Leg dich nicht mit Estarossa an

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Lili schnaubt einmal laut und lässt sich widerstandslos aufzäumen. Philly hingegen, hat so gar keine Lust auf diesen Ausflug und braucht ein bisschen Motivation, um sich das Zaumzeug anlegen zu lassen. „Hast du dann auch alles, meine Kleine?" Natalia überprüft ein letztes mal ihre Ladung und nickt. „Pass gut auf dich auf und komm gesund wieder nach Hause." Hannah und Johann, passen zusammen auf ihre Farm auf und kümmern sich um ihre Tiere. „Macht euch keine Sorgen, ich habe doch meinen Begleitschutz dabei." Ihre goldhaarige Freundin schnauft einmal belustigt. „Meinst du den Dämon oder die Katze?" Natalia lacht einmal herzlich und blickt zu Estarossa, auf dessen Schultern Molly liegt. „Ich denke, dass damit beide gemeint sind." Vor zwei Tagen, hat sich ein Dieb auf die Farm verirrt. Er wollte vielerlei Dinge mitgehen lassen, doch als Molly ihn bemerkt hat, hat sie sich wie eine echte Kriegerin auf ihn gestürzt und wenige Sekunden später, kam ihr Hundekumpel Bruno noch dazu. Zusammen haben sie den unerwünschten Eindringling vertrieben. „Also dann...wir sehen uns in einer Woche." Die Farmerin besteigt ihr Gespann und winkt nochmal zum Abschied. „Pass gut auf Xander und die Eier auf, Natalia. Nicht, dass das Silberlöckchen alle aufgefressen hat, bevor ihr in Kusa ankommt." Daraufhin hebt Estarossa nur den Arm und zeigt ihr lediglich den Mittelfinger.

Für Xander ist es das erste mal, dass er richtig von der Farm weggeht und eine Stadt besucht. Daher ist er auch dementsprechend aufgeregt. Irgendwann löst sich Molly von Estarossa und rollt sich im Schoß, ihres halbdämonischen Freundes zusammen. Genau wie damals, hat sich die blaugraue Kätzin geweigert, alleine Zuhause zu bleiben. Der Spätsommer zeigt sich nochmal mit seiner ganzen Kraft, weshalb die Sonne heiß und unbarmherzig vom Himmel brennt. Natalia hat eine kleine Truhe mit frischen Kleidern dabei. Sie trägt nur ein schlichtes, leichtes Kleid. Xander ist in der Beziehung seinem Vater sehr ähnlich, denn dieser trägt nur seine schwarze Hose und sitzt oben ohne neben ihr. Jetzt wo ihr Großvater nicht mehr in Galandel wohnt, müssen sie sich entweder eine Unterkunft suchen, oder eine Nacht unter freien Himmel verbringen. „Ich denke, dass eine Unterkunft für drei Personen ziemlich teuer kommen wird. Daher schlage ich vor, dass wir Galandel komplett hinter uns lassen und einen geeigneten Platz im freien suchen", sagt Estarossa. Daran hat Natalia auch schon gedacht, allerdings macht sie sich um ihren Sohn große Sorgen. „Und du denkst, dass sich Xander keine Erkältung holt? Immerhin kann es in der Nacht doch schon sehr kühl werden." Da lacht ihr dämonischer Freund einmal. „Mach dir deswegen keine Gedanken, Liebes. Xander trägt Dämonenblut in sich. So schnell wird unser Bengel nicht krank." So ganz scheint das die Farmerin nicht zu überzeugen. Dennoch vertraut sie Estarossa und stimmt daher seinem Vorschlag zu. Alleine der Weg nach Kusa, ist für Xander ein großes Abenteuer. Nach drei Stunden legt seine Mutter eine Pause ein. Während sie ein Stück Käse und etwas Brot isst, schaut der kleine Halbdämon in den kleinen Fluss, der direkt neben dem Weg fließt. „Schau mal, Papa. Da sind Fische im Wasser." Estarossa geht neben seinem Sohn in die Knie und schaut sich die flinken Tiere an. „Du hast recht, da sind Fische drin. Willst du einen?" Da bekommt Xander große Augen und nickt. Darauf wuschelt ihm sein Vater einmal durch die silbernen Haare. „Hey, Natalia. Willst du auch einen Fisch?"

