36| Ein Schlag ins Herz

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Call Me In The Afternoon
Half Moon Run

Elijah

Ich starrte auf meine Reflexion im Spiegel der Umkleidekabine. Silas Klamotten waren etwas zu groß und hingen schlabbrig an meinem Körper hinab. Aber das war nicht der Grund, warum ich meinen Blick nicht abwenden konnte. Der Herbst war aus gutem Grund mein Favorit. Es war die Jahreszeit, bei der es nicht fragwürdig war übergroße Pullover zu tragen. Es war nichts außergewöhnliches sich hinter Schichten von Stoff zu versteckten. Ich trug diese Pullover nicht um meine etwas schlaksige, dünne Gestalt zu verstecken. Nein, das war mir ziemlich egal.

Das Problem lag eher bei meinem rechten Unterarm. Ich wusste nicht, wie lange ich schon diese Kabine belagerte, mich selbst anstarrte wie ein abstruses, bizarres Gemälde. Wie Sy meinte, ich würde nicht in einem dicken Strickpullover Sport machen können, aber ... vielleicht konnte ich es ja versuchen? Vielleicht würde es ihm gar nicht auffallen? Ach shit...

Ich sah weg vom Spiegel, senkte den Kopf und fuhr mit meinen Fingern sachte über die verbrannte Haut. Die Brandnarbe zog sich über meine gesamten rechten Unterarm, bis knapp über meinen Ellbogen.  Ich spürte das Narbengewebe unter meinen Fingern, wie eine ständige Erinnerung. Silas wusste von meinem Unfall, er würde keine Fragen stellen, er würde nicht ... Ich verschränkte die Arme, versteckte den Arm hinter dem anderen. Wenn ich konstant so stehen würde, dann- ich stöhnte genervt auf und verließ die Kabine, bevor ich komplett verrückt wurde.

Es war egal. Niemand würde überhaupt nur in meine Richtung blicken. Ich ging zurück in die Haupthalle zu der Matte, an der immer noch Silas Sporttasche stand. Aber von dem Jungen war nichts zu sehen. Langsam glaubte ich, der Typ hatte ein Ding für spurlose Abgänge. Ein wenig panisch sah ich mich um. Mit Bestrafung meinte er doch nicht etwa, mich in meinem persönlichen Fegefeuer auszusetzen um mich dann hier zurückzulassen, oder?

Ich drehte mich im Kreis, auf der Suche nach einem bekannten Gesicht, als- „Suchst du jemanden Bestimmten?" Ich atmete erleichtert auf, als ich mich zu Silas Stimme umdrehte, die hinter mir erklang, und wollte gerade zu einer Schimpftirade ansetzen um - Silas stand mit nacktem Oberkörper auf der Matte, gerade dabei ein Shirt auf die richtige Seite zu drehen, bevor er es sich über den Kopf zog, mir dabei gerade noch einen knappen Blick auf die vereinzelten Tattoos erlaubte. „Es gibt hier Umkleiden, weißt du? Hab gerade eine von Innen gesehen.", zog ich ihn auf und er lachte leise vor sich hin.

Er sprang von der Matte runter und kam vor mir zum stehen, zupfte an meinem Shirt. „Bisschen groß, hm?" Ich schlug seine Hand weg. „Sorry, hatte nichts kleineres." Ja ja, du mich auch. Sein Blick fiel auf meinen Arm und ich hielt die Luft an. Würde er-? Seine Augen schnellten wieder zu meinem Gesicht, als hätte er die Narbe nicht mal gesehen. „Ich hoffe die Klamotten gehen trotzdem klar. Stehen dir jedenfalls." Ich schluckte, bevor ich knapp nickte. Er sprach es nicht an un ich atmete wieder auf.

Zufrieden lächelnd klatschte er in die Hände. „Sollen wir beginnen?" Lieber würde ich sterben. „Na dann los!"

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Silas war erbarmungslos. Er meinte wir würden uns zuerst aufwärmen, aber bereits danach war ich bereit meine Seele zu verkaufen, um diesem Horror zu entkommen. Und das war noch nicht mal das Ende! Der Tag zog ich ins endlose, während er mir richtige Haltungen und Schritte zeigte, wie Man sich deckte und so weiter und so fort... Irgendwann wollte ich nur noch schlafen, heulen oder essen. Am liebsten alles gleichzeitig.

„Der Fuß muss weiter vor, sonst verlierst du den Halt.", verbesserte er, während er um mich kreiste wie ein Hai um seine Beute. „Sonst sieht das schon Gut aus.", meinte er und ich ließ erschöpf meine Arme wieder fallen. Hieß das, ich konnte eine Pause zu machen? Ich hatte unzählige Manöver hinter mir und musst mich dringend setzten. Ich sah vielleicht aus, wie ein 18 Jähriger, aber innerlich war ich bereits ein seniler alter Mann. „Und jetzt", begann er und ich stöhnte erschöpft auf. Im nächsten Moment spürte ich seinen Körper in meinem Rücken. Sein Arm legte sich um meine Kehle, die andere hielt mich fest, nicht schmerzhaft, aber dennoch so, dass mein Herz erschrocken aussetze. Ich spürte seinen heißen Atem an meiner Wange. „Stoß mich weg.", flüsterte er und ich unterdrückte ein Erschaudern. Ich konnte ja noch nicht mal atmen und er erwartete, dass ich ihn einfach so wegschleudern konnte! In Theorie hatte es leicht geklungen. Ich spürte seine Muskeln an meinem Rücken, seine Arme, seine- „Du kannst das, Teddy." Fuck, ich konnte nicht denken, wenn er so nah war. Seine Wärme schien meine Gedanken zu vernebeln.

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