Kapitel 14

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Zwei Stunden später saß ich endlich wieder in meiner Wohnung auf der Couch und musste mich nicht mehr den ganzen Blicken der Menschen um mich herab abgeben. Die Chefin aus dem Eiscafe hatte mir zum Glück erlaubt, meine Haare bei ihnen zu waschen, sodass ich nicht mit der eklige Pampe auf dem Kopf nach Hause fahren musste. Mit Jeongguk hatte ich kein einziges Wort gewechselt und er kam mir auch nicht mehr in die Nähe. Er ignorierte mich einfach, was mich so provozierte, weil er kein Recht darauf hatte, sauer auf MICH zu sein. Er nervte mich den ganzen Tag und war auch noch so frech mich unter einen scheißenden Vogel zu stellen, da ihm mein Verhalten nicht passte. Sollte ich überglücklich sein, dass ein Punk plötzlich an meinem Arsch klebte und in dem selben Haus wohnte wie ich? Ich wollte allein sein. Meine Ruhe haben. Niemand konnte mir jemals dieses Gefühl von Sicherheit geben, wie meine Eltern es taten. Auch kein dummer Wächter, oder als was er sich auch immer identifizierte.

Im Moment stand er vor mir am Fenster und hatte die Hände hinter seinem Rücken verschränkt. Er erinnerte mich an einen alten Opa, der die Kinder in der Nachbarschaft mit seinen Blicken tötete, weil sie schon wieder zu laut für seinen Geschmack waren. Er kaute auf seinen Wangen herum und sah unbeschreiblich gereizt aus. Wahrscheinlich hinterfragte er seine Existenz und Entscheidungen, die er im Leben getroffen hatte. Auf einmal starrte er mich an und erwartete vermutlich, dass ich wegschaute. Jedoch erwiderte ich seinen Blick grimmig, um ihm zu verstehen zu geben, dass er verschwinden sollte. Ich mochte ihn nicht.

"Jin und Namjoon sind so viel netter als du. Ich weiß zwar, dass mein Chef mich nicht besonders mag, aber dass er mich mit keinerlei praktischen Erfahrung zu so einer Person wie dir schickt, ist so fies", gab er sauer von sich und drehte sich mit seinem gesamten Körper in meine Richtung.

"Heul doch... Ich bin halt so", zuckte ich gleichgültig mit den Schultern.

Jeongguk schloss die Augen und versuchte Ruhe zu bewahren, weil er jeden Moment die Fassung verlor. Ich hoffte, dass ich ihn dadurch verscheuchte, sodass er zu seinem Chef kroch und ihn anflehte von mir erlöst zu werden. Ich hatte ja versucht nett zu sein, aber ich konnte ihn einfach nicht ausstehen. Mein Körper sträubte sich gegen ihn.

"Ich weiß ganz genau, was du vor hast. Ich bin nicht blöd. Du kannst es vergessen, dass ich zu meinem Chef gehe. Ich werde nicht aufgeben. Also sei so gemein, wie du willst. Es ist mir egal", sagte er und zog die Augenbrauen zuammen, als ich ihn schief angrinste.

"Muss sich da jemand etwa beweisen? Du hörst dich ziemlich verzweifelt an", fragte ich ihn belustigt, was ihn zur Weißglut brachte.

Er ließ einen frustrierten Schrei raus und klatschte sich mit beiden Händen mehrmals ins Gesicht. Danach drehte er sich von mir weg und lief im Wohnzimmer hin und her, während er wieder seine Existenz hinterfragte oder den Drang mich anzuschreien unterdrückte. Plötzlich blieb er stehen und kam dann auf mich zu gestürmt, was mich etwas überraschte, aber ich behielt mein gleichgültiges Gesicht auf. Doch er beugte sich über mich und stützte sich an der Rücklehne hinter mir ab. Er sah mir tief in die Augen und kam mir viel zu nah, sodass ich unbewusst mehr in die schwarze Ledercouch rutschte. Ich spürte seinen heißen Atem auf meiner Haut, aber ich strengte mich an den Blickkontakt nicht abzubrechen. Was mir nicht sehr leicht fiel, weil seine dunklen Augen Löcher in meine Seele bohrten. Seine muskulösen Arme, die mich gefangen hielten, machten mich ziemlich nervös.

"Dir hängen noch Reste in den Haaren. Geh lieber duschen", teilte er mir bloß mit und entfernte sich wieder von mir.

