Kapitel 23

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Tellus 2019

Verrate ich dir nur allzu gerne, Schätzchen. Doch nur unter einer Bedingung." Er trat ganz nah an die Scheibe und legte den Kopf zur Seite. „Du wirst mich mit dem Pin auch befreien."

Fassungslos starrte Lilly den Gefangenen an, dessen marineblauen Haare aufgrund seiner schlechten körperlichen Verfassung in filzigen Wellen über seine Schultern flossen.

Schmunzelnd hatte er den Kopf zur Seite geneigt, die eisblauen Augen auf sie geheftet. Verdattert schüttelte Lilly den Kopf und sah dann zu Jasper hinüber, der in der gegenüberliegenden Zelle in eine Art Halbschlaf zu sein schien.

„Ich weiß nicht, ob das so eine gute Idee ist.", knirschte sie mit den Zähnen, da sie bereits wusste, wie sie sich entscheiden würde. Ihre Freunde hatten sich alle geopfert, damit sie zu Jasper vordringen und ihn befreien konnte. Auch wenn sie den Grund für die Inhaftierung des Jungen nicht kannte, musste sie schnell eine Entscheidung treffen, bevor die Wachen sie erwischen würden.

„In Ordnung.", gab sie atemlos nach. Ein mulmiges Gefühl breitete sich in ihr aus. „Sag mir den Pin und ich befreie dich."

Das Grinsen des Jungen wurde breiter. Mit einem Finger deutete er ihr an, näher an die gläserne Scheibe zu treten, sodass er ihr die Zahlen durch die Scheibe ins Ohr flüstern konnte.

1 - 9 - 8 - 0

„Ziemlich makaber, nicht wahr? Das Jahr, in dem die Apokalypse begann, als den Pin für die Zellen der Insassen zu nutzen, die sich gegen die Vernichtung der Welt stellen.", sagte er beiläufig, wobei das Grinsen nicht von seinen Lippen wich.

Lillys Finger zitterten, als sie die Ziffern in den Schalter tippte, der an der Scheibe befestigt war. Ein leises Klicken ertönte, als die Scheibe durch die Wände an ihren Seiten verschwand.

Anmutig verließ der Junge die Zelle, nur um dann Lillys Hand zu ergreifen. Einen kurzen Moment lang versteifte sie sich. Sie befürchtete, einen schrecklichen Fehler begangen zu haben und dass er sie nun verraten würde. Doch nichts dergleichen geschah.

Langsam führte er ihre Hand zu seinen Lippen und hauchte einen Kuss auf ihren Handrücken. Seine Augen funkelten gefährlich wie zwei Saphire in der Dunkelheit. „Vielen Dank für die Befreiung, Schätzchen. Elliot mein Name."

Lilly blinzelte perplex. „Lilly.", sagte sie gedehnt, schüttelte seine Hand ab und fuhr zu Jaspers Zelle herum, um mit dem Pin auch seine Zelle zu öffnen. Erleichtert atmete sie aus, als die Barriere sich entfernte. Sie kniete sich zu Jasper hinunter und betrachtete entsetzt die blutenden Wunden und violetten Male, die seine blasse Haut zierten. „Wir holen dich hier raus, Jasper.", versicherte sie ihm mit heiserer Stimme.

Neugierig blickte Jasper sie aus gesenkten Lidern an, doch schwieg. Immerhin schien er bei Bewusstsein zu sein, dachte sich Lilly. Sie schlang ihren unverletzten Arm unter seine schmächtigen Armen und hievte ihn ächzend hoch.

„Welch eine Ehre, deine Bekanntschaft zu machen, Lilly. Ach übrigens, die Maske, die du da trägst, sieht hinreißend aus.", schnurrte Elliot und warf dann einen musternden Blick auf Jasper. „Jasper, alter Freund. Du hast eindeutig bessere Tage hinter dir."

Jasper schnaubte leise. „Nun gut, wir sollten schleunigst von hier verschwinden. Die Verstärkung marschiert hier jede Sekunde herein. Um nicht wieder hinter Gittern zu landen, müssen wir ein wenig für Ablenkung sorgen, habe ich nicht Recht?", fragte er mit einer gewissen Vorfreude in seiner Stimme, die Lilly innehalten ließ. „Was hast du vor?", fragte sie misstrauisch. Eine dunkle Vorahnung befiel sie.

Lachend schritt Elliot den Gang entlang - die anderen Insassen, die klägliche Laute von sich gaben, ignorierend - und richtete seine Aufmerksamkeit auf einen Schalter, der denen der Zellen ähnelte, aber rot statt silbern war.

EchoesWhere stories live. Discover now