22 - Lars

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Irritiert schaute Lars zu Marco und Kevin, die sich augenscheinlich gut verstanden. Wann war das denn passiert? Und wieso liefen sie beiden jetzt zusammen in ihr Haus, ohne dass Kevin ihm selbst jegliche Beachtung schenkte? Es verwunderte ihn doch wirklich. Immerhin konnten Kevin und Marco bis zum heutigen Morgen nichtmal konstruktiv miteinander sprechen. Und plötzlich war es ganz anders. Aber gleichzeitig war Lars froh, dass es Kevin offenbar wieder besser ging. Vielleicht hatten sich seine Mühen ja etwas gelohnt. Auch wenn er in den letzten Stunden kaum mit Kevin gesprochen hatte. Schon wieder so eine komische Sache. Ging sein Genosse ihm aus dem Weg? Aber warum sollte er? Lars schüttelte den Gedanken ab und machte sich dann auch auf den Weg in sein Haus. Claudia würde wohl erst später kommen. Sie wollte noch irgendetwas mit Bärbel und Marie-Agnes machen. Was auch immer das heißen sollte. Aber Lars war es auch ganz Recht, wenn er mal einen Moment alleine war. Das war in den letzten Stunden wirklich zu kurz gekommen.

Frustriert, er wusste selber nicht wieso, ließ er sich auf das Sofa fallen. Hatte er etwas falsch gemacht? Oder warum war plötzlich alles so komisch? Er verstand es nicht so wirklich. Er hatte doch wirklich alles getan, damit es Kevin besser ging und jetzt wurde er ignoriert. Eigentlich fand er das nicht in Ordnung. So geht man doch wirklich nicht mit Freunden um, oder? Es war zumindest nicht Lars Vorstellung. Um sich ein wenig abzulenken, warf er einen Blick auf das Tagesprogramm für den kommenden Tag. Claudia müsste eine Aktivität durchführen, stellte er dabei fest. Ansonsten würden sie am Vormittag alle zusammen die tagesaktuelle Situation diskutieren. Es wurde also endlich mal wieder etwas politisch. Wurde so langsam aber auch mal Zeit, fand Lars. Deshalb waren sie ja immerhin hier.

Trotzdem gingen ihm diese Gedanken nicht aus dem Kopf. Was hatte er bloß falsch gemacht? Normalerweise würde er jetzt Laufen gehen, um wieder einen halbwegs klaren Kopf zu bekommen. Oder einfach Sport machen. Aber dafür war es zu spät und draußen war es schon dunkel. Aber vielleicht könnte ja ein Spaziergang an den Strand nicht schaden. Es war zwar nicht wirklich das, was er wollte, aber doch besser als nichts. Also machte sich der Sozialdemokrat auf den Weg nach draußen und atmete tief durch, als er die schneidende Kälte in seinem Körper fühlte. Und es tat gut. Manchmal brauchte er einfach einen Moment völliger Gedankenlosigkeit, um anschließend wieder denken zu können. Einen Neustart. Und er stellte fest, dass es definitiv schlechteres gab, als das Meer bei Dunkelheit zu beobachten. Es hatte etwas Ungreifbares. So, als ob da draußen deutlich mehr ist, als man sich nur vorstellen kann. Und er merkte, dass seine Gedanken vielleicht einfach nur eine Grenze hatten. Dass es möglicherweise ganz andere Gründe für Kevins Verhalten gab, als diejenigen, die er sich ausgemalt hatte. Vielleicht sollte er einfach nicht so viel interpretieren. Dann wären seine Gedanken auch erträglicher.

Als er ein Geräusch hörte, erschrak Lars allerdings. Erst dachte er, dass es eine Möwe wäre. Oder sonst irgendein Tier. Aber je genauer er darauf achtete, umso mehr hörte es sich an wie Lachen. Wer war denn jetzt noch hier draußen? Abgesehen von ihm. Und die Stimmen kamen deutlich näher. Es mussten auf jeden Fall zwei Personen sein. Lars hoffte einfach, dass die Personen zu ihrer Gruppe gehörten und er jetzt nicht noch mit fremden Menschen interagieren müsste. Wobei, er könnte auch einfach aufstehen und gehen. Aber jetzt interessierte es ihn doch, wer da kam.

Und tatsächlich, die Stimmen kamen ihm bekannt vor, je näher sie kamen. Sehr bekannt sogar.

"Ja, das würde ich auch sagen. Wahrscheinlich ist es so am besten. Verdammt... Lars! Was machst du denn hier? Gott, habe ich mich erschreckt."

Genauso schockiert, aber in erster Linie irritiert, schaute Lars in die verwirrten Gesichter von Kevin und Marco. Und er verstand gar nichts mehr. Was war denn hier los? Was sollte das alles denn?

"Das könnte ich euch auch fragen, was ihr hier noch macht. Aber vielleicht gehe ich lieber und lasse euch alleine. So langsam wird es sowieso kalt."

Lars wusste nicht, was er davon halten sollte. Schon wieder Marco und Kevin. Und sie schienen sich bestens zu amüsieren. Sei ihnen gegönnt. Aber verstehen konnte Lars es nicht. Vor wenigen Stunden hätte Kevin noch jede Minute verflucht, die er alleine mit Marco hätte verbringen müssen.

