7 - Samstag Nacht 2

1K 43 45
                                    

"Und wie war dein Weihnachten?", fragt er neckend, als ich fünf Schritte vor ihm mit den Augen rolle. 

"Wir reden nicht, hast du gesagt.", antworte ich und halte den dünnen Mantel enger an meinen Körper gepresst. 

Smalltalk ist das letzte, was ich gerade machen will, besonders mit Nate. Ich bin unsagbar wütend auf ihn, weil er mich vorhin gekrault hat. Er weiß, dass er sowas nicht darf. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und ihm meine flache Hand gegen die Wange geschlagen. Das er noch irgendeinen Effekt auf mich hat, macht mich krank. Dieses Rückenkraulen ist mir aus unserer Beziehung und Freundschaft nur allzu bekannt. Es gab keine Nacht, in der ich ohne seine Hand unter meinem Shirt eingeschlafen bin. 

"Ich habe gesagt du musst nicht... das heißt aber nicht, dass ich mich nicht darüber freuen würde.", erwidert er und lacht leicht. 

"Es ist mir scheißegal, was dich freuen würde, du bist schließlich keiner meiner Freunde.", gebe ich patzig von mir und laufe noch einen Schritt schneller, weil ich spüre, wie er mir näher kommt. 

"Ich war vor kurzem viel mehr als das.", erwidert er und klingt fast belustigt. 

Die Wut kocht in mir hoch und ich kann nicht anders als zu reagieren. Schlagartig drehe ich mich um. 

"Ist das alles nur ein Witz für dich? Checkst du wirklich nicht, wie sehr du mich verletzt hast? Noch nie in meinem Leben hat mich ein Mensch so hintergangen. DU bist der Grund warum Tyler und ich Schluss gemacht haben. DU bist der Grund warum es mir Wochen lang schlecht ging. Du hast mich belogen, seit der ersten Minute, die wir uns kennen und jetzt machst du Witze?", frage ich hysterisch und laufe mit jedem Satz einen Schritt auf ihn zu, während er nur geschockt stehen bleibt. 

Tränen formen sich in meinen Augen und meine Hände zittern vor Zorn. Ich atme heftig durch meine Nase ein und aus und raufe mir durch die vom Wind zerzausten Haare. 

"Ich wollte nicht.."

"Ach ja? Du hast alles geplant von Anfang an und es war dir egal, dass ich Gefühle für dich entwickle. Wie konntest du zulassen, dass ich mich in dich verliebe, wenn du wusstest, dass das mit uns beiden keine Zukunft hat?", frage ich entsetzt, mit zusammengezogenen Augenbrauen und stehe nun direkt vor ihm. 

Meine Hände formen Fäuste, während meine Fingernägel sich in die Handflächen bohren. Ich weiß ich sollte nicht mit ihm reden. Ihn nicht an mich ran lassen, aber ich will eine Erklärung. Ich will wissen was echt war, da meinerseits rein gar nicht gespielt war. 

"Wieso hätte das keine Zukunft haben sollen?", antwortet er fragend und ich schnaube aus. 

"Dachtest du wirklich, dass die ganze Sache nie raus kommen würde?", frage ich verwirrt und verfluche mich, dass ich mich auf diese dämliche Diskussion einlasse. 

"Dieser dumme Deal war nur für eine Woche von Bedeutung. Als wir und das erste mal in der Halle geküsst haben, wusste ich, dass ich nicht nur wegen des dummen Geldes auf dich aufpassen will, sondern weil du mir wichtig bist. Nie zuvor habe ich solche Gefühle für jemanden empfunden und ganz sicher noch nie so schnell welche entwickelt.", antwortet er und wirkt ehrlich. Mein Herz macht einen Satz. 

"Aber wenn du schon so früh Gefühle für mich hattest, warum hast du mir dann nicht die Wahrheit über den Deal erzählt? Ich hätte es doch verstanden, dass du willst, dass Avery sicher ist.", erwidere ich gebrochen. 

"Wenn ich dir die Wahrheit gesagt hätte, dann wärst du direkt zu Tyler gegangen. Ich bin nicht selbstlos wie du. Ich bin egoistisch. Ich wollte dich an meiner Seite. Ich wusste, dass du etwas besonderes bist und du zu mir gehörst. Wir ergänzen uns, als wären wir füreinander geschaffen. Ich war noch nie so glücklich wie mit dir und ich weiß, dass du es auch warst.", er kommt den letzten Schritt auf mich zu und umfässt mit seinen Händen meine Fäuste. 

Meine Unterlippe beginnt zu zittern und die Tränen laufen aus meinen Augen. Ich schließe meine Augen und presse sie zusammen, meinen Blick gesenkt. 

"Ich kann dir nicht mehr trauen, dafür hast du mich viel zu sehr verletzt.", beginne ich und atme tief ein, als ich merke, wie er noch dichter kommt. 

"Und selbst wenn ich dir trauen könnte.. ich bin wieder mit Tyler zusammen und er behandelt mich, wie ich es verdient habe.", ich richte meinen Blick wieder hoch und sehe wie Nates glänzenden Augen zur Seite blicken. Seine Hände lösen sich von meinen und die Kälte umhüllt die Haut in Sekundenschnelle. 

"Wie soll er dich beschützen von Washington aus?", fragt er und dreht sich wieder zu mir. Ist das alles worum es ihm geht? Das mir nichts passiert? 

"Ich kann selbst auf mich aufpassen. Du hast mir gezeigt wie. Was den Rest angeht ist Tyler für mich der richtige. Wenigstens wird er mein Herz beschützen können.", antworte ich kühl und fahre herum. 

Mit schnellen Schritten laufe ich ins Wohnheim, ohne mich nochmal umzudrehen. Die warmen Tränen laufen über meine roten Wangen, als ich in mein Zimmer gehe.

Als ich mich endlich auf meinem Bett fallen lassen kann, blicke ich nach draußen und sehe Nate, wie er mit den Händen in seinen Haaren auf derselben Stelle steht, wie gerade. Er dreht sich gerade zu mir hoch, aber ich rücke schnell weg, sodass er mich nicht sehen kann. 

Mein Herz sticht in meiner Brust. Wieso verdammt bedeutet er mir noch so viel? Er hat mich so sehr verletzt und dennoch denke ich an ihn. Denke an unsere gemeinsame Zeit. Daran, was ich alles von ihm gelernt habe, dass er die einzige Person war, die mir zeigen konnte wie stark ich bin. Nur durch ihn bin ich so selbstbewusst geworden und zum ersten Mal in meinem Leben fühle ich mich nicht schwach. DAS, was ich schon immer am meisten gehasst habe.

Er hat Recht. Die kurze Zeit in der wir ein Paar waren, war perfekt, aber jedes Mal, wenn ich an all die schönen Erinnerungen denke, denke ich im selben Augenblick an das Geheimnis, das er in jeder Sekunde vor mir verborgen hielt. Ich will doch nur wissen wie ich mich so in ihm täuschen konnte. Nate wäre die letzte Person gewesen, von der ich geglaubt habe, sie könnte so etwas tun. Für egoistisch habe ich ihn beispielsweise nie gehalten. Im Gegenteil, er hat immer und immer wieder alles für seine Freunde und Familie geopfert. 

Das er so eigennützig sein kann und mir die Wahrheit verschweigt, nur damit er mir näher kommen kann, ist für mich unbegreiflich. 

Ich bin es Tyler schuldig, Nate zu hassen. Nate hat nicht nur mein Leben versaut, sondern auch Tylers. Die Wut, die Tyler in sich trägt ist groß. Er würde Nate am liebsten tot sehen. Ich liebe Tyler so sehr und ich wünschte, dass ich mich nicht ständig in meinen verworrenen Gedanken verheddere, in denen zu oft Nates Gesicht vor mir auftaucht. Ich bin es ihm schuldig. Ich bin ihm alles schuldig. Er hat schließlich auch Ruby für mich verlassen. 

Es darf nicht noch eine Situation kommen, in der Nate mir so nahe kommt. Auch, wenn es nur meine Hände waren, die er berührt hat. 

Ich darf ihm keinen Raum geben in mein Leben zurückzutreten. Ab jetzt ist er für mich gestorben. Ein für alle mal. 



OUTSIDER 3Where stories live. Discover now