Das Windfest

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Natalia steht im Schlafzimmer vor einem Spiegel und betrachtet sich. Sie hat ein schlichtes, aber sehr hübsches Kleid in altrosa angezogen. Hannah flechtet ihre sonst so langweiligen Haare zu einem aufwendigen Zopf und bindet ihr eine rosarote Schleife in das untere Ende. „Du siehst wirklich bezaubernd aus, Natalia. Ich gehe jede Wette ein, dass du dem Silberlöckchen komplett den Kopf verdrehst." Sie lächelt einmal unsicher und betrachtet die Flechtfrisur, die man ihr verpasst hat. „Steht mir so etwas denn auch? Ich schäme mich ein wenig", sagt sie schüchtern. Für diese unnötige Aussage, will Hannah ihr am liebsten eine Kopfnuss verpassen. „Du bist wirklich eine altmodische Frau." Nun nimmt die hübsche Blondine ihre Halskette ab und legt sie dafür Natalia an. „Ich werde dir meine Kette ausleihen. Sie steht dir wirklich gut und passt hervorragend zu deinen Ohrringen." Die kleinen Wunden sind noch schwach gerötet und verheilen sehr gut. „Xander ist wirklich ein guter Junge. Es ist ziemlich bemerkenswert, dass ein Kind sein Taschengeld lieber für seine Mutter, als für sich selbst ausgibt. Du hast ihn wirklich gut erzogen, Natalia." Erfreut über das Lob ihrer besten Freundin, schlüpft sie noch schnell in ihre Schuhe und kommt dann langsam die Treppe herunter. Estarossa pfeift einmal scharf durch die Zähne, als er die Farmerin erblickt. Selbst der Dämon hat sich für diesen besonderen Anlass in Schale geworfen. Er trägt eine dunkelblaue Hose mit schwarzen Halbstiefeln und einem silbergrauen Hemd, dass seine ohnehin breiten Schultern noch breiter wirken lassen. „Hallo, schöne Frau. Hast du etwa vor, mit mir auszugehen?" Sie lächelt und errötet ein wenig auf seine schelmische Bemerkung. „Zumindest ist das der Plan", antwortet sie. Natalia stellt sich auf die Zehenspitzen und richtet seinen Hemdkragen einmal. „Da scheint es aber Jemand sehr genau zu nehmen", flötet Estarossa fröhlich.

Nun räuspert sich Hannah einmal. „Ich habe dir genau aufgeschrieben, wo deine Hände bei ihr nichts zu suchen haben, Silberlöckchen. Verstanden?" Normal würde Estarossa absichtlich auf ihre Provokation eingehen, doch diesmal entscheidet er sich dazu, sie gekonnt zu ignorieren. Stattdessen nimmt er Natalia an die Hand und begleitet sie schon einmal nach draußen. „Ich komme gleich nach. Ich gehe nur noch schnell deine Jacke holen." Man sieht der Farmerin an, dass sie aufgeregt ist. Es ist beinahe zwanzig Jahre her, dass sie zuletzt auf einem Fest war. An Estarossa hängen seine Kinder und schauen ihn mit einem trotzigen Schmollmund an. Allerdings wagt es weder der eine, noch die andere ihm zu widersprechen. „Ich erwarte, dass ihr beide brav seid. Sonst bekommt ihr statt einer Belohnung ein paar Kopfnüsse, verstanden?" Er gibt den beiden noch einen Kuss und geht dann die Jacke von Natalia aus dem Schlafzimmer holen. Bevor er sich wieder auf den Weg nach unten macht, kontrolliert er nochmal, ob er auch alles eingesteckt hat. Auf einmal kommt Johann um die Ecke, der ihn mit einem gewissen Gesichtsausdruck ansieht. „Pass auf meine Kleine auf, mein Junge." Estarossa nickt und greift ein letztes mal in seine Hosentasche und überprüft, ob er auch wirklich alles dabei hat. „Keine Sorge, alter Mann. Ich bringe sie dir in einem Stück wieder nach Hause. Und ich habe gewiss nicht vor, dass ich sie teilen muss." In dieser Hinsicht ist der Dämon ein absoluter Egoist. „Ich bin dann mal weg, Alter. Und komm ja nicht auf die Idee, in den nächsten Tagen einen Herzinfarkt zu bekommen und dabei ins Gras zu beißen." Nun ist es Johann, der schrill auflachen muss. „Keine Sorge, mein Junge. Diesen Gefallen werde ich dir ganz bestimmt nicht machen."

