66| Letzte Lügen

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Silas erhob sich ebenfalls. „Du meintest du willst mich beschützten.", raunte er und ich richtete mich auf. „Aber dass kannst du nicht, wenn du ständig von mir wegrennst." Doch, genau das kann ich. „Du meintest, ich würde dich niemals wählen." Ich drehte mich zu ihm um und sah wie er ein paar Schritte auf mich zu kommen wollte, ich wich zurück. „Aber was denkst du, versuche ich die letzten Tage? Du bist kein beschissener Hoffnarr für mich, Teddy.", raunte er wütend und spielte damit auf die Worte der letzten Nacht an. Ich schluckte, ging ein paar weitere Schritte zurück. Er kam weiter auf mich zu.

„Hör zu, du bist noch nicht ganz fit. Wir können reden, wenn du wieder auf den Beinen bist.", meinte ich heißer. Die Sache war so viel größer, so viel verwirrender, als das ich jetzt noch klar denken konnte. Silas Schritte wurden unsanft aufgehalten, als sich ein Kabel spannte und die Nadel in seiner Armbeuge in an sein Bett fesselte. Wütend sah er auf die Nadel hinab und - Erschrocken schlug ich mir eine Hand vor den Mund. Blutstropfen färbten den Boden, während Silas einfach weiter ging.

„Damit du mich wieder ignorieren kannst? Damit du dir eine Neue Ausrede einfallen lässt um nicht zu deinen Gefühlen zu stehen?" Ich starrte immer noch auf seinen Arm, an dem nun ein paar Blutspuren hinab liefen. Er hat nicht mal mit der Wimper gezuckt! Erschrocken sah ich wieder zu ihm auf, versuchte mich darauf zu konzentrieren, was er gerade gesagt hatte. „Das sind keine Ausreden, ich-" Seine Finger legten sich um mein Kinn hielten meinen Blick bei ihm, als ich erneut auf seinen Arm sehen wollte. „Wäre es denn wirklich so schlimm? Wäre ich so schlimm?", fragte er und wenn ich ihn nicht so verdammt gut kennen würde, hätte ich die Unsicherheit in seiner Stimme sicherlich überhört. Gott ich wünsche, ich hätte sie überhört. „Ja.", log ich und er lächelte schwach. „Ja?", zog er meine offensichtliche Lüge auf.
„Du bist ein Wichser.", fuhr ich fort und ignorierte seine Berühung. Wie er seine Hand ganz an meine Wange legte. „Du bist arrogant und aufdringlich und-" Sein Daumen fuhr mir sachte über die Wange. Ich sollte seine Hand weg schlagen, sie einfach wegschieben.

Ich sah zu Silas auf. Sein Blick lag unausweilich auf mir. Er sah mich an und ich hörte auf zu Atmen. Ich kannte diesen Ausdruck. Da, das war er. Dieser Blick.

„Ich hasse dich.", flüsterte ich und sein Daumen hielt inne. Die Worte waren eine offensichtliche Lüge, aber es war meine letzter Versuch, mein letzter Angriff. Meine letzte Chance, das Richtige zu tun. Es hatte keinen Sinn mehr, seit letzter Nacht war mein Vorhaben bereits bekannt. Ich mochte ihn. Die Wahrheit war bereits draußen. Dennoch.... Das hier war meine letzte bestehende Mauer. Silas brachte sie zum Fall mit einem einzigen schiefen Grinsen. „Natürlich, tust du das."

Fuck.

Er ließ seine Hand sinken und trat zurück. Etwas in mir gefror. Warte... was? Ich hatte etwas anderes erwartet. Keinen Rückzug! Hatte er mir meine Lüge vielleicht doch geglaubt? War die letzte Kugel die tödliche? Dachte er, ich hasste ihn nun tatsächlich? All die Lügen, die er bereits erkannt hatte, all die Worte, deren eigentliche Bedeutung er ohne ein Wimperzucken ertarnte, aber diese brachten das Fass zum über laufen? Bin ich zu weit gegangen? Ohne das ich es verhindern konnte, war nun ich es, der einen Schritt auf ihn zu ging. Silas Augen weiteten sich kaum merklich.

„Wenn das stimmt, dann sag mir, dass du keine Gefühle für mich hast.", meinte er und sah mich abwartend an. Ein Schauer lief mir über den Rücken. „Ich will dich zu nichts zwingen, Teddy. Wenn du wirklich so fühlst, dann lass ich dich gehen. Ich verschwinde aus deinem Leben, wenn du das willst. Ich will nur dass du es mir klipp und klar sagst. Ich bin es leid Spielchen zu spielen. Also sag es..." Er atmete tief durch. „Sag mir, dass du nicht mit mir zusammen sein willst. Sprich es aus und du bist mich los. Für immer."

Ich öffnete den Mund. Für immer. Diese Worte waren wie ein Schuss in die Brust. Ich wollte es aussprechen. Ihn weiter von mir schubsen, bis ich ihn endgültig vergrault hatte. Er verdiente etwas besseres, weswegen ich ihm einfach, dass sagen sollte, was er hören will. Er bat mir die Chance. Er bat mir einen Ausweg. Ein paar letzte Lügen und es wäre vorbei.

Ich konnte die Worte nicht über meine Lippen bringen. Es war als würde mein Körper sich weigern, es auch nur zu auszusprechen. Ich sah ihm stumm zu ihm auf und merkte, wie er erleichtert ausatmete als ich nicht antwortete. Ich schwieg. Ich konnte ihn nicht anlügen, konnte ihn nicht loslassen. Ich war Feige.

„Ich wusste es." Im nächsten Moment spürte ich Silas Lippen auf meinen. Wie er mich an sich zog. Als hätte ich nur darauf gewartet, schmolz ich in seiner Berührung. Seine Hände krallten sich in meine Haare, zogen mich näher. Und in dem Moment, in dem er atemlos meinen Namen gegen meine Lippen flüsterte, wusste ich es.

Es gab nur einen Weg, wie das hier enden würde. Ich musste ihm die Wahrheit sagen, da ich es nicht mehr schaffte ihm zu entfliehen. Ich konnte nicht mehr rennen. Nicht, wenn ich wusste, dass er mich so ansah. Nicht, wenn ich wusste, wie es sich anfühlte, neben ihm aufzuwachen. Er löste sich atemlos von mir und lehnte seine Stirn gegen meine. „Hast du morgen schon was vor?", fragte er und brachte mich zum lächeln. „Du bist ein Idiot." Sein Daumen fuhr mir über die Unterlippe. „Ich bin dein Idiot."

Ich sackte gegen ihn, lehnte meinen Kopf gegen seine Brust. Ich hatte heute nicht geschafft, die Lügen über mich zu bringen. Aber es war nur eine Frage der Zeit bis ich ihm die Wahrheit sagen würde. Ich musste es tun, bevor... Silas ruhte sein Kinn auf meinem Kopf und ich atmete zittrig ein. Ich würde es tun.

Nur nicht Heute. Nicht Heute.

„Na sieh mal an! Man hört, du liegst im sterben, derweil siehst du lebendiger aus denn je!"

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