Kapitel 18

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„Hast du ihre Fähigkeit geerbt?"

„Ich bin mir nicht sicher? Zumindest nicht auf dieselbe Art." Er zögerte, bevor sich ein schwaches Grinsen auf sein Gesicht schlich. „Du hättest sie früher sehen sollen. Manchmal hat sie dir diese zufälligen Bruchstücke an Information erzählt; wie das Wetter heute in einem Jahr sein würde; oder wann ein bestimmter Graf den traurigen Rest seines Haars verlieren würde. Es ist nie langweilig geworden."

Elanthin konnte sich seine Familie ohne großen Aufwand vorstellen. Ein geradliniger Gratianer und seine schöne Mutter, die offenbar so ungewöhnlich wie weise war.

Er muss sein Aussehen von ihr geerbt haben, dachte Elanthin. Wie schade, dass er nicht auch ihre Persönlichkeit hat.

„Früher ... hatte ich auch einen älteren Bruder."

Diesmal bemerkte Elanthin ihn; einen winzigen Bruch in seiner Stimme, so gut kaschiert, dass er leicht zu überhören war.

„Was ist passiert?"

„Er hat sich ein schlimmes Fieber eingefangen, das nicht abgeklungen ist. Sein Körper war danach zu schwach, um noch lange durchzuhalten. Manche sagen, dass Gift Schuld daran war – und ich würde ihnen zustimmen." Aetrian räusperte sich, während Elanthin darüber nachdachte, ob er sich wegen der Geschichte mit seinem Bruder persönlich um sie gekümmert hatte nach dem Attentat. „Aber damals habe ich nicht im Palast gewohnt, also kann ich nichts mit Sicherheit sagen."

„Warst du unterwegs, um Befehle auszuführen?"

„Nicht ganz. Mein Vater hatte mich rausgeschmissen, also habe ich mich dem Turm der Magier angeschlossen. Um genau zu sein, hatte er mich enterbt, damit ich mich aus der Politik heraushalte", erklärte Aetrian in einem bemüht sachlichen Tonfall, der sie nicht täuschen konnte. Die Falten auf seiner Stirn wurden mit jedem Satz ein klein wenig tiefer. „Damals war er wütend über meinen Vorschlag, Unterstützter für einen friedlichen Dialog mit den Ebenen zu finden ... aber er war im Allgemeinen nicht begeistert von meinen Ideen."

„Wie ironisch, dass du auf seinem Thron sitzt."

Aetrians Mundwinkel zuckten. „Und ich habe es geschafft, das Oberhaupt von Haus Verita in unserem Palast willkommen zu heißen. Wo auch immer er ist, er muss sich die Haare raufen."

In ihrer Vorstellung korrigierte Elanthin ihre früheren Annahmen über Gratias aktuellen König. Vielleicht war ihm seine Position nicht so einfach zugeflogen, wie sie bisher angenommen hatte.

„Hast du je in Betracht gezogen, um die Krone zu kämpfen, als dein Bruder noch am Leben war?"

„Niemals", schoss Aetrian ohne merkbares Zögern zurück.

Elanthin war sich nicht im Klaren über Gratias Regeln und Gesetze, was die Erbfolge zwischen Geschwistern betraf. Wenn sie denen von Verita im Geringsten ähnelten, dann hätte Aetrian nur eines beweisen müssen: Dass seine Kompetenzen in Kampf und Problemlösung die seines Bruders überstiegen.

„Gab es keine Möglichkeit, die anderen Adeligen zu überzeugen?", fragte sie geradeheraus.

„Ich habe nie damit gerechnet oder mir gewünscht, den Titel zu erben. Moment mal, missverstehe mich nicht; ich sitze nicht nur auf dem Thron, weil ich nichts Besseres zu tun habe", fügte er mit einem Anflug von Belustigung hinzu, als Elanthin eine dunkle Augenbraue anhob.

„Wieso bist du dann nicht bei den Magiern geblieben? Was hat dich zurück an den Hof gebracht?"

„Keine leichte Frage. Ich hatte tausend Ideen, die ich umsetzen wollte, also konnte ich die Chance nicht verstreichen lassen. Aber als mein Bruder noch gelebt hat ..."

VeritaWhere stories live. Discover now