Zufrieden über das kurze Gespräch, kehrt Estarossa nun zu Natalia zurück. „Wir gehen dann mal. Keine Ahnung, ob wir zwei oder drei Tage weg sind. Und wehe ihr kommt auf die Idee, ohne mich eine Party zu schmeißen. Dann reiße ich euch allen die Köpfe ab." Natalia lacht einmal entschuldigend und winkt allen nochmal zum Abschied. Dann legt sie Estarossa ihre Arme um den Hals und lässt sich von ihm auf den Arm nehmen. Doch sie kann es einfach nicht lassen, ein allerletztes mal nachzufragen. „Und für euch ist das wirklich in Ordnung?" Da verdreht Hannah die Augen. „Hau endlich ab, Silberlöckchen. Sonst überlegt sie es sich doch noch anders." Er drückt die Farmerin schützend an sich. „Ausnahmsweise sind wir mal einer Meinung, Goldfasan." Ohne ein weiteres Wort zu verschwenden, spannt er seine Flügel auf und verschwindet am Horizont. Natalia schließt die Augen und genießt die frische Luft. Dabei versucht sie nicht an ihre Höhenangst zu denken. „Alles in Ordnung bei dir?" Sie nickt und schmiegt sich zart an ihn. „Mir geht es gut. Ich bin nur ein bisschen aufgeregt." Das kann Estarossa sogar verstehen. Er kann sich nicht einmal daran erinnern, wann er zuletzt auf einem Fest gewesen ist. Daher freut sich auch der Dämon auf diesen Abend. Es ist ein sehr angenehmer Flug und sie erreichen Kusa am frühen Abend. Estarossa landet mit einem großzügigen Abstand vor der Stadt und versteckt all seine dämonischen Merkmale, ehe sich Natalia bei ihm einharkt und mit klopfenden Herzen den großen Torbogen passiert. Dahinter wartet ein Veranstaltungshelfer, der die Tickets entgegen nimmt und dafür hübsche Armbänder verteilt. Die vielen verschiedenen Eindrücke kommen Natalia wie ein buntes Bilderbuch vor. Sie ist absolut überwältigt von den Farben, der Musik und dem süßlichen Duft von gebrannten Nüssen.

Die sonst so gewöhnliche Stadt erstrahlt für ein ganzes Wochenende in einem märchenhaften Glanz. Obwohl die Farmerin mehr das ruhige Landleben bevorzugt, genießt sie es in vollen Zügen. Sie hat sich noch nie so lebendig gefühlt wie an diesem Abend. „Es gibt so viel zu entdecken. Ich weiß gar nicht, wo wir als erstes hingehen sollen", sagt sie ein wenig überfordert. Doch zwei knurrende Mägen scheinen ihr diese Entscheidung sogleich abzunehmen. Die beiden tauschen einen Blick miteinander und fangen an zu lachen. „Manchmal ist es wirklich von Vorteil, wenn ein anderer für dich entscheidet", sagt sie sanft. Also gehen sie sich erstmal einen wirklich großen Fleischteller holen, den sie sich auf einer Bank teilen. „Macht es dir denn gar nichts aus gebratenes Fleisch zu essen?" Estarossa schüttelt den Kopf. „Überhaupt nicht. Fleisch ist Fleisch. Und ich kann es dich ja schlecht roh essen lassen." Genau deswegen liebt sie ihn so sehr. Er hat sich von einem egoistischen Monster zu einem besitzergreifenden, aber guten Mann entwickelt. Natalia pickt das letzte Stück an Fleisch auf ihre Gabel und hält es ihm hin. Doch er besteht darauf, dass sie es isst. Schließlich teilen sie es sich am Ende auch noch und bringen den nun leeren Teller zurück. „Ich schlage vor, dass wir uns zuerst eine Unterkunft suchen und dann das Fest hier ordentlich aufmischen." Sie stimmt ihm direkt zu und machen sich auf die Suche nach einem Zimmer. Sie haben Glück und bekommen trotz der vielen Menschen noch eine schöne Unterkunft, die nicht komplett heruntergekommen ist.

