Kapitel 26

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Tellus 2019

Für den Bruchteil einer Sekunde erstarrte Lilly. Dann verließ ein erleichterter Seufzer ihre Lippen, die William bedingungslos einnahm.

Instinktiv legte sie eine Hand an die warme Haut an seinem Nacken, um ihn näher an sich zu ziehen. Ihr Herz schlug kräftig gegen ihre Brust und jede Faser ihres Körpers war auf Hochspannung, als sie den Kuss erwiderte.

Und plötzlich war ihr Kopf wie leergefegt. Der Offizier, die ganze Befreiungsmission von Jasper, dass sie in nur wenigen Stunden weit weg von der Basis sein sollten, wenn sie eine sofortige Hinrichtung verhindern wollten - das alles geriet in den Hintergrund.

Dass Lilly in diesem Paralleluniversum feststeckte, geriet in den Hintergrund.

William knurrte, als Lilly versuchte, ihn am Saum seiner Montur näher an sich zu ziehen. Langsam löste er sich von ihr und sah sie mit einem Schleier vor den plötzlich dunkel gewordenen Augen an.

Die Hitze stieg ihr in die Wangen, als er ihr Bein anwinkelte und sich dicht an ihren Körper drängte. Sie verschmolzen zu einer einzigen lodernden Flamme, als ihre Lippen sich wiedervereinten.

Plötzlich fiel ihr etwas ein. „William.", hauchte sie zwischen den Küssen. Ihr Blick wanderte zu den an der Decke angelegten Kameras. „Steve-"

Ein gerissenes Grinsen bildete sich um seine Lippen. „Lass uns ihm die Show seines Lebens bieten." Er lachte leise, doch öffnete dennoch die Tür hinter ihrem Rücken.

Sie taumelten in das Zimmer und dieses Mal war es Lilly, die William gegen die Tür presste und ihre brennenden Lippen an seine Halsschlagader legte. Lilly konnte die Vibration an ihren Lippen spüren, als ein tiefes Stöhnen seine Kehle verließ.

Plötzlich versteifte sich William. Verwundert blickte Lilly zu ihm hoch und sah, dass sein Blick starr nach vorne gerichtet war.

„Ist alles in Ordnung?", fragte Lilly leicht verunsichert, bevor sie seinem Blick folgte und das Gemälde entdeckte, auf dem die Ferienhütte in Island abgebildet war. William hatte ihr das Bild gemalt, als sie eines Nachts in sein Zimmer gegangen war, weil sie so starke Sehnsucht nach ihrem Zuhause, nach der Erde, gehabt hatte. Sie erinnerte sich daran, dass sie so gerührt gewesen war, dass sie es direkt an der Wand neben ihrem Bett gehängt hatte und jeden Morgen zum Bild schaute, das ihr ein bisschen Hoffnung verlieh.

William hatte ihr Hoffnung verliehen.

Lächelnd drehte sie sich wieder zu William um, doch das Lächeln gefror ihr sofort auf den Lippen, als sie seine blasse Haut und seinen angespannten Kiefer sah. Seine Brust hob und senkte sich schnell, als er den Blick abwandte, um ihr nicht die Augen zu sehen.

„Das war ein großer Fehler. Wir hätten das nicht tun dürfen.", sagte er mit einem kühlen Unterton, ohne den Hauch einer Emotion erkennen zu lassen.

Ungläubig stolperte Lilly zurück. „Was?" Sie traute ihren Ohren nicht.

„Wir haben keine Zeit. In einer halben Stunde treffen wir uns im Gemeinschaftsraum. Pack das Nötigste." Er richtete seine Montur und räusperte sich. Nur das leichte Zittern seine Hände, als er seinen Dutt fester band, verrieten ihr, dass ihm das nicht alles egal war.

Doch sie verstand es nicht. Die wochenlange Anspannung zwischen ihnen, dieser Kuss, der beinahe zu mehr geworden wäre, und jetzt ... das?

Lilly zerbrach innerlich, als er ohne sie eines Blickes zu würdigen die Tür öffnete und in den Flur trat. Rückblickend hätte sie gerne etwas Schlagfertiges gesagt, doch sie blieb vollkommen regungslos, als er kurz inne hielt. „Es tut mir leid, dass ich dich so überrumpelt habe.", murmelte er und verschwand.

EchoesWhere stories live. Discover now