Kapitel 16

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Jeongguks Sicht:

Was hatte ich mir da eingbrockt? Die hübsche Dame namens Hyelin und ich befanden uns in meinem Wohnzimmer. Ich legte zwei große Sporttaschen auf den Boden, während sie ihren Rucksack vom Rücken nahm. Wir verließen so schnell wie möglich ihre Wohnung und wussten beide nicht, wo sie nun bleiben sollte. Darum fasste ich mir ans Herz und schlug ihr vor, dass sie diese Nacht auf meiner Couch schlief. Erst lehnte sie mein Angebot ab, jedoch war es spät am Abend und sie war viel zu aufgewühlt, um ihre alten Freunde nach Hilfe zu fragen. Bei ihrem Freund konnte sie natürlich nicht bleiben, sodass sie keine andere Wahl hatte. Wir fühlten uns beide nicht sehr wohl, weil wir immerhin Fremde waren. Aber die Welt ging nicht davon unter. Sie war am nächsten Tag auch schon wieder weg.

"Es tut mir leid, dass ich dich auch noch in deinen eigenen vier Wänden belästige. Erst musstest du mir mit meinem Freund helfen und jetzt lässt du mich auch noch bei dir schlafen... Ich kann dir gar nicht sagen, wie dankbar ich dir bin!", ergriff sie als erste das Wort und lächelte mich müde an.

"Du musst mir nicht die ganze Zeit danken... Mein Gewissen hätte es nicht zugelassen, dich allein zu lassen", sagte ich und war ziemlich angespannt.

"Macht es dir wirklich nichts aus, mich bis morgen früh aufzunehmen? Ich verspreche dir, dass ich nach dem Aufwachen direkt meine Freunde anrufe, damit du wieder deine Ruhe von mir hast", fragte sie mich unsicher.

"Es ist nur für eine Nacht. Das ist halb so schlimm. Du kannst dich im Badezimmer umziehen, wenn du möchtest. Das Kleid ist sicherlich ungemütlich auf Dauer", erwiderte ich und versuchte ihr ein Lächeln zu schenken.

"Du bist echt lieb. Danke", murmelte sie und bedankte sich ein weiteres Mal bei mir.

Danach beugte sie sich runter zu ihrem Rucksack und hob ihn hoch, um im Badezimmer zu verschwinden. Ich kehrte ihr den Rücken zu und schaute das Telefon, das ich heute morgen auf die Couch gelegt hatte, an. Auf diesem war die Nummer von Puma gespeichert, aber mein ganzer Körper sträubte sich dagegen diesen Penner anzurufen. Anderseits wollte ich auch wissen, ob Hyelins Freund ein Wächter war oder nicht. Ich hoffte es nicht, weil das ein schlimmer Verstoß wäre und Hyelin war wohl der netteste Mensch, den ich bis jetzt auf der Erde getroffen hatte. Jimin war ein blödes Arschloch und Herr Jung hatte mich bloß ausgenutzt.

Ich schüttelte den Kopf und setzte mich auf die schwarze Couch. Widerwillig schnappte ich mir das Telefon und suchte die Nummer von Puma heraus. Nach langem Zögern drückte ich schließlich auf den grünen Telefonknopf und hielt mir das graue Plastikding ans Ohr. Es dauerte keine zehn Sekunden, da ging dieser Idiot auch schon dran. Bestimmt hatte er schon auf meinen Anruf gewartet.

"Ah, Jeongguk. Ich wusste, dass du es keine zwei Tage auf der Erde aushältst. Möchtest du etwas wieder nach Hause kommen? Ist dir die Arbeit zu schwer?", stellte er gleich irgendwelche Thesen auf und lachte schadenfroh.

"Nein, ich wollte fragen, ob du eine Frau namens Seo Hyelin kennst und sie einen Wächter hat?", ignorierte ich seine ganzen Fragen.

"Wieso fragst du? Willst du etwa den Schützling wechseln?", fragte er skeptisch nach.