„In Ordnung, dann wollen wir doch mal sehen, was dieses Fest zu bieten hat." Ein großer Teil besteht aus verschiedenen Essmöglichkeiten, kleinen Snacks und Süßwaren. Die vielen unterschiedlichen Gerüche überfordern Estarossas Nase, sodass er nichts genaues isolieren kann. Doch das stört ihn absolut nicht. Er hat ohnehin vor, alles anzuschauen. Ein paar Leute bieten auch Glücks oder Geschicklichkeitsspiele an, wo man nette Preise gewinnen kann. Plötzlich bleibt Estarossa stehen und schaut sich eine Theke an, auf der ein Turm von Dosen aufgestapelt ist. „Schon seltsam, mit was sich die Menschen heutzutage unterhalten lassen." Natalia lacht einmal daraufhin. „Mit was hast du dich denn damals beschäftigt?" Estarossa grinst. „Das willst du gar nicht wissen." Obwohl das in seinen Augen ziemlich herabwürdigend ist, versucht er sein Glück einmal. Er legt dem Betreiber das passende Kleingeld hin und nimmt das Wurfgeschoss zur Hand. Ein paar mal wirft der Dämon den Ball in die Luft und fängt ihn wieder auf, während er den Dosenturm studiert und den exakten Winkel bestimmt. Mit einer flüssigen Bewegung holt er aus und donnert den Ball mit voller Wucht an eine bestimmte Stelle, sodass der komplette Turm in sich zusammenbricht und die Dosen laut scheppernd zu Boden fallen. Während die Farmerin einen total überraschten Gesichtsausdruck macht, schaut der Betreiber richtig dumm aus der Wäsche. Denn er hat ganz sicher nicht damit gerechnet, dass Estarossa einen Volltreffer landet und somit freie Auswahl hat. Bei diesen unfairen Spielen, verlieren viele Menschen oft ihr Geld und gehen mit leeren Händen traurig nach Hause. Doch da haben sie nicht die Rechnung mit Estarossa gemacht. Der Dämon ist nämlich sehr treffsicher. Nachdem er vorher ein paar andere Leute bei dem Versuch die Dosen zum fallen zu bringen beobachtet hat, zahlt er es dem perplexen Mann mit gleicher Miene heim, indem er ihm das größte Plüschtier im Aushang abnimmt. Natalia schnauft einmal belustigt. „Ich wusste gar nicht, dass du Einhörner magst", neckt sie ihn. „Tu ich auch nicht. Unsere kleine Prinzessin hingegen schon." Nun legt Estarossa seinen Unterarm auf den Tresen und schaut den Betreiber durchdringend an. „Rückst du den großen Plüschhund da hinten freiwillig raus, oder muss ich es nochmal machen?"
Noch immer eingeschüchtert von diesem heftigen Gegenschlag, behauptet der Mann dreist, dass das nur ein Glückstreffer gewesen ist. Also legt Estarossa ihm eine weitere Münze hin, um den Dosenturm ein zweites mal perfekt einzuhauen. Da will sich der Mann am liebsten selbst in den Hintern beißen. Er unterdrückt einen aufkommenden Fluch und händigt ihm widerstandslos den großen Plüschhund aus.