Darauf lässt sie erstmal ihr Brot liegen und kommt näher heran. „Kannst du denn welche fangen...?" „Klar, ist ganz leicht", sagt er. Estarossa zieht sich seine Stiefel aus und krempelt die Hose hoch. Achtsam, schleicht er sich kniehoch ins Wasser und bleibt regungslos auf der Stelle stehen. Das kalte Wasser fließt eilig über seine Beine und als ein Fisch in Sichtweite kommt, schlägt er blitzschnell mit seinen Klauen zu, sodass seine Beute im hohen Bogen aus dem Wasser fliegt. Wehrlos, zappelt der köstliche Fisch am Land umher und versucht mit aller Kraft wieder ins Wasser zu kommen. Auf diese besondere Weise, hat Estarossa in unter drei Minuten mehrere Fische gefangen. Schließlich erlöst er die armen Tiere, indem er ihnen einfach den Kopf abbeißt. Sofort erschlafft der glitschige Körper und der Dämon reicht seinem Sohn einen, nachdem er ihn halbiert und die großen Gräten des Fisches entfernt hat. „Hier, einfach rein beißen." Mit strahlenden Augen, nimmt Xander den Fisch und beißt hinein. „Danke, Papa. Der schmeckt echt gut." Natürlich hat er seine pelzige Freundin nicht vergessen und legt Molly ebenfalls etwas Fisch auf den Boden. „Hier, Staubfänger. Du sollst ja auch nicht leer ausgehen." In dieser Sache beneidet Natalia die beiden, denn sie muss ihren Fisch durchbraten, damit sie ihn essen kann. Also wird die Pause doch länger als erwartet, sodass sie erst ziemlich spät hinter Galandel sind und einen passenden Platz zum übernachten gefunden haben. Die Farmerin hat gerade ihre Pferde an einen Baum gebunden, als Estarossa plötzlich aufschießt und seine Nase zuckt. „Was ist los, Estarossa? Du bist plötzlich so aufgekratzt." Der Dämon hob die Hand und signalisiert ihr, dass sie still sein soll. „...Ich kann einen Fasan riechen. Den hol ich mir...vielleicht kannst du schon mal ein Feuer machen."

Natalia ist sehr überrascht, als Estarossa zurückkommt und tatsächlich einen Fasan dabei hat. Dem Vogel fehlt der Kopf, sodass er unterwegs schon ausbluten konnte. Wobei sich die Farmerin schon denken kann, wohin das Blut verschwunden ist. Allerdings sagt sie nichts dazu und kann dabei nicht zusehen, wie der Dämon seine Beute rupft. Eigentlich hat er absolut kein Problem damit die Federn einfach mit zu fressen, für Xander hingegen könnte das aber durchaus ein Hindernis darstellen. Natalia ist schon öfter aufgefallen, dass Estarossa seinem Kind immer die besten Stücke überlässt, wie etwa das Herz oder die Leber. Das scheint wohl seine Art zu sein, um seine Zuneigung auszudrücken. Allerdings dauert es ganz schön lange, bis das Fasanenfleisch durchgebraten ist. Denn gerade bei Geflügel, müssen Menschen sehr vorsichtig sein. Nach dem Abendessen, kann Natalia einfach die Augen nicht mehr offen halten. Ihr Sohn hat schon vor einer Stunde aufgegeben und schläft tief und fest. Sie richtet seine Decke nochmal, die sie immer dabei hat, wenn sie unterwegs ist. „Und du bist sicher, dass du ihn nicht brauchst?" Estarossa schüttelt den Kopf und wickelt sie in seinen großen Mantel. Schließlich legt er sich hin und schlingt einen Arm noch zusätzlich um Natalia, damit sie in der Nacht nicht frieren muss. „Ich habe schon schlimmeres Überstanden. Und jetzt halt den Mund und schlaf endlich." Das lässt sie sich nicht zweimal sagen. Denn die Farmerin ist so müde, dass sie unter zwei Minuten eingeschlafen ist. Die Pferde stehen locker herum und schlafen ebenso, während Molly in der Nähe nach Mäusen sucht. Sorgen macht sich der Dämon allerdings keine um seine pelzige Freundin. Bis jetzt ist sie immer wieder zurückgekommen.

Tief in der Nacht kann man eine Eule hören. Zwei leuchtende Augen, durchbrechen die Dunkelheit und verfolgen zwei geschmeidige Gestalten, die gerade aus dem Unterholz kommen. „Schau mal da...eine Lieferkutsche. Schleichen wir uns an und schauen mal, was sie geladen hat", flüstert leise eine tiefe Stimme. Sein Begleiter nickt und schiebt sich lautlos an den schlafenden Insassen vorbei. Der jüngere der beiden steht Schmiere, während der andere vorsichtig und so leise wie möglich die Schutzplane öffnet, um an den Inhalt der Ladefläche zu kommen. „Eier...nehmen wir uns so viele mit wie wir können und verschwinden dann wieder." Da wendet sich nun auch der jüngere wieder ab und will gerade eine Palette Eier an sich nehmen. „...Wenn du deine Hände je wieder benutzen willst...nimmst du deine Finger von den Eiern und verschwindest...", grollt auf einmal die tiefe Stimme von Estarossa. Er richtet sich auf und öffnet ein Auge, das bedrohlich rot in der Dunkelheit schimmert. Er fletscht die Zähne und bewegt sich beinahe zombiehaft auf die beiden zu. Ein lauter, gellender Schrei dringt aus den Kehlen der beiden Diebe. „Hilfe! Ein Dämon", schreien sie beinahe synchron und rennen so schnell davon, wie sie nur können. Durch den Lärm der beiden, wacht schließlich auch Natalia auf, die erschrocken hochschnellt und sich müde die Augen reibt. „Estarossa...? Was ist denn los...?" Er schnauft und legt sich wieder zu ihr, nachdem er die Schutzplane wieder geschlossen hat. „Nichts...nur ein paar dreiste Diebe", sagt er. Nun öffnet sich auch das zweite Auge und er schenkt ihr seine volle Aufmerksamkeit. „Wie...hast du das bemerkt? Ich habe tief und fest geschlafen und absolut nichts mitbekommen." Wenn er die beiden nicht vertrieben hätte, wäre das ein enormer Verlust für die Farmerin gewesen.

„Nun...ich besitze eine Fähigkeit, die selbst unter Dämonen selten ist. Ich bin in der Lage, mit nur einer Gehirnhälfte zu schlafen. Die andere bleibt wach und hält Wache. Alle zwei Stunden wird gewechselt." Da grinst er sie auf einmal an. „Was glaubst du, wie ich damals den Wolf verjagt habe und am nächsten Tag keine Müdigkeitserscheinungen gezeigt habe?" Da macht sie auf einmal ziemlich große Augen, denn sie hat sich tatsächlich gefragt, wie Estarossa diese Nacht damals überstehen konnte. Sie hat eigentlich immer gedacht, dass Dämonen einfach weniger Schlaf brauchen als Menschen. Doch tatsächlich ist es so, dass auch ein Dämon genauso viel Schlaf braucht wie ein Mensch. „Wahnsinn...das ist ja unglaublich was du alles kannst." Glücklicherweise, hat Xander von dem ganzen Drama nichts mitbekommen. Kinder haben einen viel tieferen Schlaf als Erwachsene und wachen nur selten durch laute Geräusche auf. „Dämonen haben eben viele Feinde, da musst du selbst im Schlaf vorsichtig sein. Ich erlaube es mir nur komplett zu schlafen, wenn ich mich sicher fühle." Da lacht der Dämon einmal leise. „Man sollte sich eben nicht mit mir anlegen."

Am nächsten Tag genau zur Mittagsstunde, haben sie schließlich Kusa erreicht. Xander steht der Mund offen und er kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus. Da erschrickt er auf einmal, als sein Vater ihm ein Tuch um die Stirn bindet. „Lass es einfach auf, Xander. Das ist besser für dich." Estarossa macht ihm weiß, dass es zum Schutz der Augen beitragen soll, dabei will er auf diese Art einfach verhindern, dass jemand sein Dämonenmal auf der Stirn sieht. Anders als sein Vater, kann er es nämlich nicht verschwinden lassen. Die Schönheit dieser Stadt überwältigt seinen Sohn einfach. Die unterschiedlichsten Gerüche, die imposante Windmühle und die Lebhaftigkeit der Menschen, sind etwas ganz neues für ihn. Sein kleiner Bauch rumpelt ziemlich laut, woraufhin er das Gesicht verzieht. „...Ich hab Hunger..."; beklagt er sich bei seinen Eltern. „Ich weiß, mein Schatz", sagt Natalia sanft. „Ich liefere nur noch die Eier ab, dann gehen wir etwas essen." Während seine Mutter also ihre Waren ausliefert, versucht sich Xander zusammen mit Molly und seinem Papa abzulenken. Total fasziniert, schaut der Junge einem Glasbläser zu, wie dieser gerade eine hübsche Vase anfertigt. Er kann sich nicht erklären, wie das funktioniert. „Lass uns gehen, Xander. Deine Mutter scheint fertig zu sein." Ein bisschen traurig, wendet er sich ab und nimmt seine Hand. Ein bisschen weiter vorne wartet sie schon und lächelt die beiden an. „In Ordnung...gehen wir etwas essen und dann schauen wir uns nach einer Unterkunft um." Und beide wissen genau, wo sie zum Essen hingehen. Natalia stellt ihr Gespann ein bisschen abseits ab und bindet ihre Zugtiere fest. „Oh...? Euch beide kenne ich doch..." Der Koch der kleinen Taverne lächelt und ist etwas in die Jahre gekommen.

Da fällt sein Blick auf Xander und schon kann er eins und eins zusammenzählen. „So ist das also...er sieht dir wirklich ähnlich, Fremder." Daraufhin grinst Estarossa und rubbelt seinem Bengel über den Kopf. „Er ist ein guter Junge." Nach dem Mittagessen, ist Xander auf einmal sehr müde geworden. Seine Mutter hat ihn zum schlafen auf die Ladefläche ihres Gespanns gelegt, während sich Molly an ihn kuschelt. Estarossa ist kurz auf dem Markt verschwunden, um der Farmerin und seinem Sohn ein kleines Geschenk zu besorgen. Als er jedoch wieder zurückkommt, hat Xander schon ausgeschlafen und wirkt ängstlich, da seine Mutter von einem anderen Mann bedrängt wird. „Bitte...ich habe Ihnen schon gesagt, dass ich kein Interesse habe." Noch bevor der Mann antworten kann, legt sich ein großer Schatten über ihn. „...Ärgert dieser Kerl dich etwa, Natalia?" Sie streicht sich ein bisschen überfordert eine Strähne hinter das Ohr und nickt. Tatsächlich ist er ein bisschen von der Größe des Dämons eingeschüchtert, hält ihn aber nicht davon ab, ihm die Meinung zu sagen. „Was willst du? Ich hab die Kleine auf ein Getränk eingeladen...verstanden?" In dem Moment sieht Estarossa rot. Ein grauer Schleier von Eifersucht legt sich über sein Gesicht, woraufhin er ihn packt und der Mann in der nächsten Viehtränke landet. „Oh mein...musste das sein, Estarossa?" Schaulustige haben das Spektakel mit angesehen und scheinen sich köstlich darüber zu amüsieren. Derweil klopft sich Estarossa die Hände sauber. „Das ist nichts persönliches, mein Freund. Aber was meins ist, ist nun mal meins."

Schließlich beugt sich Estarossa zu ihr herunter und Xander bekommt dabei strahlend helle Augen. Doch dann hält sein Vater ihm die Hand vor das Gesicht und als er wieder etwas sehen kann, ist es schon vorbei und Natalia ist ein wenig rot um die Nase geworden. Dieser Kuss hat sie wirklich überrascht und Estarossa ist der Meinung, dass sein Bengel sowas noch nicht sehen muss. „A...Also...so besitzergreifend kenne ich dich gar nicht..." Der Dämon wirft dem Mann nochmal einen vernichtenden Blick zu , nachdem sich dieser aus der Viehtränke geschält hat. „Gehen wir...eine Unterkunft findet sich nicht von alleine." Zwei Tage später, haben sie Kusa wieder verlassen und sind nun auf dem Weg nach Confis. Auch dort soll die Farmerin eine Lieferung von Eier machen. Anders als Kusa, ist Confis mehr ein ländliches Dorf. Aber immer noch groß genug, um dort ohne Probleme eine Nacht verbringen zu können. Nach knapp einer Woche, kommen sie dann wieder auf der Farm an. „Urgroßvater!" Xander klettert vom Gespann und stürmt auf Johann zu, der ihn in die Arme nimmt und hochhebt. „Meine Güte...bald kann ich dich nicht mehr hoch heben, wenn du noch größer wirst, Junge." Xander erzählt ihm alles, was er unterwegs erlebt hat. Da kommt Hannah, die ihrer Freundin beim abzäumen der Pferde hilft. „Na, Silberlöckchen? Konntest du deine Finger still halten und hast die Eier nicht gefressen?" Da knurrt Estarossa sie leise an. „Erinnere mich daran, dich heute Nacht im Schlaf umzubringen", grollt er. Hannah kann es sich einfach nicht verkneifen, ihn immer wieder zu provozieren. „Sei bloß vorsichtig, Hannah. Er hat ein eingebautes Überwachungssystem", lacht Natalia scherzhaft. Diese Reise war für sie sehr anstrengend. Daher freut sich Natalia sehr auf ein heißes Bad. Allerdings kommt dann ihr Sohn zu ihr und zieht an ihrem Kleid. „Mama...? Ich habe doch letzte Nacht eine Sternschnuppe gesehen. Darf ich mir etwas wünschen?" Daraufhin geht sie auf die Knie und lächelt ihn an. „Natürlich...was möchtest du dir denn wünschen?" Nun geht Estarossa ebenfalls in die Hocke, sodass der kleine Halbdämon seinen Wunsch erst seiner Mutter und dann seinem Vater ins Ohr flüstert. Beide reißen die Augen auf und schauen sich gegenseitig absolut sprachlos an.


Mein Freund, der DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt