28 - Lars

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Immer noch verwirrt saß Lars in einem Konferenzraum mit Kevin, Marco, Claudia und Linda. Die ganze Situation war einfach verwirrend und fürchterlich. Sie machten sich natürlich alle riesige Sorgen um Annalena. Auch wenn Lars bemerkt hatte, dass es Linda besonders nah ging. Aber gut, Lars dachte sich einfach seinen Teil dazu und nahm es so hin. Seine Gedanken hingen eher bei der Situation mit Kevin. Er verstand nicht, warum er ihn am letzten Abend so angegangen war. Und warum er einfach nicht mit ihm sprach. Und ja, er war auch einfach sauer, weil es für ihn alles keinen Sinn ergab. Sonst war zwischen ihnen doch alles gut! Aber offenbar wollte Kevin das jetzt auch aussitzen. Zumindest hatten sie nicht ansatzweise miteinander gesprochen, obwohl Lars sich darum bemüht hatte.

Vor einigen Minuten waren dann Claudia und Linda zu ihnen in den Raum gekommen, weshalb wusste Lars nicht. Aber so war es zumindest etwas weniger unangenehm. Alleine mit Marco und Kevin war es komisch. Vor allem, nachdem sich die beiden ja augenscheinlich mittlerweile gut verstehen. Sie hatten sich einfach angeschwiegen und sonderlich anders war es immer noch nicht. Obwohl sie nicht mehr zu dritt in dem Raum saßen. Vielleicht war es auch einfach der Situation geschuldet. Es nahm sie doch alle irgendwie mit. Jeder von ihnen hätte da draußen sein können. Allein der Gedanke brachte Lars zum Schaudern.

"Redet ihr jetzt alle nicht mehr oder was ist los? Das muss ja auch nicht sein, trotz der Situation.", brachte irgendwann Claudia hervor. Irgendwie war es absehbar, dass sie die Stimmung wieder etwas auflockern wollen würde. Aber was sollten sie schon sagen?

"Da hast du Recht. Anschweigen müssen wir uns trotzdem nicht. Claudia, was hältst du davon, wenn wir mal schauen, ob wir was zu essen finden?"

Kevin wollte schon protestieren, da waren Claudia, die Linda mit sich zog und Marco schon aufgestanden und mit einem Bein aus der Tür. Verwirrt stand Lars auch auf, was allerdings nicht viel brachte.

"Redet jetzt endlich miteinander. Wenn wir in einer Stunde wieder kommen, dann habt ihr hoffentlich alles geklärt!", rief Claudia noch in den Raum, bevor dieser von außen abgeschlossen wurde.

"Ist das euer Ernst? Ihr schließt uns ein?", rief Lars noch aufgebracht hinterher und stellte fest, dass die Tür tatsächlich zu war. Unfassbar! Sie waren doch keine Teenager mehr, die man zum Reden zwingen muss. Und dann hatten Claudia und Marco offenbar auch noch gemeinsame Sache gemacht. Was sollte das denn?
Lars rüttelte noch ein paar Mal an der Tür und resignierte dann. Es half nichts. Jetzt waren Kevin und er alleine. Und Kevin saß einfach nur gelangweilt da. So sah es zumindest aus. Es schien nicht so, dass er reden wollen würde. Aber Lars wollte das so nicht weiter mitmachen. Mit einem Seufzen ließ er sich wieder auf einen Stuhl fallen.

"Okay, dann bleibt uns wohl nichts anderes übrig, als die Stunde hier zu bleiben. Vielleicht sollten wir tatsächlich nochmal reden."

"Hmm", kam nur von Kevin, was Lars allerdings nicht davon abhielt. Er wusste ja, dass Kevin stur war.

"Es tut mir Leid, dass ich Gestern direkt so eingeschnappt war. Du hast natürlich jedes Recht mit Marco zu reden, und du musst dich auch nicht mir anvertrauen. Natürlich nicht. Und ich weiß, das sollte ich auch akzeptieren. Aber es war einfach ein komisches Gefühl. Insbesondere deshalb, weil Marco und du ja eigentlich nicht so wirklich was miteinander zu tun hattet. Ich hatte einfach das Gefühl, dass ich etwas falsch gemacht habe. Also es tut mir Leid."

Endlich schaute Kevin wieder zu ihm auf. Und Lars sah, dass Kevin ziemlich mit sich kämpfte. Warum denn das? War es nicht gut, dass er auf ihn zugegangen war? Er wurde aus der ganzen Situation einfach nicht schlau. Vielleicht fehlte es ihm auch einfach an Menschenkenntnis. Wer weiß. Er wusste es auf jeden Fall nicht.

"Mir tut es auch Leid. Das war nicht fair von mir. Lass uns das einfach vergessen. Aber unabhängig davon brauche ich einfach momentan ein bisschen Zeit für mich und Freiraum. Also sei mir nicht böse, wenn ich ab und zu so abweisend bin."