Nun bringt er zusammen mit Natalia seine Beute erstmal in das gemietete Zimmer, um dann mit freien Händen erneut auf die Jagd zu gehen. „Für unsere zwei Rotznasen habe ich also schon etwas. Und jetzt bekommst du noch etwas, Natalia." Sie schaut ihn überrascht an. „Ich frage mich eher, wie du das mit den Dosen gemacht hast. Du hast doch sicher geschummelt." Da fängt er an zu lachen. „Ich bin ein Dämon, was erwartest du? Meine scharfen Sinne sind sehr stark ausgeprägt. So ein lächerlicher Haufen an alter Dosen stellt für mich überhaupt kein Problem dar." Seine hellen, blauen Augen schimmern im Licht des seichten Mondlichts. „...Sie sind wirklich schön, wenn du deine Merkmale ablegst", sagt sie und lächelt sanft. Estarossa schmunzelt einmal darauf und betrachtet sie für einen längeren Moment. „Soll ich nochmal zu dem Dosenmann und ihm all seine Preise für dich abnehmen?" Da lacht Natalia einmal herzlich auf. „Estarossa, sei nicht so gemein zu dem armen Mann." Darauf muss der Dämon einmal breit grinsen. „Obwohl er es nicht anders verdient hat." In unmittelbarer Nähe ertönen auf einmal sanfte Klänge von verschiedenen Musikinstrumenten. Schon nach wenigen Minuten sammeln sich die ersten Paare und beginnen miteinander zu tanzen. Und auch Estarossa erkennt, dass dieser Moment einfach perfekt dafür ist. Er streckt ihr seinen rechten Arm entgegen, macht eine kleine Verbeugung und fordert sie wortlos zum Tanz auf. Natalia zögert für einen kurzen Moment, doch dann legt sie ihre Hand in seine und nimmt sein Angebot an. Beide gehen in Tanzstellung, was für einige Zuschauer ein wenig befremdlich aussehen muss. Immerhin ist er so riesig und sie so winzig. Ein halber Meter trennt die beiden Gesichter voneinander. Dennoch hat Natalia den Vorteil, sich sacht an seine Brust zu schmiegen und beim tanzen seinem Herzschlag zu lauschen. Dabei fällt ihr auf, dass es mehr als einen zu geben scheint. „...Was...ist das denn...?"

Sie sieht zu ihm auf und blickt in sein grinsendes Gesicht. „Wusstest du das etwa nicht? Ich habe mehr als ein Herz. Sieben um genau zu sein." Natalia sieht ihn mit einem Blick an, als ob er etwas lustiges gesagt hat, doch Estarossa hat diese Aussage völlig ernst gemeint. „Das musst du mir später genauer erklären", sagt sie und konzentriert sich weiterhin darauf seinen Schritten zu folgen. Dennoch fragt sie sich gerade, warum ihr das all die Jahre nicht aufgefallen ist. Auf einmal ändert sich der Rhythmus der Musik und es geht ein bisschen flotter zu. Der Dämon ist von ihren unscheinbaren Tanzkünsten wirklich beeindruckt und lässt sie eine Pirouette drehen. Estarossa hat die Führung übernommen und in seinem Kopf rattert es gerade ganz gewaltig. Eine weitere Drehung erfolgt und Natalia ist plötzlich sehr verwirrt, warum sich Estarossa nach ihrer punktuellen Landung auf ein Knie hat fallen lassen. In seinem Gesicht liegt ein seltsamer Glanz, den sie noch nie bei ihm gesehen hat. Mit den Augen folgt sie seiner Hand, die in seine Hosentasche wandert und etwas kleines, schwarzes herausholt. „...Estarossa...?" Sie versteht nicht ganz, was hier gerade passiert. Doch dann erkennt sie, dass diese Schachtel und diese kniende Position sehr verdächtig aussehen. Da legt er seinen Daumen an den Rand der kleinen Schatulle und öffnet sie. Natalia legt beide Hände an ihre Wangen, während diese sich stark rötlich verfärben. Inzwischen beobachten auch ein paar neugierige Schaulustige das Spektakel. „...Natalia..." Für einen gefühlt unendlich langen Moment, starrt die Farmerin den Ring in seiner Hand an. Das kann doch unmöglich sein ernst sein. „...Heirate mich..."

