Kapitel 2

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Jeongguks Sicht:

Gelangweilt saß ich auf den Treppenstufen des Internats und wartete geduldig auf meinen besten Freund, der gerade ein Gespräch mit unserem Ausbilder hatte, der gleichzeitig auch unser Chef war. Man konnte sich vorstellen, wie streng er mit uns umging und was für Strafen uns erwarteten, wenn wir seine Prüfungen nicht bestanden. Mich mochte Puma wahrscheinlich am wenigsten, weil ich schon viel zu oft durchgefallen war und meistens die dümmsten Frage stellte, die jemand stellen konnte. Ein Wächter zu werden, war anstrengend. Vor allem, wenn man so wie ich ab seiner Geburt im Internat leben musste, um das Ziel zu verfolgen, ein richtig toller Wächter zu werden. Ich war 18 Jahre alt und hatte nichts anderes außer dieses Internat gesehen. Überall auf dem Gelände wurden irgendwelche Pflanzenarten von der Erde eingepflanzt und berühmte Gebäude nachgebaut, die jeder Mensch auf der Erde kennen musste.

Aus dem Nichts erschien mein bester Freund vor mir und riss mich somit aus meinen Gedanken. Als ich fragen wollte, was unser Chef wollte, stoppte ich in all meinen Bewegungen, als ich ein Schmuckstück in seiner Hand sah. Meine Augen weiteten sich augenblicklich und ich starrte ihn fassungslos an, der mir grinsend den Vertrag für seinen aller ersten Schützling vor die Nase hielt und vor dem Gebäude unserer Schule anfing zu tanzen. Ich schnappte mir die Kette mit dem schwarzen Obsidian Anhänger und entdeckte auch schon das Gesicht seines Schützling in der glatten, glänzenden Oberfläche spiegeln.

"Du hast einen Schützling bekommen?", fragte ich ihn erstaunt und gab ihm die Kette wieder zurück, die er mit einem breiten Lächeln entgegennahm und küsste.

"Puma hat gesagt, dass meine Noten in den Prüfungen super ausgefallen sind und ich soweit wäre, meinen ersten Auftrag anzugehen. Meine Ausbildung ist offiziell beendet, weil dieser Mann mit dem Namen Jung Hoseok noch keinen Wächter besitzt. Ich bin endlich aus diesem verdammten Knast raus!", erzählte Taehyung mir grinsend und seine hellgraugefärbten Haare wehten im Wind, sodass man seine Stirn sehen konnte.

"Ich wusste, dass du das diesmal schaffst! Ich freue mich für dich, Tae!", rief ich fröhlich und war etwas stolz auf meinen besten Freund.

Ich freute mich wirklich für ihn. Er hatte sich die letzten Monate den Arsch aufgerissen, um die praktischen und theoretischen Prüfungen zu schaffen. Die waren auch nicht einfach. In der theoretischen Prüfungen wurde man zwei ganze Tagelang mündlich über die Erde ausgefragt. Wir mussten über jede Sprache, jede Kultur, jede Religion, jedes Land und Kontinent Bescheid wissen, damit wir nicht auffielen und uns auf der Erde ohne Probleme integrieren konnten.

Unsere Schützlinge sollten auch nicht erfahren, dass wir keine richtige Menschen waren. Ich fand das beschissen, aber mich fragte keiner nach meiner Meinung. Die praktische Prüfung war dementsprechend die Hölle für mich und ohne Taehyung, der mir half, werde ich das wohl niemals schaffen. In der praktischen Prüfung mussten wir uns in Gefahrensituationen wie ein normaler Mensch verhalten, ohne unsere Fähigkeiten zu benutzen, die wir als Kinder erlernen mussten. Es machte absolut keinen Sinn für mich, dass wir unsere Fähigkeiten in unserer Kindheit ausbauen sollten, aber als Erwachsener nicht benutzen durften.

Meine Stärken waren die Teleportation und dass ich mehrere Sekunden in die Zukunft schauen konnte, um meinen Schützling rechtzeitig vor jeder möglichen Gefahr zu retten. In der letzten Prüfung hatte ich mich aus Panik aus dem Simulator teleportiert und meinen Partner zurückgelassen. Ich mochte Feuer einfach nicht und genau deswegen hatte jede meiner praktischen Prüfungen etwas mit einem Brand zu tun, weil dies meine einzige Schwäche war. Es war ja nicht so, als wäre ich unsterblich. Ich konnte genauso wie mein Schützling an einem Brand sterben. Mir machte es Angst in diesem riesigen Feuer gefangen zu sein, während mich die Hitze zu Boden drückte und der Sauerstoff mit jeder Sekunde immer weniger und weniger wurde. Es brachte mich in Panik und mein einziger Gedanke in dieser Situation war, dass ich raus wollte und mein Körper beförderte sich selbst aus der Simulation. Das war ein normaler Überlebungsinstinkt. Niemand wollte elendig verbrennen.

"Custos an Jeongguk. Bist du noch bei mir?", wedelte mir Taehyung mit der Hand vor das Gesicht und lachte belustigt.

"Nein, was hast du nochmal gesagt?", fragte ich nach und blinzelte ihn verwirrt an.

"Streng dich für die nächste Prüfung an. Ich habe keine Lust, dich mehrere Jahre nicht zu sehen", wiederholte er seine Worte und legte seine Hände auf meine Schultern.

"Das sagst du so einfach und selbst wenn ich die Prüfung schaffe, heißt es nicht, dass mir Puma ebenfalls direkt einen Schützling geben wird", verdrehte ich die Augen und verschränkte die Arme vor der Brust.

"Hör auf so pessimistisch zu sein. Das Einzige, was er an dir bemängelt, ist die Teleportation. Ich habe es mir ja auch abgewöhnt", meckerte er mich an und ließ mich skeptisch eine Augenbraue anheben.

Meine Augen wanderten über seinen ganzen Körper, den er vor wenigen Minuten hier her teleportiert hatte. Er verstand meinen Blick sofort und klatschte mir leicht mit der flachen Hand gegen die Wange.

"Naja, so gut hast du dir das aber nicht abgewöhnt", meinte ich und presste die Lippen zusammen.

"Sei ruhig, du Idiot. Ich bin weder auf der Erde, noch in einer Prüfung", maulte er mich an.

"Du bist nämlich noch auf Custos. Ein Planet, der versucht die Erde zu sein, was aber nie der Fall sein wird, weil er extrem klein und runtergekommen ist. Ich meine es ernst. Das Internat ist der einzige Ort, der von diesen ganzen Naturkatastrophen verschont blieb", grinste ich ihn an und beschrieb unsere Heimat voller Liebe und Zuneigung.

"Ach, ja... Das Einzige, was ich an diesem Internat vermissen werde, ist es mit dir ein Zimmer zu teilen. Es war lustig, dich im Schlaf zu nerven. Darum sage ich dir, dass du dich endlich zusammenreißen sollst. Es ist bloß Feuer, das du ein paar Minuten aushalten musst", versuchte er mir Mut zu machen, aber das brachte mir überhaupt nichts.

"Ne, Taehyung. Es ist nicht 'bloß' Feuer. Ich kann mich nicht mit einem random Stein heilen so wie du. Wenn ich mir Verletzungen zufüge, dann bleiben die auch an Ort und Stelle. Du kannst dann nicht einfach vorbeikommen und einen Stein draufreiben, als wäre es ein Wunden-Radierer. Ich bin dann auf mich allein gestellt", gab ich etwas aufgebracht von mir, weil der bloße Gedanke an die Prüfungen mich kirre machte.

Dabei rieb ich meine Faust auf meinen Unterarm, um Taehyungs Fähigkeiten nachzuahmen. Er konnte mit Obsidian oder Kristallen Verletzungen heilen. Er musste nur einmal mit ihnen über die Haut fahren und schon war alles wieder in Ordnung. Taehyung starrte mich entgeistert und konnte nicht mal die Hand heben, um mir die heftigste Ohrfeige zu verpassen, die er drauf hatte, da ich schon von ihm wegrenne. Ich wäre bis zur Erde geflogen, wenn ich stehen geblieben wäre. Da hätte ich garantiert kein Portal gebraucht.

"Du scheiß Hellseher! Wag es dich, dich zu teleportieren! Wir fangen jetzt mit deiner Abgewöhnung an!", schrie mir Taehyung hinter her und rannte ebenfalls los, um mich zu jagen.

"Lass mich in Ruhe! Du sollst Lebewesen heilen! Nicht welche verletzen!", rief ich verängstigt und traute mich wirklich nicht meine Kräfte zu benutzen, während ich den Kieselsteinweg entlang sprinte, der zu den Wohngebäuden führte.

Guardian | JikookWhere stories live. Discover now