"Nein, ich möchte bloß wissen, ob sie einen Wächter hat. Sie wurde von ihrem Freund misshandelt und befindet sich jetzt in meiner Wohnung, weil sie nicht mehr zurück zu ihm kann. Also hat sie jetzt einen Wächter, oder nicht?", gab ich genervt von mir und massierte mir das Nasenbein.

"Wie bitte? Misshandelt? Das kann doch nicht wahr sein...", hörte ich ihn murmeln.

"Was ist denn jetzt?", wollte ich wissen.

"Die Frau darf eine Nacht bei dir bleiben, Jeongguk. Ich kümmere mich um die Sache. Am nächsten Morgen kann sie zurück in ihre Wohnung. Komm bloß nicht auf blöde Gedanken!", sagte er und legte in der nächsten Sekunde auf.

Sprachlos nahm ich den Hörer vom Ohr und fragte mich, wie wenig er von mir hielt. Dachte er wirklich, dass ich diese Frau belästigen würde? War ich etwa so schlimm? Ich verstand es einfach nicht. Seufzend schmiss ich das dumme Telefon zurück auf die Couch und lehnte meinen Kopf nach hinten, sodass ich an die Decke schaute. Irgendwie konnten die Leute mich nicht leiden und keiner erklärte mir wieso. Ich war doch eigentlich ganz nett, oder?

Vielleicht sollte ich Jimin einfach in Ruhe lassen und auf meine Visionen warten, falls er meine Hilfe brauchte. Es war keine Pflicht mit ihm befreundet sein, um ihn zu schützen. Ich hatte es mir selbst versaut, als ich in seine Wohnung eingedrungen war. Wenn ich nicht so blöd gewesen wäre, würde er mich wenigstens für einen normalen Menschen halten. Er nannte mich ja die ganze Zeit gestört und wollte mich in eine Klapse stecken.

Auf einmal klingelte es an der Wohnungstür, wodurch ich den Kopf hob und dann mit einem lauten Ächzen aufstand. Ich wuschelte mir durch die grauen Haare und öffnete die Wohnungstür. Überrascht sah ich meinen Schützling an, der mir mies gelaunt ins Gesicht schaute und einen kleinen Schokomuffin in der Hand hielt.

"Hallo?", begrüßte ich ihn verwirrt und trat einen Schritt zurück, weil ich irgendwie erwartete, dass er mir diesen Muffin ins Gesicht drückte, wenn ich etwas Falsches sagte.

"Hey... Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Ich habe ziemlich gemeine Dinge gesagt und das war nicht fair von mir. Der Muffin gehört zu meiner Entschuldigung. Nimm ihn", murrte er angepisst und streckte mir den Muffin entgegen.

"Danke für die Entschuldigung. Das war aber nicht nötig", sagte ich ihm und presste die Lippen zusammen, während ich nach dem Muffin griff.

"Sei froh, dass ich mich überhaupt bei dir entschuldige, du gestörter Vogel. Was sind das für große Taschen im Wohnzimmer? Hast du noch nicht ausgepackt?", beleidigte er mich mal wieder und analysierte meine Wohnung vom Flur aus.

Im selben Moment kam Hyelin aus dem Badezimmer und eilte im rosa Pyjama ins Wohnzimmer. Jimins Augen wurden mit einem Mal ganz groß und sein Blick schallte von Hyelin zu mir. Im nächsten Moment verdunkelte sich sein Blick und er starrte mich absolut angewidert an. Mein Magen drehte sich um und ich öffnete meinen Mund, um ihm aufzuklären, jedoch ließ er mir überhaupt keine Chance.

"Ich wünsche dir viel Spaß mit deinem Besuch. Gute Nacht", spuckte er mir ins Gesicht und machte auf seinem Absatz kehrt, um zu verschwinden.

Fassungslos sah ich ihm nach, während er die Treppen runterstampfte und schon wieder wütend auf mich war, obwohl ich rein gar nichts getan hatte. Wieso musste ich mich überhaupt vor ihm rechtfertigen? Ich war unschuldig!

Guardian | JikookWhere stories live. Discover now