Ihre Knie werden auf einmal weich, beginnen zu wackeln und sie droht in sich zusammenzubrechen. Doch dann kommen ihr schon die ersten Freudentränen. Sie lächelt und nickt einmal schüchtern darauf. Für einen Moment, hat er wirklich Angst gehabt, sie lehnt ihn ab. Sofort holt er das Schmuckstück aus dem Etui und steckt ihr den Ring an ihren Finger. Beide sind verwirrt, als im Hintergrund es anfängt zu klatschen und ihnen Glückwünsche zugerufen werden. Doch jetzt nimmt er Natalia erstmal auf den Arm, um ihr einen langen Kuss aufzuhauchen und somit seine Zuneigung auszudrücken. Dabei fallen seine Gedanken an den Schmied zurück, der erst vor kurzem diesen Ring für diesen einen besonderen Moment aus seinen Dämonenzähnen geschmiedet hat. Natalia wischt sich die Tränen aus dem Gesicht und kann das noch gar nicht richtig glauben. „Du bist ja total verrückt, Estarossa", schluchzt sie voller Freude. Er legt ihr beide Arme um den Körper und drückt sie zärtlich an sich. „Schön, dass du das auch endlich gemerkt hast." Sie erwidert seine Umarmung und kann nicht aufhören, diesen wunderschönen Ring anzusehen. Eng umschlungen, tanzen sie noch etwa eine halbe Stunde weiter, bis sich dann der Magen des Dämons laut bemerkbar macht. Da bricht die Farmerin in lautes Gelächter aus. „Hast du echt schon wieder Hunger?" Estarossa grinst sie unschuldig an. „Wohl immer noch, als schon wieder." Liebevoll schüttelt sie den Kopf und verspürt ebenfalls Lust auf etwas essbares. „Komm, wir gehen uns noch was holen und danach kehren wir in unser Zimmer zurück. Das ist für heute wirklich genug Aufregung gewesen." Er stimmt ihr mit einem Kopfnicken zu. Während sich Estarossa einen großen saftigen Fisch gönnt, hat Natalia mehr Lust auf etwas süßes und verspeist einen Pfannkuchen, der mit Bananenscheibchen und Zucker gefüllt ist.

Sein Blick wandert über den großen Platz und scheint sich an etwas bestimmtes zu heften. „Natalia, schau mal da drüben. Siehst du diesen großen Vogel da auf dem Baum?" Neugierig folgt sie seinem Finger mit den Augen, um sich den besagten großen Vogel anzusehen. „Was genau meinst du? Ich sehe da absolut nichts", sagt sie. „Ach, ich muss mich getäuscht haben." Sie glaubt ihm diese Aussage sofort, nur um hinterher feststellen zu müssen, dass ein riesiges Stück aus ihrem Pfannkuchen herausgebissen worden ist. „Estarossa! Du hast die Hälfte von meinem Pfannkuchen geklaut." Der Dämon unterdrückt ein aufkommendes Grinsen und kaut dreist auf seinem Diebesgut herum. „Ich weiß gar nicht was du meinst", flötet er unschuldig. „Du sollst an deiner Lüge ersticken. Wie war das nochmal, dass du nur eiweißreiche Nahrung verwerten kannst?" Erwischt. „Was? Wann soll ich das denn gesagt haben?" Nun zieht sie die Augen zu schmalen Schlitzen und versucht einmal böse zu gucken, was ihr nicht so recht gelingen will. „Ich weiß genau, was du mir erzählt hast. Und außerdem..." Sie stockt. „Da drüben sind Hannah und Zeldris. Was machen die denn hier?" Sofort schnellt sein Blick in die besagte Richtung. Doch natürlich sind sie nicht dort und nun muss er feststellen, dass ein riesiges Stück aus seinem Fisch gebissen wurde. „Natalia! Du hast die Hälfte von meinem Fisch geklaut." Sie lacht einmal schadenfroh darauf und schluckt den Brocken hinunter. „Karma, mein Schatz."

