Kapitel 11

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Wegen Jeongguk hatte ich meine Bahn verpasst, sodass ich eine halbe Stunde auf die nächste warten durfte. Das wäre halb so schlimm, wenn er nicht drei Meter weit weg von mir stände und mich beobachten würde. Er tat so, als kannte er mich nicht und schaute sich immer wieder im Bahnhof um. Dagegen tötete ich ihn mit meinen Blicken und wollte, dass er verschwand. Er zog die ganze Aufmerksamkeit der Leute auf sich und merkte es nicht mal. Seine Größe und sein gutes Aussehen ließ niemanden außer mir kalt. Ich wusste, was für ein Gestörter er war und mochte ihn kein bisschen.

Unsere Blicke trafen sich auf einmal, da ich zu sehr damit beschäftigt war, ihn in meinen Gedanken zu beleidigen. Erst sah er mich mit zusammengekniffen Augen an und streckte mir dann die Zunge raus. Ich weitete meine Augen und schaute mich kurz um, ob das jemand gesehen hatte. Natürlich, musste es ein kleines Mädchen mit schwarzen langen Haaren sehen, das mich nun erwartungsvoll ansah. Als würde es verlangen, dass ich meine Zunge rausstreckte, um meine Ehre zu bewahren. Zu meinem Glück fuhr die Bahn in diesem Moment an, sodass ich schnell nach vorne eilen konnte, um einzusteigen. Die Türen öffneten sich und ein paar Leute stiegen aus, jedoch blieb die Bahn noch viel zu voll. Meine Laune sank noch mehr, aber ich stieg trotzdem ein, da ich schon fast eine Stunde zu spät war. Ich drängte mich zwischen die Menschen und hielt mich an einer Stange fest, die von der Decke hing. Vor mir saßen Leute, die mich kurz beäugten, bevor sie sich ihren Handys widmeten. Jeongguk stieg auch ein und war genau eine Person von mir entfernt. Angepisst starrte ich ihn an und hatte nicht gedacht, dass er trotzdem so auffällig in meiner Nähe sein würde, als er sagte, dass er sich im Hintergrund aufhielt.

"Dummer Vollidiot", murrte ich unter meinem Atem und wandte den Blick ab.

Die Bahn fuhr los und ich knallte gegen den Mann zwischen mir und Jeongguk. Ich entschuldigte mich sofort und hörte kurz darauf jemanden kichern. Es war kein anderer als Jeongguk, der gerade aus schaute. Er machte mich so wütend! Wieso musste ich mich mit diesem Psychopathen auseinandersetzen? Der schwarzhaarige Mann trug einen Mundschutz und schaute zwischen uns beiden hin und her, bevor er Jeongguk fragte, ob wir zusammen gehörten. Dieser grinste ihn breit an und bejahte auch noch. Der Mann schlug ihm vor die Plätze zu tauschen, was sie dann auch taten. Genervt versuchte ich Abstand zu ihm zu schaffen, doch neben mir stand noch eine Frau, die mich schon komisch betrachtete. Frustriert rückte ich näher an Jeongguk, der auch noch so frech war, seinen Arm um meine Schultern zu legen.

Als ich ihn dafür anmeckern wollte, kam eine scharfe Kurve, die mich fast umgeworfen hätte, wenn Jeongguk mich nicht festhalten würde. Überrascht sah ich in sein Gesicht, aber er reagierte nicht, sondern ließ mich nach ein paar Sekunden wieder los, als keine weitere Kurve kam. Sollte ich mich bedanken? Nein! Das hatte er nicht verdient. Er nervte mich zu sehr mit seiner verzerrten Realität. Darum sagte ich rein gar nichts und senkte den Blick, weil ich nicht wusste, wo ich hin schauen sollte. Die Fahrt verging schweigend und dass er hin und wieder seinen Arm um mich legte, damit ich nicht fiel. Der Drang, ihm zu danken, stieg, aber mein Sturkopf streikte. Nach zwanzig Minuten durften wir die Bahn verlassen und abrupt entfernte sich Jeongguk von mir, als wir an der Haltestelle standen. Ich hob eine Augenbraue an und fand das ein wenig lächerlich. Der höchste Abstand, den er zu mir nahm, waren drei Meter. Vielleicht sollte ich wirklich einfach mitspielen, damit er irgendwann gelangweilt von mir war und sein nächstes Opfer suchte.