Perplex musterte ich ihn und hatte eigentlich erwartet, dass er etwas auf meine Worte erwiderte. Hatte er nun beschlossen, dass er meine gemeinen Aussagen einfach ignorierte? Wollte er mich provozieren? Wenn ja, dann hatte er es geschafft. Mürrisch stand ich von der Couch auf und drückte ihn an der Brust aus dem Weg, um das Wohnzimmer zu verlassen und im Flur die erste Tür an meiner rechten zu öffnen. Ich schaltete das Licht im Badezimmer an und stoppte in meinen Bewegung, als ich einen lauten Knall hörte. Ich stürmte zurück ins Wohnzimmer und riss die Augen auf, da das ganze weiße Regal über der Couch aus seiner Halterung gebrochen und auf den Platz gestürzt war, auf dem ich vor wenigen Sekunden noch saß.

"Warst du das?!", fragte ich Jeongguk sauer, der die Bilder meiner Eltern auf dem Boden anstarrte, die in Bilderrahmen auf dem Regal standen.

"Also wirklich... Du hättest es gehört, wenn ich auf die Couch gesprungen wäre und gewaltsam das Regal runtergerissen hätte", verdrehte er die Augen und sammelte die Bilder zusammen, um sie auf den Couchtisch zu legen und hob das Regal hoch.

Er drehte es in seinen Armen um und sah mich dann völlig entgeistert an, weil sich das Holz dort, wo die Schrauben sein sollten, gespalten hatte. Das Regal war neu. Wie konnte das passieren? Anscheinend merkte er mir meine Verwirrung an, da er das Regal auf den Boden stellte und mit seinem Finger auf die Spaltung deutete.

"Du hast falsche Schrauben benutzt. Stumpfe Schrauben machen das Holz kaputt und die Halterung bleibt lose, aber das hast du wegen der Farbe wahrscheinlich nicht gesehen", erklärte er mir und legte das Regal schließlich auf den Boden.

"Oh, das wusste ich nicht", murmelte ich und musterte das kaputte Holz.

"Wenn man nicht weiß, wie Dinge richtig gemacht werden. Dann sollte man es lassen", belehrte er mich auch noch, was mir gar nicht passte.

"Wer hätte mir das denn erklären sollen? Mein Vater hat damals alle Regale im Haus angeschraubt und wollte es mir beibringen, wenn ich in eine eigene Wohnung ziehe. Ich dachte, dass ich das auch ohne Erklärung kann. Ich möchte es von niemand anderen erklärt bekommen", zischte ich ihn an und mir stiegen die Tränen in die Augen, die ich wegblinzelte.

"Das ist kindisch. Dein Vater ist nicht mehr da. Willst du etwa, dass solche Sachen immer wieder passieren, bis du dich wirklich verletzt?", meinte Jeongguk und hatte die Augenbrauen zusammengezogen.

"Na und?! Ich bin ein Kind! Du verstehst es einfach nicht, wie es ist, seine Eltern auf einen Schlag zu verlieren!", rief ich aufgebracht.

"Ja, ich verstehe es wirklich nicht. Du bringst dich mit solchen Aktionen selbst in Gefahr, weil du nicht möchtest, dass jemand anderes als deine Eltern dir Dinge beibringt? Was macht das für einen Sinn? Du solltest aufhören so stur zu sein und dich deinem Alter entsprechend verhalten. Du musst Erwachsenen werden", sagte er ernst.

"Halt deine Fresse! Ich lasse mir von keinem gestörten Bastard erzählen, dass ich erwachsenen werden soll. Du bist doch schon über zwanzig Jahre alt. Du hast keine Ahnung", keifte ich und drehte mich genervt weg.

"Ich bin erst 18 Jahre alt und kenne meine Eltern nicht. Also hast du Recht. Ich habe keine Ahnung, wie es ist, Eltern zu haben. Aber wenigstens weiß ich, wie man Regale aufhängt", meinte er plötzlich und ließ mich die Augen aufreißen.

Jeongguk lächelte mich an und klopfte sich den Staub von den Händen, während ich ihn bloß sprachlos anstarrte und nicht wusste, was ich sagen sollte. Jedoch musste ich wohl nichts sagen, weil er mir mitteilte, dass er in seine Wohnung ging und an mir vorbei lief. Wenige Sekunden später hörte ich meine Wohnungstür auf und zu fallen. Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn und flüsterte mir zu, dass ich ein Vollidiot war.

Guardian | JikookOpowieści tętniące życiem. Odkryj je teraz