In den späten Abendstunden, kehren sie dann zusammen in das gemietete Zimmer zurück. Am liebsten möchte sie noch ein Bad nehmen, doch eigentlich ist sie zu müde dafür. Stattdessen kuschelt sie lieber noch etwas mit ihrem Dämon, der bei ihr sein kann, wie er nun einmal ist. Sie zeichnet mit dem Finger die Linien von seinem Mal auf der Stirn nach. Morgen, bevor er dieses Zimmer verlässt, muss er es unbedingt wieder verschwinden lassen. Auch trägt er stetig dünne Handschuhe, um seine scharfen Klauen darin zu verstecken. Lediglich bei seinen Zähnen muss er aufpassen. Estarossa drückt Natalia ins Bett zurück, beugt sich über sie und haucht ihr einen sanften Kuss auf. Dabei schmiegt er sich an ihren zarten Körper und lässt seine Nase über ihren weichen Hals gleiten. Sie bekommt eine Gänsehaut. Ihre Hände streicheln durch sein silbernes Haar, zerpflücken es zu einer wilden Mähne, während seine Zunge über eine bestimmte Stelle ihres Halses gleitet. Natalia errötet, denn sie weiß, was diese Geste bedeutet. Aufgeregt schließt sie die Augen, entspannt sich und gibt leise, süßliche Laute von sich, während sich seine Reißzähne genüsslich in ihr Fleisch bohren. So schlimm ist dieser süße Schmerz gar nicht mehr für sie. Glücklich lauscht sie seinen Schluckgeräuschen, während er völlig kontrolliert ein wenig von ihrem Blut nascht. Schließlich lässt Estarossa wieder von ihr ab, und leckt über die kleine Bisswunde, um sie zu reinigen und gleichzeitig zu verschließen. Er weiß, dass es ihr gut geht. Sonst würde sie ihn nicht mit dieser Glückseligkeit in den Augen ansehen. Selbst als er anfängt ihr schweigend das Kleid zu öffnen, behält sie diesen sanften Ausdruck in ihrem Gesicht bei.

Nach zwei wirklich wundervollen Stunden, liegt sie nackt in seinen Armen und ist vor ein paar Minuten eingeschlafen. Estarossa wirft ihr einen Blick voller Liebe zu und schließt nun selbst die Augen. Jetzt wird es morgen früh definitiv ein Bad geben. Und zwar für alle beide. So wie sie im Moment aussehen, können sie unmöglich in die Stadt gehen. Am nächsten Morgen wacht Natalia erst etwas später als sonst auf. Das erste was sie erblickt, ist das Gesicht des Dämons. „Guten Morgen", begrüßt er sie. Der verwöhnende Duft von Tee und Gebäck liegt in der Luft. „Du hast mir Frühstück geholt, wie aufmerksam von dir." Sie belohnt ihn mit einem dicken Kuss. Dann isst sie erstmal etwas und geht sich mit Estarossa waschen, um sich dann für den zweiten Tag auf dem Windfest fertig zu machen. Er ist nicht sehr anders als der erste Tag, dennoch hat die Farmerin beim tanzen, essen und spielen großen Spaß. Am späten Nachmittag packt sie ihre letzten Sachen ein und freut sich auf ihr Zuhause. „Denkst du, dass es unseren Kindern gut geht?" Estarossa bindet sich die großen Plüschtiere an den Beinen fest. Das sieht wirklich sehr lustig aus. „Natürlich geht es ihnen gut. Der Bengel wird den ganzen Tag mit dem Hund spielen und die Göre klebt die ganze Zeit an ihrem Onkel." Seine Worte beruhigen sie ungemein und nun können sie endlich aufbrechen. Natürlich wird der Dämon wegen seiner eigenartigen Art das Gepäck zu transportieren schräg angeschaut. Doch stören tut ihn das wohl nicht wirklich. Natalia wirft einen letzten Blick zurück in die Stadt des Windes. Sie will diese wunderschönen Erinnerungen für immer in ihrem Kopf behalten. Estarossa kann sich wirklich nicht vorstellen, wie glücklich er sie mit diesem Wochenende gemacht hat. Und dazu noch diese eine besondere Frage. Sie schaut sich nochmal den Ring an ihrem Finger an. Dann löst sie ihren Blick davon und folgt ihm auf das offene Feld.

