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Kai

Die Woche verlief nur schleppend. Die Zeit, die wir nicht trainieren mussten oder gerade Theorie Unterricht hatten, dachte ich an Sarah. Ich konnte es nicht erwarten, sie endlich wieder in meine Arme schließen zu können. Und dieser Tag, war glücklicherweise nicht mehr so weit weg.
Heute war Freitag, das heißt das Spiel gegen Nordirland fand morgen statt und am Sonntag würden wir wieder heim fliegen. Trainiert hatten wir heute auch schon, es war auch bereits 22:00 Uhr und ich hatte gerade mit Sarah telefoniert, doch sie war eingeschlafen, was mich immer noch grinsen ließ. Ich wartete darauf, endlich wieder mit ihr neben mir einschlafen zu können.
Also schloss auch ich jetzt meine Augen, da ich morgen fit für das Spiel sein wollte. Ich wusste es zwar nicht, aber vielleicht hatte dem Trainer meine vergangene Leistung ja gut gefallen, dann durfte ich morgen nochmals spielen. Auch wenn die letzten Tage hart gewesen waren, da ich Sarahs Stimme nur hören konnte, ihre weiche Haut nicht streicheln konnte, ihre zarten Lippen nicht küssen konnte, war ich bereit für das Spiel morgen und ich war bereit, danach wieder nach Hause zu kommen.
Ich dachte über dieses Wort nach. Komischerweise war das Wort zu Hause für mich immer ein schwieriges Wort. Natürlich war mein zu Hause immer das Haus in dem ich aufgewachsen bin, mit meinen Geschwistern und meinen Eltern, gewesen. Doch seit ich Fußballprofi bin, wohne ich in einer eigenen Wohnung in Leverkusen und zur Zeit wohne ich in einem Hotel in München, da wir dort immer für die EM-Qualifikationen trainierten.  Doch nie war einer dieser Orte für mich mehr als eine Bleibe, ich fühlte mich dort nicht zu Hause. Doch, wenn ich dieses Wort jetzt benutzte, dachte ich an Sarah, wie sie in meinen Armen liegt und über irgendetwas lacht und mir danach einen Kuss auf die Lippen drückte. Es war egal wo, ich dachte an zu Hause und sah sie vor mir, sah einen Ort, an dem wir zusammen waren. Es war egal, wo dieser Ort war. Sie war mein zu Hause und sie war der Ort, an den ich zurück wollte und nie wieder weg davon.

"Und, aufgeregt?" Julian stellte sich neben mich, während wir alle in der Umkleide auf die Aufstellung und unsere Trikots warteten. "Geht. Du?"
"Ne, Mann. Ich lass es auf mich zu kommen." , sagte er nur gelassen, wie es schon immer seine Art war. Ich hingegen, war schon ein wenig aufgeregt, nicht so, wie letzte Woche, doch ich brachte es einfach nicht über mich mit so einer Leichtigkeit, wie Julian hier zu stehen.
Nach einer gefühlten Ewigkeit, in der sich meine Anspannung nicht gerade gelagt hatte, traten Jogi Löw und sein Co-Trainer endlich ein. "So, Jungs. Letzte Woche hatten wir ein ganz ordentliches Ergebnis, aber ich hab euch die ganze Woche lang gesagt, was ihr falsch gemacht habt und warum das fast noch schief geloffen wäre. Im Training wart ihr auch alle super und habt das alles umgesetzt, mehr erwarte ich von euch heute nicht! Verbessert die Fehler vom letzten Spiel und vermeidet neue. Nordirland ist keine Spitzenmannschaft, aber unterschätzt sie nicht, auch wir sind nicht an der Spitze der Besten!" Er sah uns alle nach der Reihe nachdrücklich an, dann nickte er und verließ den Raum, nachdem er nochmal gesagt hatte: "Also, ihr macht das Jungs! Hier ist noch die Aufstellung."
Unser Co-Trainer enthüllte die Aufstellung, wie schon am Spiel zu vor und wie schon am Spiel zu vor, war ich nicht Teil der Start 11. Ein kleines bisschen Enttäuschung breitete sich in mir aus, doch ich schob sie bei Seite. Ich war ja zumindest auf der Auswechselbank und vergangenes Spiel wurde ich ja trotzdem eingewechselt. Ich lief zu Julian und klopfte ihm auf den Rücken. "Dann will ich aber auch was von dir sehen." , sagte ich und lächelte meinen besten Freund an. Ich freute mich für ihn und war mal wieder über unsere Freundschaft, in der Eifersucht gar keine Rolle spielte  froh. "Dann mach dich auf was gefasst." , sagte er und wackelte mit den Augenbrauen, woraufhin wir beide lachend die Kabine verließen.