"Nein, warte. Ich wollte Kevin nur nicht alleine gehen lassen, deshalb bin ich mitgekommen. Aber wenn du jetzt hier bist, kann ich auch wieder gehen. Den Weg zurück werdet ihr ja bestimmt finden."

Lars nickte nur und war noch verwirrter. Aber da war Marco auch schon verschwunden und Kevin setze sich neben ihn. Und schien irgendwie verunsichert zu sein. Lars konnte es einfach nicht verstehen.

"Ich wollte heute nur nochmal raus kommen, deshalb habe ich Marco gefragt. Und dich wollte ich nicht schon wieder nerven. Ich glaube, ich hab dir seit Gestern genug Arbeit gemacht."

"Man du weißt doch, dass ich das gerne getan habe. Und genervt hast du sowieso nicht. Du nervst mich doch nicht. Nur damals, als du die GroKo verhindern wolltest, da hat es genervt. Aber doch jetzt nicht!", entgegnete Lars ziemlich entrüstet. Was dachte Kevin denn nur? Gab er ihm so ein schlechtes Gefühl? Verstand man das unter Freundschaft?

"Danke nochmal. Dass du das alles gemacht hast. Das war nicht selbstverständlich.", gab Kevin leise von sich. Und Lars fragte sich schon wieder, was Kevin denn für ein Bild von Freundschaft hatte? Dass man sich etwa nicht hilft, wenn man krank ist? Das war ja wohl das Mindeste.

"Doch. So unterstützt man sich doch, wenn man befreundet ist, oder nicht? Aber klar, ich hab das gerne gemacht."

Offenbar hatte Lars schon wieder etwas falsches gesagt. So kam es ihm zumindest vor. Kevin schwieg ihn an und machte auch keine Anstalten, noch etwas von sich zu geben. So war er doch sonst nicht.

"Und Marco und du, ihr versteht euch jetzt? Oder was ist da passiert?"

"Ja, wir haben festgestellt, dass es nichts bringt, wenn wir uns weiter ignorieren. Und eigentlich ist er ja ganz sympathisch. Und ich brauchte heute Nachmittag einfach mal jemanden, mit dem ich reden konnte. Und Marco war da. Ich habe ihm wohl immer etwas Unrecht getan."

Jetzt war es Lars, der schlucken musste. Er hatte jemand gebraucht, mit dem er reden konnte. Irgendwas war also los mit Kevin. Aber er hatte keine Ahnung, was es war. Und warum er nicht einfach mit ihm sprach. Immerhin kannten sie sich doch so gut und verstanden sich mittlerweile beinahe blind. Nur jetzt war es anders. Irgendwas musste passiert sein. Irgendetwas, was diese Vertrautheit gestört haben musste.

"Was habe ich falsch gemacht, Kevin? Warum redest du nicht mit mir? Offenbar ist doch irgendetwas passiert. Und normalerweise würdest du es mir erzählen. Genauso wie ich dir erzähle, wenn ich irgendwelche Probleme habe oder mich etwas bedrückt. Also, was habe ich falsch gemacht, dass es nicht mehr so ist?"

Kevin schaute schockiert zu ihm. So würde es Lars zumindest interpretieren. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass es Lars so deutlich formuliert. Oder dass er es überhaupt so sehr merkt, dass etwas anders war. Aber offenbar hatte sich Kevin da verspekuliert. Lars war ja auch nicht blöd.

"Du hast gar nichts falsch gemacht. Es ist alles in Ordnung. Ich habe nur einfach mal jemanden gebraucht, der mich nicht so gut kennt. Der nicht genau weiß, wie ich mich verhalte in bestimmten Situationen. Es liegt nicht an dir. Aber über manche Dinge kann ich auch einfach nicht reden. Zumindest nicht jetzt und nicht hier. Und das solltest du auch respektieren."

"Natürlich. Aber ich akzeptiere es nicht, wenn du aus welchen Gründen auch immer, anfängst mich zu ignorieren. So wie du es eigentlich seit heute Mittag tust. Das verstehe ich einfach nicht. Ich hab mir wirklich Mühe gegeben, damit es dir wieder besser geht, und dann sowas."

"Ach, eben meintest du noch, es war selbstverständlich. Jetzt knüpfst du irgendwelche Bedingungen daran? Und abgesehen davon ist es ja wohl absolut in Ordnung, wenn wir mal ein paar Stunden nicht durchgehend miteinander zu tun haben. Vielleicht ist das auch mal besser so."

Was war denn jetzt in Kevin gefahren? Lars verstand gar nichts mehr. Und er wollte es sich auch nicht länger anhören. Deshalb stand er auf und war schon im Begriff zu gehen.

"Vielleicht wäre es besser, wenn wir wieder zurückgehen. Nicht, dass du nachher noch zu viel mit mir geredet hast. Das wollen wir ja auch nicht riskieren."



Lars merkt, dass bei Kevin etwas nicht stimmt. Aber was aus den beiden wohl wird? Ob da wohl bei Lars doch mehr als nur Freundschaft hinter steckt?

Ich danke euch fürs Lesen, eure ganzen Kommentare und bis zum nächsten Kapitel!

Fahrt ins UngewisseWhere stories live. Discover now