Kapitel 20

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Tellus 2000

Alastor seufzte genervt, als die Vakuum-Kammer zum Forschungsinstitut sich öffnete und er wie jeden Morgen ungeduldig abwartete, bis die verseuchte Luft durch die Lüftungen verschwand. Als die Tür mit einem grünen Blinken aufsprang, riss er sich den Schutzhelm förmlich vom Kopf, den er verärgert schüttelte. Vielleicht sollte er demnächst an eine modernisierte und handlichere Version der Schutzausrüstung arbeiten. Eine, bei der eventuell per Knopfdruck der Helm aus dem Anzug hervorschießen würde.

Selbstgefällig grinsend notierte er sich diese brillante Idee gedanklich, während er die klinisch riechenden Gänge entlanglief und den Kollegen, die fluchend an der Kaffeemaschine tüftelten, zwinkernd zunickte. Innerlich verspottete er sie jedoch, jeden einzelnen. Sie waren alle zu nichts zu gebrauchen.

Bevor er das Treppenhaus erreichte, stieß er beinahe mit einer Person zusammen, die hastig aus einer Tür tritt. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er sie. „Nova, was für eine Überraschung.", sagte er mit seinem üblichen aufgesetzten Lächeln, während er sie musterte.

Mit aufgerissenen Augen starrte Nova ihn an. Es wirkte beinahe so, als fühlte sie sich ertappt. Doch wobei? Schließlich war sie aus ihrem eigenen Labor getreten. Ihre braune Haut war fahl und unter ihren Augen hatten sich dunkle Ringe gebildet. Sie sah mehr als nur erschöpft aus.

„Ich hatte nicht erwartet, dich schon so bald wieder hier wieder vorzufinden.", fuhr er fort und warf einen kurzen Blick auf ihren Bauch, der nun nicht mehr ganz so hervorstach wie bei ihrem letzten Treffen. „Wie geht es dem Kind?", fragte er interessiert, während er innerlich nur Missfallen spürte. Nova hatte er für klüger gehalten. Er konnte nicht fassen, dass sie freiwillig ein Kind auf diese Welt gesetzt hatte, die schon längst dem Untergang geweiht war.

Ihm fiel verwundert auf, dass sie einen abgetragenen Pullover statt ihren gewohnten Laborkittel trug. „Alastor.", murmelte sie träge. „Schön, dich zu sehen. Lilliana geht es wunderbar, danke der Nachfrage." Instinktiv wanderte ihre Hand zu der Kette um ihren Hals, die einen seltsamen Stein beherbergte. Bei genauem Hinsehen stellte Alastor fest, dass es sich um einen weißen Achat handelte. „Heute kümmert sich Evan um die Kleine." Sie stockte kurz. „Ich wollte noch einige persönliche Gegenstände aus meinem Labor mitnehmen, bevor ich in Elternzeit gehe.", erklärte sie abwinkend und schulterte ihre Tasche.

Forschend blickte er sie an und lächelte dann charmant. Es war mehr als offensichtlich, dass sie etwas verbarg. „Verstehe.", sagte er gedehnt. „Wir haben alle unsere Geheimnisse, Nova." Er schürzte die Lippen. „Ist dir eigentlich die Bedeutung deines Namen bewusst? Ein heller Stern, der aus dem Nichts am Himmel erscheint und beißend hell erstrahlt, bevor er wieder verschwindet."

Novas Lippen formten sich nun das erste Mal an diesem Morgen zu einem aufrichtiges Grinsen. „Selbstverständlich ist mir diese Bedeutung bewusst, ich bin Astronomin.", erwiderte sie neckend und wandte sich ab. Doch ehe sie ihm den Rücken zuwandte, fügte sie hinzu: „Und wer weiß? Vielleicht werde ich genau das tun. In einem hellen Licht erstrahlen, bevor ich spurlos verschwinde." Scherzend deutete sie mit ihren Händen eine Explosion an, bevor sie davon schritt.

Schmunzelnd schüttelte er den Kopf und sah ihr hinterher. Nova schaffte es, dass er sie von allen Menschen am wenigsten hasste. Zumindest von den Menschen dieser Welt.

Vor Vorfreude biss er sich auf die Unterlippe, als er die Treppen hoch zu seinem Labor ging. Drei Monate waren nun vergangen, seitdem wie aus dem Nichts eine zugegeben reizende junge Frau in seinem Labor erschienen war. Drei Monate, in denen sie gemeinsam interstellare und interuniversale Reisen erforschten. Drei Monate, in denen sie sich versteckt in seinem Labor hielt, in denen sie im Geheimen arbeiteten. Alastor musste sich eingestehen, dass es ihn reizte, ein Geheimnis mit einer ebenso brillanten jungen Frau zu pflegen. Es reizte ihn, sich gegen die Regierung zu setzen, die Zügel selbst in die Hand zu nehmen. Seitdem sie in sein Leben getreten war, erwischte er sich morgens dabei, wie er sich grinsend auf die Arbeit freute, und wie er etwas tief in sich spürte, was er längst glaubte verloren zu haben: Hoffnung.

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