36 - Donnerstag Nachmittag

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"Denkst du.. ist er noch sauer?", fragt Liz mich durchs Telefon, während im Hintergrund ein paar riesige Hochhäuser an ihr vorbei ziehen.

Sie ist gerade auf dem Weg zu einem Casting. Mit ihrem schwarzen Mantel, der schmalen Sonnenbrille und dem strengen Dutt im Nacken, sieht sie wirklich schon wie ein Topmodel aus.

"Auf mich hat er den Eindruck gemacht, dass er es verstanden hat.", erwidere ich zögerlich und lehne mich gegen den dicken Baumstamm hinter mir.

Inzwischen ist es schon wieder so warm, dass man sich ohne Probleme raus setzen kann. Wirklich kalt war es zwar nie, aber da ich eine Frostbeule bin, durfte ein Mantel im Winter nicht fehlen.

Die Sonnenstrahlen bahnen sich durch die sprießenden Triebe der Laubbäume auf der Wiese und kitzeln mich an der Nase.

Ich schließe die Augen und lehne mich hinten an, während ich Liz gestresster Stimme zuhöre und ca. zwanzig unterschiedliche Hintergrundgeräusche durch meine Kopfhörer dringen. Von Hupen, über Gelächter, einen Straßensänger und in weiter Ferne höre ich eine Sirene von einem Krankenwagen.

"Seid ihr wieder Freunde?", fragt sie schließlich und ich presse überlegend meine Lippen zusammen.

"Keine Ahnung.", seufze ich und nehme einen tiefen Atemzug durch meine Nase.

"Bei Nate habe ich nicht das Gefühl, dass ich auf Abstand gehen muss, weil er akzeptiert hat, dass ich emotional nicht verfügbar bin. Tyler versteht es zwar und er will mir den Freiraum geben, den ich brauche, aber.."

"Aber es ist Tyler. Der Typ ist besessen von dir, seit er dich kennt. ", bringt Liz dazwischen und ich nicke und lache leicht.

"Er ist lieb und ein toller Kerl, aber wenn es um dich geht verliert er teilweise jeglichen Sinn von Vernunft und handelt nur mit seinem Herzen.", fügt sie hinzu und rollt kurz lächelnd mit den Augen.

"Es ist schön zu wissen, dass es jemanden gibt, der mich bedingungslos liebt und mir gegenüber immer loyal sein wird. Ich wünschte wir könnten zusammen sein und eine normale Beziehung führen, aber.. so wie es mir geht, schaffe ich das nicht."

"Nimm dir die Zeit, Brooke. Wenn es dir wieder besser geht, wird Tyler da sein.", ich beiße mir auf die Lippe und schüttle langsam den Kopf.

"Genau das will ich nicht.", gebe ich angestrengt von mir und sehe kurz darauf Liz verwirrten Blick.

"Er hat mir vorgeschlagen, dass wir eine Pause machen. Er will auf mich warten, aber ich kann das nicht. Es ist nicht fair ihn hinzuhalten. Es musste ein Schlussstrich sein, um den nötigen Abstand zu gewinnen. Ich kann noch nicht darüber nachdenken, was passiert, wenn etwas Ruhe eingekehrt ist, aber ihm zu sagen, dass er auf mich warten soll, wäre egoistisch.", Liz nickt verstehend und lächelt mich mit zusammengedrückten Lippen an.

Sie biegt um eine Ecke und steht in der Empfangshalle eines imposanten Hotels.

"Brooke, ich bin verdammt stolz auf dich. Du stellst dich an erster Stelle und bist klug genug, um zu merken, dass dir die Beziehung mit Tyler, obwohl ihr euch liebt, momentan nicht gut tut. Mach dir nicht so viele Gedanken über die Zukunft, okay? Es kommt alles, wie es kommen muss.", erwidert Liz aufmunternd und gibt mir mit ihren Worten so viel Mut, dass nicht anders kann, als breit zu lächeln.

"Danke, dass du für mich da bist."

"Immer.", sie zwinkert mir zu und läuft noch ein paar Schritte, bevor sie sich wieder nach unten zu ihrem Handydisplay dreht.

"Hör zu, ich muss jetzt.."

"Oh ja, wir hören uns. Viel Glück beim Casting.", unterbreche ich sie und nicke hastig.

"Danke, bis dann.", sie wirft mir einen Kuss zu und legt auf.

Direkt fängt meine Musik an weiterzuspielen, an der Stelle, wo sie gestoppt hat, als ich Liz Anruf entgegen genommen habe.

Ich sitze mit meinem Laptop auf der Wiese und das schon seit zwei Stunden, aber zu wirklich viel gekommen, bin ich nicht. Liz hat fünf Minuten, nachdem ich mich hingesetzt habe angerufen und es war schön sich mal wieder so lange mit ihr zu unterhalten.

Es ist zwar erst eine Woche her, dass wir in der Skihütte waren, aber die Zeit hat nicht gereicht und war mal wieder so stressig, dass ich nicht das Gefühl gehabt habe, im Urlaub zu sein.

Während unseres Telefonats wollte ich die wenigen Fotos, die ich vom Footballspiel gemacht habe bearbeiten, aber ich kam gerade mal dazu eins fertig zu machen.

Das Bild zeigt Tyler. Es ist eine Detailaufnahme. Es ist nicht zu sehen, aber es war ein Moment wo er hinter seinem Team stand, welches in alle Richtungen gerannt ist. Sein Arm ist angewinkelt und zeigt seinen angespannten Bizeps. Er holt zum Wurf aus und guckt mit bissigem Blick nach vorne, in die Richtung wo er den Ball hinwerfen will.

Es ist eins meiner Lieblingsbilder. Von ihm. Von mir. Sportfotografien gehören zwar schon immer zu meinen Stärken, aber ich bezweifle, dass ich jemals so ein gutes Foto geschossen habe.

Man kann über Tyler sagen, was man will, aber er ist wirklich bildhübsch. Unter dem Helm sieht man es kaum, aber die vom Schweiß nassen Haare hängen ihm strähnig ins Gesicht. Die braunen Augen - die sonst so treu aussehen - tragen Feuer in sich, von welchem man nicht ergriffen werden will.

Sein erbitterter Blick ist unwiderstehlich. Es wundert mich nicht, dass er nach dem Spiel von einigen Mädchen angesprochen wurde. Ich muss mich was den Alkohol betrifft in nächster Zeit wirklich zurückhalten. Mir ist sehr wohl bewusst, dass ich eifersüchtig werde, wenn ich trinke und es gibt nichts schlimmeres, als wenn ich ihn zurückweise, dann aber die Tour versaue.

Tyler ist nicht der Typ dafür Single zu sein. Nein. Single sein, ist nicht das Problem. Keinen Sex zu haben, ist es schon eher.

Ich bin glücklicherweise darauf vorbereitet. Es wird nicht lange dauern, bis ich ihn mit einer anderen sehen werde. Er wird vor mir mit anderen rummachen, das ist klar. So lange ich darauf gefasst bin, wird das kein Problem werden.. denke ich.

OUTSIDER 3Where stories live. Discover now