"Okay, du komischer Vogel. Ich werde es akzeptieren, dass du mein Bodyguard wirst, aber ich habe drei Bedingungen. Erstens du nimmst die Wörter 'Wächter' und 'Schützling' in meiner Gegenwart nicht in den Mund. Ich finde das grässlich", sagte ich und ging ein paar Schritte auf ihn zu, damit ich nicht so laut sprechen musste.

"Das ist so, als würdest du einem Hund sagen, dass er nicht sagen soll, dass er ein Hund ist!", jammerte er aufgebracht.

"Ein Hund sieht wie ein Hund aus. Du siehst wie ein Mensch aus... Also bist du ein Mensch für alle anderen. Kein Schwein weiß, was ein Wächter ist. Ich bin auch noch komplett verwirrt von diesem Geschwafel", flüsterte ich ihm leise zu.

"Erstmal, was haben Schweine jetzt damit zu tun? Und das ist mir schon bewusst. Denkst du wirklich, dass ich so dumm wäre und jedem, den ich auf der Straße sehe, sage, dass ich kein normaler Mensch bin? Also wirklich ich bin nicht jahrelang durch die Hölle gegangen in meiner Ausbildung, um von dem erstbesten Menschen, den ich beschütze, die ganze Zeit beleidigt zu werden. Ich bitte dich", erwiderte er etwas zickig.

"Ich kenne dich kaum. Du bist ein gest-... fremder Kerl, der gestern einfach in meiner Wohnung aufgetaucht ist. Bei der nächsten Person solltest du nicht irgendwo einbrechen, sondern die Person im Supermarkt ansprechen und ihm auf keinen Fall sagen, was du bist und tust! Deine Art und Weise verängstigt die Leute nur!", zischte ich ihm energisch zu.

Jeongguk verdrehte seine Augen bei meinen Worten, aber nickte schließlich verständlich. Mein Gott, er nahm diesen Mist wirklich ernst. Wie krank musste er im Kopf sein?

"Was sind deine anderen Bedingungen?", fragte er mich etwas niedergeschlagen.

"Ähm, wenn dich andere fragen, woher wir uns kennen. Dann sagst du, dass mein Onkel ein guter Freund deiner Eltern sei und sie ihn gefragt haben, ob er jemanden kennt, der dir die Stadt zeigen kann, weil du deine Karriere hier starten möchtest. Okay?", antwortete ich zögerlich und er sah mich verwundert an.

"Also sind wir jetzt sowas wie Freunde?", hakte er nach und seine Augen wurden ganz groß.

"Nein, Freunde sind wir nicht. Du bist die Bürde, die ich ertragen muss. Eventuell bin ich auch etwas interessiert mehr über dich herauszufinden. Aber denke ja nicht daran, dass wir irgendwann Freunde werden! Ich mag dich immer noch nicht und werde dich niemals mögen. Ach, ja. Wenn ich dir sage, dass du mich für ein paar Stunden in Ruhe lassen sollst, dann machst du das auch", bejahte ich und stellte auch schon die dritte Bedingung auf.

In Jeongguks Gesicht stand die Enttäuschung geschrieben, jedoch nickte er ein weiteres Mal und schaute zu Boden. Bei seinem Anblick stach irgendetwas in meiner Brust, aber ich nahm meine Worte nicht zurück. Ich wollte keine neue Freundschaft schließen. Vor allem nicht mit einem Punk, der sich so komisch verhielt und scheinbar Schizophrenie hatte.

Guardian | JikookWhere stories live. Discover now