Die Atmosphäre im Stadion war wie immer atemberaubend. Die Kurve der Auswärtsfans, also die, in denen sich die meisten Deutschen Fans befanden, machte auch ziemlich krach.
Wir kamen gerade zurück aus der Halbzeitpause, es stand 1:2 und meine Mannschaftskollegen leisteten echt klasse Arbeit.
Auch wenn ich genauso gerne bei diesem Spiel auf dem Platz stehen würde, freute ich mich, als wäre ich es, als Gnabry in der 47. Minute das 1:3 und nur 13 Minuten später das 1:4 schoss. Ich spührte trotzdem die Verbundenheit zu meinen Mannschaftskollegen auf dem Platz und die pure Freude als diese sich in den Armen lagen und über die Tore freuten, obwohl ich nur auf der Bank saß.
In der 60. Minute kam dann endlich doch unser Co-Trainer zu Lukas Klostermann und mir und schickte uns zum Aufwärmen. Ich freute mich unendlich, jetzt auch noch bei dem Spiel mit zu spielen, welches wirklich super für uns lief. Natürlich machten diese Spiele auch mehr Spaß, als wenn man hinten liegt, weshalb ich es kaum erwarten konnte, auf den Platz zu dürfen.
Nachdem uns Löw nochmal kurz zu genickt hatte und der Schiedsrichter in der 65. Minute dann endlich die Tafel auf dem unser Wechsel angezeigt war hochhielt, klatschte ich Timo Werner ab und rannte aufs Spielfeld.
Jetzt war ich vollkommen auf das Spiel konzentriert, ich vergaß die Sehnsucht nach Sarah, die mich die letzten Tage noch so aufgefressen hatte und spielte einfach Fußball. Ich wusste, sie sah mir jetzt zu, ich wusste, ich hatte jemanden zu Hause, der auf mich wartete, was mich unendlich glücklich machte. Also spielte ich auch so, passte die Bälle möglichst genau an meine Kollegen und gewann auch einzelne Zweikämpfe. Das Spiel lief echt gut und in der 73. Minute schoss Leon Goretzka sogar nnoch das 1:5.
So stellte ich mir ein gutes Spiel vor. Ein Spiel bei dem der Ball kontrolliert vom einem zum nächsten Spieler sprang, einem Spiel bei dem jeder seinen Posten hatte und jeder genau das tat, was er musste.
Irgendwann hörte ich dann die Schiedsrichterpfeife und sah, dass sein Assistent die Tafel mit einer 2 hoch hob, was 2 Minuten Nachspielzeit für uns bedeuteten. Jetzt geben wir nochmal Gas, um dieses Spiel gebührend zu beenden!
Und genau in diesem Moment gewann Joshua gerade einen Zweikampf und schoss weiter zu Goretzka. Ich sah meine Chance, bot mich an, rannte mich frei, sodass Leon mir eine schöne Flanke passte. Ich nahm den Ball an und rannte, konzentrierte mich auf das Spiel, blendete alles aus. Mir gelang es, zwei meiner Gegner aus zu trippeln, ich sah mich um und erkannte Julian in der perfekten Position. Ich machte eine Flanke, welche Julian perfekt nehmen konnte, er sprang hoch und köpfte den Ball ins Eck!
Ich rannte auf meinen besten Freund zu und umarmte ihn, grinste ihn an, während er einen Freudenschrei von sich gab. Er klopfte mir freundschaftlich auf den Rücken während ich plötzlich von allen Seiten meine Mannschaftskollegen hörte, die sich genauso über dieses Tor und in dem Moment als der Schiedsrichter abpfiff, auch über diesen Sieg freuten.
Wir alle waren so unterschiedlich, kommen aus unterschiedlichen Orten, spielen in unterschiedlichen Clubs, haben unterschiedliche Positionen und doch waren wir alle gleich. Wir alle liebten es, Fußball zu spielen und wir alle hatten unsere Leidenschaft zum Beruf gemacht. Wir alle waren stolz, unser Land zu vertreten und wir waren stolz dieses Spiel gewonnen zu haben. Nie zuvor hatte ich mich in irgendeiner Gruppe so dazugehörig gefühlt, noch nie hatte ich eine solche Freundschaft und Verbundenheit gefühlt, wie wenn ich meine Mannschaftskollegen ansah und wir uns alle zusammen über diesen Sieg freuten.