Lars nickte erleichtert und war froh, dass sie das doch so schnell klären konnten. Wobei es ihn doch beunruhigte, was Kevin sagte. Es hörte sich nicht so an, als ob alles gut wäre. Aber es lag jetzt nicht an ihm, Kevin wieder damit zu konfrontieren. Das war am letzten Abend auch nicht gut geendet. Aber Lars merkte, dass Kevin nervös hin und her schaute. So, als ob er noch etwas sagen möchte. Aber es kam nichts. Deshalb nahm Lars einfach sein Handy und las die neuesten Nachrichten. Auch der Stromausfall hatte es mittlerweile in die regionalen Zeitungen geschafft.

"Ich muss hier raus.", murmelte Kevin irgendwann, aber so laut, dass Lars es hören konnte. Das war wahrscheinlich nicht der Plan.

"Was ist los? Ist alles in Ordnung?", fragte Lars dann besorgt. Die Stunde war noch lange nicht vorbei und offenbar wollte Kevin wirklich aus dem Raum. Er war mittlerweile aufgestanden und lief von einer Seite des Raums zur anderen.

"Nein. Ich halte es einfach nicht aus, die ganze Zeit dir hier so gegenüber zu sitzen. Und dieses Schweigen. Ich weiß, ich bin selber Schuld. Ich bin einfach an allem selber Schuld. Warum muss ich auch so unfassbar dumm sein?", rief Kevin beinahe durch den Raum, was Lars zum Erschrecken brachte. Was war denn jetzt los? Lars verstand gar nichts mehr. Was hatte sein Genosse denn nur?

"Ich verstehe nicht, Kevin. Meintest du nicht gerade eben noch, dass wir das einfach vergessen sollen?", bohrte er jetzt nach.

"Ja, aber ich kann das alles nicht so einfach vergessen! Es ist alles so viel mehr als das, was du denkst. Mir fällt das hier doch nicht grundlos so schwer. Aber ich kann es einfach nicht sagen. Du wirst mich hassen. Wir werden nicht mehr miteinander arbeiten können. Du willst wahrscheinlich nie mehr etwas mit mir zu tun haben. Das wollte ich uns ersparen! Aber ich halte es einfach nicht mehr aus."

Kevin redete sich immer mehr in Rage und Lars wurde immer verwirrter. Was meinte Kevin denn nur? Warum sollte er ihn denn bitte hassen? Was sollte so schwerwiegend sein, dass es Hass auslösen könnte?

"Was redest du denn da? Warum sollte ich dich bitte hassen? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es auch nur ansatzweise einen Grund gibt, dass so etwas passiert. Man Kevin, rede endlich mit mir. Jetzt hilft es eh nichts mehr. Und egal was es ist, wir werden schon so professionell sein, dass wir nach wie vor zusammenarbeiten können."

Mit einem Mal wurde Kevin wieder ruhig und ließ sich zurück auf seinen Stuhl fallen. Es schien so, als ob er mit einem Mal nicht mehr aufgebracht, sondern viel mehr niedergeschlagen war. Er verbarg sein Gesicht hinter seinen Händen und Lars sah, wie ihn ein Zittern durchfuhr. Auf was musste er sich jetzt gefasst machen?

"Ich habe es versucht monatelang zu verdrängen. Ich habe wirklich alles versucht. Das kannst du mir wirklich glauben. Und ich hasse mich selber dafür. Aber man Lars, ich empfinde schon lange nicht mehr nur  Freundschaft für dich. Ich weiß nicht, wie das passieren konnte. Und ich weiß, dass es falsch ist. Aber ich kann nichts dagegen tun."

So langsam dämmerte es Lars. Kevin hatte Gefühle für ihn?! Wie bitte? Hatte er das richtig verstanden? Versteinert schaute Lars zu Kevin, der bloß von ihm weg schaute. Damit hatte Lars nicht gerechnet. Und er wusste nicht, wie er damit umgehen sollte. Was er jetzt sagen sollte. Es wollte einfach nicht in seinen Kopf gehen. Aber es war eine Erklärung, wieso Kevin sich so komisch verhalten hatte. Aber er konnte es nicht verstehen. Und er wusste wirklich nicht, was er zu Kevin sagen sollte. Aber irgendwas musste er sagen. Dafür war noch zu viel Zeit übrig, bis die anderen wieder kommen würden.

"Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Aber natürlich hasse ich dich nicht. Und wir werden das schon irgendwie hinbekommen. Aber ich glaube, jetzt brauche ich erstmal etwas Zeit, um das zu verstehen. Es tut mir Leid."

Kevin nickte einfach und war wohl mindestens genauso froh wie Lars, als die Tür aufgeschlossen wurde. Lars war der erste, der aus dem Raum stürzte. Was war das nur für eine verrückte Reise? Für eine verrückte Welt.

Der Stromausfall zwingt sie wohl alle zu mehr oder weniger angenehmen Gesprächen und Claudia und Marco haben auch so ihren Anteil. Jetzt ist es zumindest raus.
Was denkt ihr, wie Lars wohl damit umgehen wird?

Ich danke euch wie immer fürs Lesen und bis zum nächsten Kapitel!

Fahrt ins UngewisseWhere stories live. Discover now