kopf, aber keiner davon stach hervor – bis auf die Einbrecherin im dunklen Umhang, welche auf den Boden ihres Gästezimmers geblutet hatte.

„Was wenn die Attentäterin uns getäuscht hat?"

„Die erste Attentäterin?"

„Ja doch. Sie hat uns gesagt, dass die Kinder der Tiefe einen Kampf gegen Gratia und das Abkommen führen ... und wir haben ihr blind geglaubt."

Ich habe ihr geglaubt, weil sie nichts mehr zu verlieren hatte, dachte Elanthin mit einem Hauch von Reue. Wie naiv.

Aetrian stieß die Tür zu ihrem Schlafzimmer auf, bevor er sie durchwinkte. Der Raum war leer, nicht einmal Myrel wartete auf sie aufgrund der späten Stunde. Nur das lebhafte Prasseln des Kamins deutete darauf hin, dass jemand während ihrer Abwesenheit hier gewesen war.

Hinter ihr eingetreten nickte Aetrian, um zu zeigen, dass er Elanthins Gedankenfluss folgen konnte.

„Also, was bekommen wir, wenn wir die Annahme zurückziehen, dass sich diese Gruppen hassen müssen?", fragte er ruhig. „Könnten sich ihre Ziele miteinander vereinbaren lassen?"

Tief in Gedanken machte Elanthin ein paar Schritte zurück, um auf den Sessel bei ihrem Bett zu sinken, der Aetrians Stammsitz geworden war. Konnte es sein, dass der Zorn der Kinder der Tiefe gar nicht den Gratianern galt?

„Wenn die Kinder Gratia nicht schaden wollen, dann könnten sie mit der Tugend zusammenarbeiten. Aber warum?" Wenn es nicht ihr Hauptziel war, die neuen Bande zwischen Verita und Gratia zu schwächen, dann ...

Elanthin richtete sich kerzengerade auf, als ihr der Gedanke kam. „Und wenn ich von Anfang an recht hatte? Wollen mich meine Leute dafür bestrafen, dass ich mich ergeben habe?"

„Ich bin nicht davon überzeugt, dass sie ihre Leben aus einem so kleinlichen Grund riskieren würden", merkte Aetrian zweifelnd an.

Sie konnte ihm nicht zustimmen. Menschen hatte ihre Leben für lächerlichere Dinge aufs Spiel gesetzt, als eine Adlige zu bestrafen.

„Hoffentlich hast du recht."

Elanthin hielt an diesem Punkt inne und hinterfragte ihre Logik. Sie konnten keinen weiteren Fehler begehen, wenn Leben auf dem Spiel standen. Es war an der Zeit, die Pläne dieser Gruppen zu beenden; je früher desto besser.

„Ist es nicht möglich, dass die Kinder und die Tugend einen temporären Pakt geschlossen haben, um das Abkommen zu brechen?", sagte sie. „Sie könnten ihre anderen Konflikte für den Augenblick ignorieren."

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