Die Grausamkeit eines Dämons

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Dunkles Donnergrollen dröhnt ohrenbetäubend über die Farm. Wütend zucken helle Blitze vom Himmel und die schwarze Wolke hängt schwer über der nassen Erde. Die Hühner hatten sich in ihren Stall verzogen, Ziegen und Schafe panisch ihren Unterschlupf aufgesucht. Lediglich die Kühe und die Pferde zeigen sich unbeeindruckt, und liegen entspannt unter einem der Bäume. Estarossa beobachtet das Unwetter und lauscht im Hintergrund dem Summen von Natalia, während sie ihren Milchreis kocht. Bruno und Molly liegen zusammen in einem Körbchen und dösen vor sich her. Das Gewitter scheint weder den einen noch den anderen groß zu interessieren, denn Natalia hat ihnen vom Kleinkindalter an beigebracht, dass ein Gewitter nichts schlimmes ist.

„Das Essen ist fertig, komm und setzt dich", sagte Natalia. Nun löst er seinen Blick von der Fensterscheibe und setzt sich an den Tisch. „Hoffentlich stört es dich nicht, dass du Fisch zu essen bekommst. Ich habe kein Fleisch mehr und muss morgen erst einkaufen." Estarossa sagt darauf erst einmal nichts, sondern beißt lediglich in den rohen Fisch hinein. „Was für eine Ironie, das von dir zu hören. Vor deinem Haus laufen Hühner und andere Viecher herum, die ich fressen kann." Tatsächlich sieht sie ihn das erste mal mit einem Blick an, der Strenge ausdrückt. Doch nach wenigen Sekunden, lockert sich dieser wieder. „Ich weiß", sagte sie. „Dennoch muss ich dich darum bitten, sie nicht zu essen. Ich verdiene mir durch Eier, Milch und Wolle meinen Lebensunterhalt."

Estarossa brummt einmal kurz als Antwort, während er die erste Portion an Fisch verschlingt. „Solange du mir keinen Grund gibst, fresse ich deine Viecher auch nicht. Als Dämon bin ich auf Eiweiß und Proteinreiche Nahrung angewiesen. Kohlenhydrate nützen mir nicht besonders viel." Er ist wirklich nicht sehr wählerisch, ob er nun Fleisch oder Fisch isst. Beides enthält die für ihn wichtigen Baustoffe, doch wenn er die Wahl hätte, würde er sich immer für Fleisch entscheiden. Immerhin schmeckt das viel besser und hat nicht diesen aufdringlichen Salzwassergeruch. Doch genau dieser Duft, lockt Molly an, die elegant auf den Tisch springt, und ihm etwas von dem Fisch abzuluchsen versucht. „Verschwinde, Flohkugel! Sonst mache ich aus dir einen Pelzkragen", grollt er.

Doch die blaugraue Kätzin starrt ihn wieder mit diesem hypnotischen Blick an. Mitleiderregend, huscht der Blick von Molly immer wieder zu dem Fisch auf seinem Teller. Estarossa verdreht einmal die Augen. Mit seinen scharfen Zähnen, reißt er ein Stück Fisch ab und hält es ihr hin. „Und jetzt hau ab, Staubfänger." Natalia lacht in dem Moment auf, wo ihre Katze das Stück Fisch nimmt und vom Tisch springt. „Ich habe dir gesagt, dass man sich ihr nicht widersetzen kann." Der Dämon schüttelt den Kopf und lässt den Fisch verschwinden, bevor Molly nochmal auf die Idee kommt, bei ihm zu betteln. Am Ende wird er der Katze noch vor Natalia den Hals umdrehen. In seinem ganzen Leben, hatte er noch nie eine so aufdringliche Katze gesehen.

Estarossa hat seinen Kopf nach dem Abendessen durchgesetzt. Vor dem Schlafengehen will er sich nochmal waschen, doch weigert er sich, dass Natalia das übernimmt. „Estarossa...bitte sei vernünftig. Deine Verletzungen können wieder schlimmer werden, wenn das Wasser zu heiß ist." Er antwortet ihr nicht, sondern schiebt sie einfach aus dem Badezimmer, schlägt ihr die Tür vor der Nase zu und sperrt sie ab. „Estarossa!" Sie klopft gegen die Tür. „Bitte mach das Wasser nicht zu heiß, du tust dir sonst weh." Eine kleine Wutader pocht an seiner Schläfe und wird mit jeder Sekunde größer. „Wenn du mir weiter auf die Nerven gehst, werde ich dich heute Nacht im Schlaf umbringen", faucht er genervt durch die Tür.

Er zieht die schlecht verarbeitete Kleidung aus, nimmt die Verbandsmulden ab und entfernt so gut wie möglich die Heilpaste, die er einfach in den Kosmetikeimer stopft. Am Waschbecken wäscht er sich rasch die Hände und das Gesicht, bevor er seinen nackten Körper im Spiegel betrachtet. Der linke Arm und die rechte Seite der Brust zeigen noch einige Verbrennungen. Die Hüfte und beide Oberschenkel haben nur noch oberflächliche Verletzungen und alleine im Gesicht, war noch an vereinzelten Stellen das Fleisch offen. Auch seine silbernen Haare, die entweder verkohlt oder ganz verbrannt sind, wachsen wieder nach und erstrahlen im alten Glanz wieder. In wenigen Tagen sollten dann auch die letzten Spuren verschwunden sein. Nun wendet er sich ab, ging zur Badewanne und lässt diese mit lauwarmen, klaren Wasser volllaufen. Stöhnend lässt sich der Dämon darin nieder, und streckt die langen Beine über den Rand hinaus.

In der Nacht hatte sich das Unwetter gelegt. Draußen ist es feucht, und hundert verschiedene Düfte fliegen durch das Zimmer. Nachdem er sich am Vorabend gewaschen hatte und aus dem Badezimmer kam, hatte er sich geweigert, sich nochmal mit der Heilpaste einpacken zu lassen. Und genau diese Entscheidung bereut er an diesem Morgen. Seine Haut ist trocken wie Schmirgelpapier und spannt sehr unangenehm. Auch schmerzen die Verletzungen wieder stärker, die sich irgendwie taub anfühlen. Da war sein dämonischer Stolz stärker als die Vernunft gewesen. Der einzige Lichtblick an diesem Morgen ist die Servierglocke, die neben seinem Futon steht. Natalia steht jeden Tag sehr früh auf, um sich um ihre Tiere zu kümmern. Roher Fisch, Rührei und das letzte Stück Speck aus dem Kühlschrank wandern in seinen Magen. Estarossa musste wirklich zugeben, dass Natalia sehr zuverlässig ist, was das Essen angeht.

Nachdem er gefrühstückt hat, schlüpft er in die lumpige Kleidung und verlässt das Zimmer. Schon als er am Spiegel im Flur vorbei geht, zieht ein fremder Geruch in seine Nase und eine fremde Stimme dringt an seine Ohren. „Das ist deine letzte Chance, Natalia. Entweder du verkaufst uns dein Land freiwillig, oder wir zwingen dich dazu." Die Farmerin schüttelt energisch den Kopf. „Nein! Das ist mein Land und mein Zuhause. Ich werde es niemals an euch verkaufen, damit ihr ein Hotel und einen Parkplatz darauf bauen könnt." Estarossa lauscht dem Gespräch zwischen Natalia und dem fremden Mann. Anscheinend ist dieser an ihrem Land interessiert, und sie weigert sich, es zu verkaufen und von hier wegzuziehen. „Ich warne dich, Mädchen...ich will dieses Land haben. Und wenn es sein muss, nehme ich es dir mit Gewalt weg. Es gilt das Recht des Stärkeren."

Auf einmal legt sich auf beide ein großer Schatten. Natalia bekommt eine Gänsehaut und der fremde Mann wird bleich wie eine frisch gestrichene Wand. Sein Mund öffnet sich, und wollte etwas sagen. Doch schießt die Hand des Dämons blitzschnell nach vorne, und schlingt sich um den fetten Hals des Mannes. Estarossa hebt ihn hoch und drückt langsam zu. „...Was genau verstehst du an dem Wort 'Nein' nicht, Mensch?" Er fängt an zu röcheln, zappelt hilflos in der Luft und schnappt krampfartig nach Sauerstoff. Natalia entweicht ein erschrockener Aufschrei. Sie rüttelt heftig an seinem Arm, damit er ihn loslässt. „Nein! Estarossa, bitte lass ihn runter. Du wirst ihn noch umbringen." Doch diesmal schubst er sie von sich, sodass sie unsanft auf ihren Hintern fällt. „G...Gn...Gnade...", röchelt sein Opfer halb ersticht.

Der Dämon lacht nur einmal hämisch darauf. „Es gilt das Recht des Stärkeren." Seine Hand schlingt sich noch fester um seinen Hals, sodass seine Augen langsam aus den Höhlen treten. Der Fremde läuft blau im Gesicht an, droht zu ersticken. Doch Natalia hat sich wieder aufgerappelt und fängt nun an gegen die Brust von Estarossa zu trommeln. „Lass ihn los! Bitte, lass ihn los, Estarossa. Antonio ist zwar eine hinterhältige Schlange, doch nicht einmal er hat das verdient." Erneut schubst der Dämon sie unsanft von sich, sodass sie diesmal schmerzhaft gegen den Türrahmen knallt. Doch zu ihrer Erleichterung, lässt er Antonio los, und wirft ihn wie ein Stück Abfall auf den Boden. Sofort fängt dieser an zu husten, ringt nach Luft und will davon kriechen.

Doch dann stellt er seinen Fuß auf den Brustkorb des Mannes, übt Druck aus und droht ihm den Brustkorb zu brechen. Er fängt an vor Schmerzen zu schreien, umfasste seinen Knöchel und fleht ihn an aufzuhören. Doch dadurch verstärkt Estarossa den Druck. „...Hör mir jetzt gut zu, kleine Küchenschabe. Ich werde es nämlich nur einmal sagen." Ohne den Fuß von seinem Brustkorb zu nehmen, beugt er sich zu ihm herunter und starrt ihn mit einem warnenden Blick an. Seine schwarzen Augen haben sich in zwei rot brennende Feuerbälle verwandelt. „Es interessiert mich nicht, wer du bist, oder woher du kommst. Diese Welt ist vom Krieg zerstört. Und weder du noch ein anderer, wird dieses Land verunstalten. Wenn ich deine hässliche Fratze noch einmal hier sehe, werde ich den Rest deines Lebens in eine bodenlose Hölle voller Folter und Verzweiflung verwandeln. Verstanden?" Völlig eingeschüchtert und mit höllischen Schmerzen, nickte er nur einmal darauf.

Erst danach, nimmt Estarossa seinen Fuß von dem eingedrückten Brustkorb, und tritt ihn ein Stück von sich. „Verschwinde, Küchenschabe", knurrt er bedrohlich. Antonio sucht so schnell er nur konnte das Weite. Natalia humpelt ein Stück auf den Dämon zu und sieht dem fliehenden Antonio hinterher. Aufgebracht blickt sie nun zu Estarossa hoch, und kann sich einfach nicht beherrschen. „Bist du übergeschnappt?" Wieder rüttelt sie an seinem Arm herum. „Du hättest ihn fast umgebracht, was sollte diese Aktion bitte?" Auf einmal schießt ein Schmerz durch ihre Wange und fängt wenige Sekunden später das brennen an. Er hatte sie geohrfeigt. Ihre Wange färbt sich rot und das brennen verstärkt sich. Unter Schock, hält sie ihre Hand auf die schmerzende Stelle.

„Dummer Mensch! Du bist nur noch nicht tot, weil du mir das Leben gerettet hast. Hätten wir uns auf anderem Weg getroffen, hätte ich dich auf der Stelle getötet und deine Seele gefressen." Tränen treten Natalia in die Augen, die ihr über die Wange kullern und am Boden wie Wassertropfen zerplatzen. „...Ich dachte...du wärst...freundlich. Ich dachte...dass wir Freunde sind...", schluchzte sie. Estarossa wirkt immer entspannt und ausgeglichen, doch unter seiner unnahbaren Fassade, verbirgt sich eine sadistische und kalte Seite. „Du bist eine erbärmliche Närrin, Mensch. Ich habe dir schon einmal gesagt, dass du von mir keine Dankbarkeit erwarten kannst. Mein Leben für deines. Du bedeutest mir gar nichts." Damit wendet er sich ab und kehrt ins Haus zurück. Natalia sinkt auf die Knie herunter und konnte einfach nicht aufhören zu weinen. Sie versucht die Realität zu verdrängen. Es konnte doch nicht sein, dass sie sich so sehr in ihm getäuscht hat.

Die Stimmung war bis in die späten Abendstunden sehr angespannt. Gedankenverloren hat Natalia ihre täglichen Arbeiten erledigt. Egal wie sehr sie sich mit Kühe melken, Eier sammeln, oder Wolle spinnen abzulenken versuchte, sie konnte diese Ohrfeige und den Ausdruck in seinen Augen nicht vergessen. Doch haben seine Worte mehr als die Schelle wehgetan. Tapfer hält sie die zweite Welle aufkommender Tränen zurück. Natalia hat vergessen einkaufen zu gehen, sodass der Dämon zum Abendessen wieder Fisch bekommen hat. Die Luft knistert und eine unheimliche Stille liegt zwischen den beiden. Während sich in Natalia ein Hauch von Angst breit macht, war sich Estarossa absolut keiner Schuld bewusst. Als ob nichts gewesen wäre, benimmt er sich wie immer. Er besticht Molly mit einem Stück Fisch, und scheucht sie dann davon.

Der Appetit von Natalia hält sich stark in Grenzen und für einen Moment treffen ihre Blicke aufeinander. Sie öffnet den Mund und wollte etwas sagen, entscheidet sich dann aber doch dagegen, und schließt ihn wieder. Kommentarlos steht sie auf, um ihren halb vollen Teller in die Küchenspüle zu stellen. „Was für eine Verschwendung", meinte er giftig. Die Farmerin verbringt den Abend auf dem Sofa und strickt ein paar Strümpfe.

Estarossa sitzt neben ihr, und schaut sich gelangweilt einen Horrorfilm im Fernsehen an. Wenn eine Werbeunterbrechung läuft, schließt er die Augen und lauscht den Geräuschen der Stricknadeln. Mit der Zeit wird das klimpern der Nadeln unregelmäßiger und bald darauf, fühlt er ein sanftes Gewicht auf seiner Schulter. Natalia hatte die Hände in den Schoß sinken lassen und ihr Kopf lehnte an seiner Schulter. Sie ist vor lauter Erschöpfung unbemerkt eingeschlafen. „...Dummer, schwacher Mensch..." Er schubst sie von sich, steht auf und legt sie anständig auf das Sofa. Lieblos wirft er ihre Stricksachen auf den Tisch und schmeißt ihr eine dünne Decke über, bevor er selbst schlafen geht. Ein paar Minuten später, kommt Molly zum kuscheln angerückt, und rollt sich auf ihrem Frauchen zusammen. Estarossa hat sich ausgezogen und ins Bett gelegt. Bevor er einschlief, dachte er noch über eine ganz bestimmte Sache nach...


Mein Freund, der DämonWhere stories live. Discover now