1 | bittersüß

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Nervös strich ich eine Haarsträhne hinter das Ohr, umgriff die vielen Stiele der Blumen und blickte auf die weiße Tür vor mir. Ich musterte die matten, grauen Zahlen auf dem Holz, welche ich mir bereits so schrecklich oft anschauen musste und mich bald verrückt werden ließ. Hinter mir nahm ich die leisen Schritte der Ärzte und Patienten wahr und lauschte ihren Stimmen, die wie ein leises Summen erklangen. Ich roch das süße Desinfektionsmittel und das Gummi der Handschuhe und eine bittere Note, die wahrscheinlich von den Abgasen außerhalb kamen.

Im Gang war es frisch, der Boden glänzte steril und sauber und auch wenn ich wusste, dass ich in das Zimmer gehen musste, konnte ich es irgendwie nicht. Es war so- so bedrückend hier zu sein, in diesem hässlichen Gebäude voller Hoffnung und Trauer und kranker Menschen. Kranke Menschen mit.. mit..

Tief atmete ich ein, spürte den Schweiß an meinen Händen und wie sich mein Hals zuschnürte. Ich nahm den Blumenstrauß in eine Hand, hob die andere zögernd an und klopfte leise an die Tür. Für einige Sekunden hielt ich inne, ehe ich meine Hand auf die Türklinke legte und sie runter drückte. Vorsichtig öffnete ich die Tür, bis sie komplett offen war und ich freie Sicht auf das Zimmer hinter ihr hatte.

Und da saß er. Meine kleine Blüte, mit der Nase in ein Buch gesteckt und mit dem Rücken zu mir gewandt. Meine Hände begannen zu kribbeln und die Aufregung stieg in mir. Die Aufregung, ihn wiederzusehen. Seine Stimme zu hören, in seine braunen Augen zu blicken. Meine Mundwinkel hoben sich sofort ganz leicht, während ich mich ihm näherte und schließlich um das Bett herum lief, woraufhin ich mich direkt vor ihn stellte.

Ich legte den Blumenstrauß neben ihn auf das Bett, nahm ihm das Buch sachte lächelnd aus seinen Händen und musterte den Umschlag. Er hatte dieses Buch schon so oft zu lesen angefangen. Ich muss ihm ein Neues kaufen.

Mit dem Lächeln auf den Lippen kniete ich mich vor ihn auf den Boden, griff nach seinen warmen Händen und hüllte sie mit meinen ein. Ich sah ihm in die Augen, in sein wunderschönes Gesicht und seine weichen Züge. "Heute scheint die Sonne so schön, nicht wahr?", flüsterte ich in seine Hände hinein und küsste sie, während sich seine Stirn langsam in Falten legte und seine Finger unter meinen Berührungen zuckten.

"Wer bist du?" Kurz entgleisten mir meine Gesichtszüge, aber ich schaffte es noch ein wackeliges Lächeln aufzusetzen und über seinen Handrücken zu streicheln. "Ich bin Yoongi, dein Freund.", lächelte ich und vergrub mein Gesicht in seine Hände, löste eine von meinen und legte sie an seine Wange. Ich konnte spüren, wie er sich meiner Berührung entgegen schmiegte und dies ließ mein Herz ganz schwer werden. Schwach hob ich meinen Blick, sah in seine Augen und musterte seine gespitzten Lippen. "Oh." Oh... ja, oh.

Meine Atmung war etwas zittrig und ich nahm nun auch meine andere Hand von seinen, legte sie an seine freie Wange und betrachtete sein Gesicht. "Darf ich- ich- darf ich dich-?", begann ich zu stammeln und zu stotternd und meine Wangen wurden plötzlich ganz heiß, so wie jeden Tag. Er sah mich an, mit seinen großen Augen und alles in mir wurde ganz warm und prickelig und- "Was?" Oh Gott.

Ich wollte meinen Kopf senken, ihn schütteln und sagen, dass es egal war, aber das war es mir nicht. Ich wollte ihn fragen, denn ich wusste, dass ich keine andere Wahl hatte. Ich würde ihm jeden Tag dieselbe Frage stellen, dieselben Blumen schenken und dieselben Gefühle für ihn empfinden. Immer und immer wieder.

"Ich- ich.. Ich möchte dich küssen. Darf ich?" Er hielt inne -so wie er es immer tat- und schien etwas erschrocken wegen dieser Frage. Aber ich wusste, dass er Ja sagen würde. Denn er empfand tief im Inneren genau dasselbe für mich, wie ich es für ihn tat. Ich wusste, dass sein Herz gerade zu stolpern anfing. Denn unter meinen Fingern begannen seine Wangen zu glühen und in seinen Augen leuchtete ein kleiner Stern auf, der ihn so lebendig erscheinen ließ. "Okay." Okay... Ich lächelte.

Vorsichtig zog ich ihn an seinen Wangen runter zu mir, drückte dann vorsichtig meine Lippen auf seine. Sie waren weich, warm, schmeckten nach dem Vanillepudding, den er heute zu Mittag gegessen hatte. Ich.. fühlte mich wie Zuhause. Geborgen und Sicher in der Nähe von ihm und als er dann noch den Druck erwiderte, ließ es mich verträumt Schmunzeln. Seine Küssen waren schüchtern und vorsichtig und trotzdem wusste ich, dass es ihm gefiel. Denn er war im Inneren noch meine kleine Blüte, die der größte Bestandteil meines Lebens war. Er lehnt nicht ab, weil ich ihn liebe. Weil wir uns lieben.

Ich zog meinen Kopf zurück, lauschte der verschnellerten Atmung von ihm und konnte mir ein verlegenes Grinsen nicht verkneifen. Sanft streichelte ich seine Wangen, küsste immer wieder kurz seine Lippen und spürte irgendwann sogar seine Finger, wie sie sich in meinen Haaren verirrten und sie vorsichtig kämmten. Oh, hatte ich ihn vermisst.. und dabei war mein letzter Besuch doch gestern erst gewesen. Und trotzdem schrie mein Herz immer laut und kläglich nach ihm. Nach seinen Berührungen, seinen Küssen. Die sanfte Art und die ruhige Stimme. Seine starken Hände, die doch sonst so seidig wirkten und seine warmen Augen, die mich voller Liebe ansahen.

"Yoongi, deine Haare sind ganz.. lang." Ich lachte leise, legte meine Arme um seine Hüfte und vergrub mein Gesicht in seinen Schoß. Oh Gott, er roch so gut. Er roch nach Heimat, nach den Rosen, die ich ihm jeden Tag schenke. Er roch einfach nach er selbst und ich liebte es. "Soll ich sie mir schneiden lassen?" Er schüttelte leicht seinen Kopf und spielte mit meinen Haaren. "Nein, ich mag sie so."

Ich seufzte leise, hob meinen Kopf an und sah zu ihm hoch. Er blickte zu mir runter, lächelte ganz vorsichtig und musterte mein Gesicht. "Jimin, ich... liebe dich.", flüsterte ich und sah, wie er inne hielt und zögernd mein langes Pony aus dem Gesicht strich. Er war wieder so unsicher und wusste nicht was er sagen sollte. "Du.. liebst mich? Aber wir kennen uns doch gar nicht." Es war so bitter. So schrecklich bitter, dass mir nach weinen zumute war. Ich.. Ich-

Mit schweren Bewegungen erhob ich mich wieder, während seine Finger aus meinen Haaren glitten und er seinen Kopf heben musste, um mich ansehen zu können. Seine Wangen verloren an Röte und trotzdem sah er so unfassbar schön aus. So zuckersüß und liebevoll. "Ich habe dir wieder Blumen mitgebracht.", flüsterte ich und griff nach dem Blumenstrauß neben ihn, lächelte und hielt sie ihm hin. "Gefallen sie dir?"

Er betrachtete die weißen Blütenblätter der Rosen, wie sie ihn gesund und prachtvoll anstrahlten und mit einem Nicken antwortete er. Seine Hände legten sich an meine, er strich sachte über meine Haut und nahm dann den Strauß entgegen. Ich sah dabei zu wie er an ihnen roch und die Blumen berührte. Er war so.. wunderschön. "Sind die anderen auch von dir?"

Ich drehte mich um, sah zur breiten Fensterbank und musterte alle Vasen auf ihr, aus der die weißen Rosen massenweise hervor stachen. Ich lächelte leicht, wandte mich ihm wieder zu und nickte. "Ja, alle sind von mir. Ich bringe dir jeden Tag einen neuen Strauß mit." Jimin drückte leicht die Rosen an sich, während ihm einige Haarsträhnen über die Stirn fielen. "Oh, wirklich? Ich habe dich aber noch nie gesehen und Rosen hattest du auch noch nie dabei." Es war so schrecklich bitter.




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𝐁𝐈𝐓𝐓𝐄𝐑𝐒𝐖𝐄𝐄𝐓Tahanan ng mga kuwento. Tumuklas ngayon