Nachdem ich endlich wieder in meinem Hotelzimmer angekommen war, rief ich Sarah an. Ich konnte es kaum erwarten, ihre Stimme zu hören. Als sie endlich abnahm und ein leises "Hallo?" aus meinem Handy zu hören war, musste ich grinsen. "Hey, hab ich dich etwa geweckt?"
"Nein, nein ich war nur ein bisschen am dösen." , sagte sie, doch ich wusste, dass es nicht die Wahrheit war. Sie hatte ganz offenbar schon geschlafen und ich hatte sie geweckt. Ich sah auf die Uhr, 23:03 Uhr, was bedeutete, in Deutschland war es bereits 00:03 Uhr.
"Tut mir leid, dass ich mich erst jetzt melde, ich war noch duschen und dann hatten wir noch eine kleine Besprechung und ich hab noch mit den anderen geredet. Und dann hab ich dich direkt angerufen und gar nicht mehr über die Zeitverschiebung nachgedacht."
"Alles gut. Du hast echt super gespielt, ihr alle. Es war wirklich ein gutes Spiel."
Mich durchzuckte das Gefühl von Stolz. Ich hatte dieses Spiel ganz alleine für Sarah gespielt und ich konnte mein Glück nicht fassen, jetzt diese Worte von ihr zu hören. "Danke. Wie war dein Abend?" , fragte ich und ließ mich auf mein Bett fallen. Ich war komplett erschöpft von den letzten Tagen und dem heutigen Spiel. "Ach, ganz entspannt. Lina und ich waren bei Mama und Papa und haben dort gegessen. Nach dem Spiel war Levia müde und Jaron war beleidigt, also ist Lina mit ihnen nach Hause und ich bin dann auch gegangen."
"Wieso war er beleidigt?" , fragte ich mit einem Lächeln.
"Ach, er wollte unbeding weiter Lego spielen, aber es war schon lange über der Schlafenszeit der beiden und wenn Jaron müde ist, ist er sowieso immer wegen allem beleidigt."
Ich liebte es, wenn sie von den Kleinen erzählte, ihre Stimme war dann jedesmal so voller Liebe und ich konnte sie mir genau vorstellen, wie sie in ihrem Bett lag und selber ein Lächeln auf den Lippen hatte, wenn sie an ihre kleine Nichte und ihren Neffe dachte. Ich hatte schon gewusst, dass Joshua Kinder hatte, doch erst als Sarah mir von ihnen erzählt hatte, wusste ich wirklich bescheid.
"Achso." , sagte ich und lachte. "Aber du hörst dich auch nicht gerade so wach an. Sollen wir morgen nochmal telefonieren?" , fragte ich vorsichtig, genau darauf bedacht, nicht zu abweisend zu klingen.
"Ja, das wäre eine gute Idee, ich bin wirklich kaputt. Tut mir leid."
Ich schüttelte den Kopf. "Du musst dich doch nicht entschuldigen."
"Okay. Wann fliegt ihr morgen wieder nach Hause?" , sagte sie und ich hörte ein kleines Lächeln in ihrer Stimme. Ich konnte es kaum erwarten, sie wieder zu sehen.
"Um 13:00 Uhr ist Abflug und um 12:00 Uhr sollen wir alle aus dem Hotel draußen sein und Abflugbereit sein."
"Okay." , sagte sie und nach einer kurzen Pause, fügte sie hinzu: "Ich kann es kaum erwarten, dass du wieder da bist."
Ich musste Lächeln und mein Herz schlug schon wieder viel zu schnell, wie jedesmal, wenn ich Sarah sah oder sie so etwas süßes sagte. "Ich auch. Na dann, schlaf schön."
"Du auch, bis morgen." , hörte ich noch ihre verschlafene Stimme, bevor ich auflegte und mit einem grinsen schließlich einschlief, mit dem Gedanken an den nächsten Tag, an dem ich Sarah endlich wieder sehen würde.


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