„In Ordnung. Ich denke, dass wir hier starten können." Der Dämon zieht noch einmal die Seile um die Plüschtiere nach und nimmt dann Natalia auf den Arm. „Ich mache mir Sorgen, dass das alles zu viel für dich ist. Schaffst du das denn auch wirklich?" Er nickt. „Absolut kein Problem. Ich werde es locker bis nach Hause schaffen." Die Farmerin vertraut ihm und hält sich gut an ihm fest. Da nimmt er genügend Anlauf, spannt seine schwarzen Flügel auf und macht sich auf dem Weg nach Hause. Dabei nutzt er geschickt die Aufwinde und gleitet mehr als zu fliegen. Gegen die frühen Abendstunden, taucht dann das Farmland auf. Das Weidevieh hat es sich schon bequem gemacht und Hannah hat eben noch Kartoffeln eingesammelt, als sie nach oben schaut. „Das Silberlöckchen ist wieder da", ruft sie ins Haus. Kaum ist er gelandet, werden die beiden von ihrem Nachwuchs überfallen und von Bruno halbtot geschleckt. Noch schneller als Xander, klebt Anunnaki an ihrem Papa und plappert sofort los, was sie so erlebt hat. „Opsi ist mit uns zum Fische fangen gegangen. Dann ist Onki Zeldi ins Wasser gefallen und Tanti Hanni hat ihn ganz doll ausgelacht." Die Sprache von Anunnaki ist schon besser geworden, dennoch hat sie noch viele Fehler darin. Estarossa hört seiner Tochter zu und schmunzelt. „Da hast du aber viel erlebt, Prinzessin." Nun nimmt er noch seinen Sohn auf die Arme und auch er erzählt, was er so erlebt hat. Doch nun verteilt der Dämon erstmal die Plüschtiere an seine beiden Sprösslinge. Anunnaki macht riesengroße Augen, als sie das große Einhorn bekommt. „Danke, Papa", quietscht sie und fängt fast an zu weinen. „Ein riesiger Hund, der aussieht wie Bruno." Xander kuschelt sich sofort in das Plüschtier. „Dankeschön, Papa." Er wuschelt den beiden durch die Haare und greift dann in seine Hosentasche. „Hey, Goldfasan." Estarossa wirft ihr eine Uhr entgegen, die sie gerade noch auffangen kann. „Natalia hat mir erzählt, dass du voll der Uhrenfreak bist." Sie wirft ihm einen verächtlichen Blick zu und presst ein 'Danke' hervor.

Und auch Natalia öffnet ihre Handtasche und holt eine kleine Flasche voller Alkohol heraus. „Für dich, Zeldris. Estarossa hat mir gesagt, dass du diesen Schnaps sehr gerne trinkst." Der jüngere Dämon mustert sie Flasche und schmunzelt dann einmal. „Danke. Ich werde sie in Ehren trinken." Und zum Schluss hat sie Johann noch etwas mitgebracht. „Hier, Großvater. Ich habe dir ein kleines Geschenk mitgebracht." Der alte Mann kommt näher und schaut sich das Mitbringsel seiner Enkelin an. „Was für eine wunderschöne Teetasse. Ich danke dir, Natalia." Sie lächelt einmal sanft und hört auf einmal das leise Schnurren von der blaugrauen Kätzin. „Hallo, Molly." Sie nimmt ihre Katze auf den Arm und streichelt sie. Die Dämonenkatze schnurrt einmal liebevoll und verpasst ihr zärtliche Kopfstöße. Kaum hat sie das anhängliche Tier wieder heruntergelassen, klebt Hannah an ihrer besten Freundin. „Ich hoffe doch, dass das Silberlöckchen dich gut behandelt hat." Sie mustert die Farmerin einmal intensiv und packt auf einmal ihr Handgelenk. „Was ist das denn?" Nun hat Hannah den Ring an ihren Finger gesehen. „Das darf doch nicht wahr sein. Dafür wirst du büßen, Silberlöckchen." Während die impulsive Hannah versucht ihm allmögliche Gegenstände an den Kopf zu werfen, bricht Johann völlig zusammen und fängt lauthals an zu weinen. „Das ich das noch erleben darf...meine Kleine wird heiraten." Der alte Mann ist davon total überwältigt, dass sie seinen Antrag angenommen hat. Immerhin hat er gewusst, dass Estarossa um ihre Hand anhalten will. Natalia nimmt ihren Opa in den Arm und drückt ihn liebevoll an sich. „Du musst deswegen doch nicht weinen, Großvater." Sie lächelt und macht ein glückliches Gesicht. Inzwischen hat es Hannah aufgegeben Estarossa verprügeln zu wollen. „Ich mach...dich...fertig, Silberlöckchen", keucht sie erschöpft. Die Farmerin hilft Johann wieder aufzustehen. „Gehen wir ins Haus zurück. Ich denke, dass es für uns alle ein sehr aufregendes Wochenende gewesen ist."


Mein Freund, der DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt