Der Anfang vom Ende

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„Escanor, du Bastard! Eines Tages werde ich zurückkommen und dich auslöschen", kreischte Estarossa, während er vom flammenden Körper einer unbarmherzigen Sonne ins Nichts befördert wurde. Die Wucht der Hitze zerstörte alles, was ihr in den Weg kam. Es war vorbei – der Krieg gegen die Dämonen war gewonnen. In Britannia kehrte wieder Frieden ein und als Gemeinschaft baute man das gefallene Reich wieder auf. Aber...waren die Zehn Gebote wirklich vernichtet? Was machte die sieben Todsünden so sicher, dass ihre Feinde wirklich tot waren? Vielleicht machte Estarossa seine Drohung irgendwann in der Zukunft wahr...


Schmerz...dieser höllische...Schmerz. Er war überall und wollte einfach nicht aufhören. Entweder würde er qualvoll daran krepieren oder endgültig den Verstand verlieren. Diese seltsamen Gerüche, die in der Luft umherflogen. Es roch nach Laub, Pilzen und Gräsern. Estarossa war blind vor lauter Schmerz. Verbrannt bis zur Unkenntlichkeit konnte er nur an Düften und Geräuschen erkennen, dass er anscheinend im Wald oder auf einer Wiese gelandet war. Noch lebte er, doch die Klauen des Todes hatten sich schon nach ihm ausgestreckt und wollten ihn auseinander reißen. In seinem Kopf drehte sich alles, er wusste nicht mehr wo oben oder unten war. Doch dann fühlte er sich auf einmal sehr leicht. Endlich...die rettenden Arme der Ohnmacht holten ihn ein und wogten ihn sanft auf eine Wolke. Absolute Erleichterung machte sich in seinem Körper breit, bevor es komplett schwarz wurde und er das Bewusstsein verloren hatte. Estarossa war in diesem Moment einfach nur glücklich gewesen. Jetzt konnte er in Ruhe sterben, ohne weiter diese Höllenqualen durchleiden zu müssen.

Ein Ast zerbrach und ein Stein wurde unter den schweren Hufen eines Pferdes zertrümmert. Gemütlich trottete Lili neben ihrer Besitzerin Natalia her und futterte die Blätter im vorbeigehen von den tief sitzenden Baumästen. Es hatte an diesem Tag viel geregnet und man musste aufpassen nicht im Schlamm stecken zu bleiben. Natalia fiel ein Wassertropfen auf den Kopf und sie wusste, dass es bald wieder regnen würde. Hoffentlich würde sie es noch trocken zurück auf ihre kleine Farm schaffen. Sie war ihrer Meinung nach nicht besonders hübsch. Sie hatte langweilige braune Haare und große, blaue Augen. Mit ihren 150cm Körpergröße war sie unterdurchschnittlich groß und hatte die Statur eines Mädchens. Trotzdem änderte das nichts an der Tatsache, dass sie Siebenundzwanzig Jahre alt war. Natalia hatte genug vom Spott der Außenwelt und war daher vor fünf Jahren auf eine kleine Farm gezogen, wo sie nur mit Lili und ein paar anderen Tieren lebte. Auch wenn sie für ihr Alter wirklich klein geblieben ist, so war ihr Herz umso größer.

Gerade wollte die junge Farmerin um die Kurve gehen, da blieb die sonst so brave Tinkerstute auf einmal stehen, und weigerte sich ihrer Besitzerin zu folgen. „Lili, was hast du?" Das majestätische Tier wirkte auf einmal sehr angespannt und nervös. Sie schreckte zurück und stampfte mehrmals mit dem rechten Vorderhuf auf den weichen Lehmboden auf. „Ganz ruhig, Lili. Hier ist doch nichts." Natalia war sehr verwundert, so hatte sich ihre Stute noch nie benommen. Sanft streichelte sie dem nervösen Tier über die Nüstern, als auf einmal ein ekelerregender Geruch in ihre Nase stieg. Angewidert rümpfte Natalia die Nase und kämpfte gegen einen aufkommenden Würgereiz an. Es stank furchtbar...und zwar nach verbranntem Fleisch. Eilig zog sie ihr Stofftaschentuch aus der Hosentasche und drückte es sich gegen Mund und Nase. So war dieser bestialische Gestank schon mehr zu ertragen. Dennoch wollte sie wissen, wer oder was die Quelle von diesem Geruch war. Wissend, dass die brave Tinkerstute auf sie warten würde, stieg Natalia ins Unterholz und suchte nach einer möglichen Quelle.

Sie scheint in die richtige Richtung zu gehen, denn der ekelhafte Geruch wurde stärker. Selbst unter ihrem Taschentuch musste sie in regelmäßigen Abständen die Luft anhalten, um sich nicht übergeben zu müssen. Für einen Moment passte sie nicht auf, und stolperte sogleich über eine Wurzel. Mit einem Schreckensschrei, landete sie auf ihrem Hintern und erkannte erst einige Momente später, dass sie nicht über eine Wurzel sondern über ein Bein gestolpert war. „...Was im Namen von..." Mit den Augen folgte sie dem Bein zu dem dazugehörigen Körper, der mehr wie ein riesiger Krustenbraten aussah. Völlig unter Schock stehend, konnte sie den völlig verbrannten Körper einfach nur anstarren. Dann löste sich der Knoten in ihr und schrie so laut, dass sie sämtliche Vögel aufschreckte. Sie kreischten laut und flatterten desorientiert in alle Himmelsrichtungen davon.

Natalia konnte nicht aufhören...sie konnte einfach nicht aufhören die verbrannte Leiche vor ihr anzustarren. Ihr Blick löste sich einmal leicht und wanderte unter die Gürtellinie. Sofort zwingt sie sich, den Blick davon abzuwenden, doch dann fällt der jungen Farmerin etwas auf. Der Brustkorb des Mannes hob und senkte sich sehr schwach und ganz leicht. Natalia blieb für eine Nanosekunde das Herz stehen. „...Oh mein Gott...", hauchte sie. „Er...lebt noch..." Was sollte sie nur machen? Auch wenn sie absoluten Ekel vor diesem Mann hatte, kam sie dennoch näher und versuchte ein bisschen Haut zu finden, die nicht verbrannt war. Tatsächlich fiel ihr bei der Inspektion etwas auf. Auf der Stirn des Mannes konnte sie ein schwarzes, eigenartiges Mal sehen. Auf einmal wurde sie bleich wie ein Gespenst und lässt in der gleichen Sekunde das Taschentuch fallen. „Ein Dämon!" Sofort rannte Natalia mit Vollgas in die entgegengesetzte Richtung davon. Ein Dämon! Sie hatte einen Dämon gefunden. Gerade wollte sie ihren Stiefel in den Steigbügel stellen, da hielt sie auf einmal inne.

Sie zögerte. Sie wollte nur auf Lili steigen und so schnell wie möglich von hier verschwinden. Doch sie konnte es nicht. Ihr Gewissen hatte ihr eine unsichtbare Mauer in den Weg gestellt und hinderte sie daran diesem Dämon seinem Schicksal zu überlassen. Was war mit ihm passiert, und vor allem wie ist er hierher gekommen? Beruhigend wurde Lili über die weiche Schnauze gestreichelt, bevor ihre Besitzerin noch einmal zögerlich den Weg zurückgeht, den sie gerade gekommen war. Ihre Nase scheint sich an den üblen Gestank gewöhnt zu haben, denn sie empfindet ihn auf einmal als weniger schlimm. Zaghaft linste Natalia hinter einem Baum hervor und sah, dass sich der Brustkorb weiterhin bei jedem schwachen Atemzug anhob und wieder absenkte. „...Der lebt tatsächlich noch..." Nun schnappte sich Natalia einen heruntergefallenen Ast, kam langsam näher und stupste ihren Fund einmal leicht an. Keine Reaktion. Also musste er wohl noch immer bewusstlos sein.

Das war auch besser so gewesen. Denn Natalia wollte sich nicht ausmalen, was für Schmerzen dieser Dämon ertragen musste. Selbst sie wusste, dass die Heilungskräfte eines Dämons gewaltig waren. Doch diese unnatürlichen Verbrennungen sahen wirklich schlimm aus. Sie konnte ihn hier doch nicht einfach liegen lassen und nach Hause gehen, als ob nichts gewesen wäre. Auch wenn er ein Dämon ist, würde Natalia nie wieder glücklich sein können, weil sie Tag und Nacht von einem schlechten Gewissen heimgesucht werden würde. Sie waren mitten in der Pampa. Irgendwo im Nirgendwo. Zwar war ihr Hof nur etwa zwei Kilometer entfernt, doch wie sollte sie ihn nur transportieren? Dieser Dämon war um einiges größer als sie und alleine vom Anblick seiner Breite konnte sie sich schon vorstellen, dass er gefühlt eine Tonne wiegen musste. Natalia seufzte einmal frustriert. „Wenn denn nur Philly hier wäre..."



Mein Freund, der DämonWhere stories live. Discover now