Kapitel 10

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In der letzten Nacht drückte ich kein Auge zu, weil ich befürchtete, dass der Punk wieder in meine Wohnung einbrach und mich für mein unfreundliches Verhalten umbrachte. Dementsprechend lief ich am nächsten Morgen wie eine Leiche durch die Gegend. Meine Augenringe konnte man kaum übersehen und mir wurde ständig schwindelig, sodass ich mich irgendwo festhalten musste. Heute hatte ich zum Glück keine Vorstellungsgespräche. Jedoch wollten sich meine Freunde mit mir im Park treffen, damit sie verhinderten, dass ich mich an freien Tagen in meine Wohnung sperrte und mit keiner Menschen Seele sprach.

Deswegen wälzte ich mich um elf Uhr aus dem Bett und wusch mich, bevor ich die Wohnung verließ. Ich stellte mich vor den Fahrstuhl und drückte den Kopf an der Wand. Einige Sekunden vergingen, bis der Fahrstuhl in meiner Etage hielt und sich die Türen öffneten. Doch kein anderer als dieser verrückte Jeongguk stand in diesem und grinste mich breit an. Schlagartig drehte ich um und wollte in meiner Wohnung verschwinden, während die Angst für Krämpfe in meinem Bauch sorgte. Aber er griff nach meiner linken Schulter und zog mich zurück. Ich kniff die Augen zusammen und bereitete mich mental darauf vor, nun umgebracht zu werden.

"Ich habe dir gesagt, dass ich zurück... komme? Wieso zitterst du schon wieder so? Diesmal habe ich rein garnichts getan! Ich würde dich niemals verletzen, Jimin! Ich schwöre es dir!", beschwerte er sich lautstark und hörte sich so frustriert an.

Ich öffnete langsam meine Augen und sah den Punk eingeschüchtert an, der wie kleines Stück elend vor mir stand und selbst dicke Augenringe im Gesicht hatte. Vielleicht brachte er mich doch nicht um, aber er beunruhigte mich trotzdem. Immer hin brach er gestern in meine Wohnung ein!

"Tut mir leid, dass ich dir nicht vertraue, nachdem du in meine Wohnung eingebrochen bist und wie ein Punk aussiehst, der mich jeden Moment verprügeln wird!", keifte ich ihn an und ließ ihn schockiert die Luft einziehen.

"Ein Punk?! Das ist Diskriminierung! Mein Aussehen und Kleidungsstil hat nichts mit meiner mentalen Einstellung zu tun! Als dein Wächter würde ich dir niemals etwas tun...", gab er entsetzt von sich und hielt mir seinen Zeigefinger vors Gesicht, um mich zu tadeln.

"Kannst du aufhören, immer mit diesem Wächter-Gelaber anzufangen? Ich verstehe nicht, was du da für einen Mist erzählst. Aber ich brauche keinen verfickten Wächter, der meint mir auf den Sack zu gehen. Was ist das auch für eine dumme Bezeichnung? Ich weiß nur, dass du in meine Wohnung eingebrochen bist und ich dich nicht in meiner Nähe haben möchte. Du bist bloß ein Psycho, der selbst Hilfe braucht. Wie kommst du überhaupt auf diesen scheiß? Welche Droge hast du zu dir genommen?", zischte ich und bohrte ihm meinen Zeigefinger in die Brust.

Heute trug er ein lockeres Sweatshirt und eine lockere Jeanshose mit einem Gürtel. Das Sweatshirt hatte er vorne etwas in die Hose gesteckt und trug schwarze Chucks. Bei jedem Wort, das meinen Mund verließ, verdunkelte sich sein Blick immer mehr und er biss sich angespannt auf die Innenwangen. Mehrere Sekunden brachte er kein Wort heraus, um wahrscheinlich nichts falsches zu sagen.

"Hör gut zu, mein Lieber. Ich bin weder auf Drogen, noch bin ich verrückt. Ich habe mich gestern aus Versehen verplappert, weil ich in Panik war. Ich weiß nicht, was mich dazu geritten hat, deine Wohnung zu betreten. Ich war einfach neugierig. Ich wollte wissen, wie du so lebst, weil ich dich für die nächsten Jahre beschützen muss. Mein Chef hat mich dir zugeteilt und ich muss meine Arbeit gut machen. Wenn dir etwas passiert und ich nicht anwesend bin, dann kann ich meine Zukunft in eine beschissene Tonne schmeißen! Ich werde dich den ganzen Tag begleiten, ob du willst, oder nicht!", fauchte er zurück und bohrte seinen Zeigefinger genauso wie ich bei ihm in meine Brust.

Ein unangenehmes Gefühl breitete sich auf der Stelle aus und ich musterte ihn wütend, während er sich die Haare raufte und vor sich hinfluchte. Was ein dummer Idiot...

"Kannst du deinen Chef nicht fragen, ob du einen anderen Schützling bekommst? Ich möchte dich offensichtlich nicht als mein... Wächter", fragte ich angepisst nach und spielte sein komisches Spiel mit, bevor er wirklich austickte und mich verletzte.

"Hast du mir gerade nicht zugehört? Das geht nicht. Weißt du, was für eine Blamage es wäre, wenn ich zu meinem Chef gehen würde? Alle anderen Wächter würden mich auslachen und er behält mich für immer auf Custos bis... Es geht einfach nicht", antwortete er gereizt und plapperte schon wieder zu viel, sodass er sich selbst stoppen musste.

"Es hört sich so dumm und lächerlich an, wenn du Wächter sagst. Im Ernst musstest du deine gestörte Realität auf mich projizieren? Dein Wächter-Geschwafel spielt nur in deinem Kopf", erwiderte ich und machte ihn scheinbar noch wütender.

Er hatte seine Hände zu Fäusten geballt und seine Halsschlagader stach deutlich heraus. Er war kurz davor komplett auszurasten, jedoch schloss er die Augen und atmete tief ein und aus. Das wiederholte er fünf Mal und auf einmal war er total entspannt. Ich runzelte die Stirn und ging einen Schritt zurück, als er seine Augen wieder öffnete und direkt in meine sah.

"Ich glaube, dass es besser wäre. Wenn ich im Hintergrund bleibe und nur im Notfall zu dir komme. Ich lasse mich von dir nicht so beleidigen", sagte er mit ruhiger Stimme, aber ich wusste, dass er total sauer auf mich war.

"Super, dann muss ich dich ja gar nicht mehr sehen", lächelte ich ihn gespielt an.

"Du wirst schon merken, dass ich viel mehr weiß und wahrnehme als du", meinte Jeongguk arrogant und lief anschließend die Treppen runter.

Dabei hob er seine Hand und winkte mir zum Abschied. Als ich ihn nicht mehr sehe, verstummen plötzlich seine Schritte. Automatisch lief ich ebenfalls die Treppen mit schnellen Schritten runter und blieb verwirrt im ersten Stock stehen. Ich war mir ziemlich sicher, dass er maximal fünf Stufen runtergegangen sein musste. Wie konnte er nun auf einmal weg sein? Moment... Gestern stand er auch plötzlich vor mir, als ich in den Flur rannte und die Polizei rufen wollte. Hatte er nicht auch erwähnt, dass er sowas wie ein Mensch wäre? Was zum Teufel war er dann, wenn er kein Mensch war? Ein Wächter? Dass ich nicht lache! Gestern hatte ich bloß Angst und bekam es nicht mit, wie er vor mich gerannt war und eben stieg er bestimmt in den offenen Fahrstuhl. Ja, das machte Sinn!

Guardian | JikookDonde viven las historias. Descúbrelo ahora