19.

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Kai

Auch wenn ich wusste, ich müsste Sarah bald wieder verlassen, da ich meinen Eltern versprochen hatte, sie heute noch zu besuchen, gab es nichts schöneres, als sie zu sehen. Wie sie da stand und gerade die Blumen, welche ich ihr gekauft hatte, in eine Vase stellte und dabei verträumt lächelte, ließ auch mich lächeln.
Ich wand meinen Blick wieder auf den Fernseher, als sie in meine Richtung kam, sich neben mir auf dem Sofa niederließ und sich an meine Schulter schmiegte. Sofort erfüllte mich erneut das Gefühl von purem Glück, als ich ihr den Arm um die Schulter legte und ihr einen Kuss auf ihre Stirn drückte.
Ich nahm die Fernbedienung ihres Fernsehers und zippte durch die Kanäle, während ich Sarahs gleichmäßiger Atmung lauschte und über ihre Haare streichelte. Ich blieb auf jedem Sender kurz hängen, um zu sehen, was gerade lief, als ich auf einem Sender, auf dem gerade Prominent lief, von einer Tatsache abgelenkt wurde. Es stand eine blonde, etwas ältere Moderatorin in dem Studium, doch auf dem Monitor im Hintergrund war ein Bild von mir.
Ich sah genau hin, völlig verwirrt, doch es war so. Sofort versteifte ich mich. Hinter der Frau war ein Bild von mir eingeblendet, wie ich im Deutschland Trikot am Trainieren bin.
Ich merkte, wie auch Sarah ihre Aufmerksamkeit auf den Bildschirm richtete und sich ein wenig verspannte, als die Moderatorin zu sprechen begann. "Fußball National Spieler Kai Havertz scheint eine neue Freundin zu haben. Doch wer diese Dame ist und woher Sie sie kennen, das sehen Sie gleich, nach der Werbung, hier bei Prominent."
Mein Herz klopfte, wie wild, als ich die Bedeutung dieser Worte verstand. Ich nahm meinen Arm von Sarahs Schulter und sah in ihr geschocktes und zugleich verwirrtes Gesicht. "Was war denn das?" , fragte sie in leiser Stimme und setzte sich kerzengerade neben mir auf. Woraufhin ich nur mit den Achseln zuckte, ich wusste es ja selber nicht. Natürlich gab es solche Sender, in denen der neuste Klatsch und Trat verbreitet wird, oftmals sogar falsche Neuigkeiten, dabei ging es meistens um Hollywoodstars. Aber diese Frau hatte gerade meinen Namen gesagt, meinen Namen, über mich und meine neue Freundin geredet und in diesem Fall war es ja sogar so, dass diese Nachricht, wie auch immer sie die bekommen hatten, wahr war. Sarah und ich waren jetzt ein Paar, wir hatten es bewusst nur unseren Familien gesagt, wobei ich noch nicht mal Zeit hatte, mit meinen Eltern zu reden, das wollte ich ja heute Abend. Meine Freunde vom Fußball, die ich in letzter Zeit gesehen hatte, wussten es. Meinen Kollegen von Leverkusen konnte ich es noch nicht einmal sagen, da ich im Moment nur Kontakt zu den Nationalspielern hatte. Julian wusste Bescheid, Joshua natürlich durch Sarah, wobei er mich heute vielsagend angegrinst und mir zu genickt hatte. Die anderen der Nationalmannschaft konnten sich es vielleicht irgendwann selbst zusammen reimen. Aber es war unsere Absicht und unser Willen gewesen, dass genau das, was wir hier im Fernseher gesehen haben nicht passiert, zumindest nicht, bevor es unsere Liebsten von uns erfahren.
"Hey, mach dir keine Sorgen, okay?" , hörte ich plötzlich Sarahs ruhige Stimme und ich spührte ihre weiche Hand an meiner Backe, die mich aus meinen Gedanken rissen. Ich sah sie verwirrt an, doch sie lächelte nur liebevoll, fast so, als wollte sie mich aufmuntern. "Ich soll mir keine Sorgen machen? Sarah, du hast es doch gerade gehört."
"Ja, habe ich. Diese Sender machen genau das, was sie immer machen, die neusten News verteielen, aber unsere Beziehung ist auf jeden Fall, kein Grund sich aufzuregen." , sagte sie, nahm ihre Hand von meiner Backe und sah mich mistrauisch an, da meine Stimme etwas zu aggressiv geraten war. Sofort fühlte ich mich schlecht. Sarah zeigte so viel Verständnis, versuchte mich sogar aufzumuntern und mich zu beruhigen und ich hatte so mit ihr geredet. Sie konnte schließlich überhaupt nichts dafür. Ich sollte der jenige sein, der sie in dieser Situation beruhigt, doch in mir brannte eine solche Wut. "Nein, aber das war nicht so geplant. Ich konnte es noch nicht einmal meinen Eltern sagen."
Sarah nickte nur verständnisvoll. Sie hatte mir vorgestern, bei unserem Telefonat, erzählt, wie das Treffen mit ihren Eltern war und wie sie reagiert hatten. Ich hatte mich natürlich gefreut, dass sie nicht komplett schlecht über mich sprachen und sich für ihre Tochter freuen konnten. Und ja, auch ich wollte es meiner Familie erzählen, bevor die Neuigkeit die Runde macht, doch dafür war es anscheinend zu spät, denn, wie auch immer, wusste jetzt diese Sendung davon, was dann demnächst auch bedeutete, viele mehr wussten ebenfalls davon. "Wir wollten es doch nur für uns genießen, bevor das alles komplett an die Öffentlichkeit kommt." , sagte ich und war mittlerweile einfach nur noch frustriert. Ich sah es schon wieder vor mir, die Nachrichten meiner Fans, ob die Gerüchte wahr waren, wie damals, als sie dachten, ich sei mit meiner Schwester zusammen, weil keiner wusste, dass sie meine Schwester war.
"Ja, ich weiß und natürlich wäre mir das auch lieber gewesen, aber vielleicht warten wir erstmal ab, okay? Wir schauen diesen Bericht kurz an und dann entscheiden wir, wie wir handeln."
Ich sagte nix, sondern nickte nur kurz und sah auf den Fernseher.
Plötzlich bemerkte ich, wie Sarah ihre Finger an mein Kinn legte und somit meinen Kopf in ihre Richtung drehte, sodass ich in ihre wunderschön, klaren Augen sehen musste. "Hey, das schaffen wir schon, schon vergessen?" , fragte sie und lächelte. Ich fasste es nicht, wie sie so ruhig bleiben konnte, doch es funktionierte. Ich entspannte mich. 
Ich nickte und versuchte ebenfalls ein Lächeln zu Stande zu bringen, doch als dieses nicht so wirklich funktionieren wollte, änderte ich die Taktik und drückte einfach meine Lippen auf ihre. Als hätten sie nie etwas anderes getan, bewegten sich unsere Lippen gleichmäßig und unser Kuss gewann an Leidenschaft. Ich legte all meinen Frust, all meine Wut und all das Verlangen, was ich für diese Frau empfand in unseren Kuss und legte beide Hände an ihre weichen Wangen und zog sie noch ein wenig näher zu mir.
"Willkommen zurück, zu Prominent." , hörte ich wieder die Stimme der Moderatorin, weshalb Sarah und ich unseren Kuss gleichzeitig mit Überwindung unterbrachen.
Es fühlte sich auf komische Weise so an, als würde ich in einem Gericht sitzen. Als würde ich gerade auf mein Urteil wartete, auf die Beweise, auf die Gründe, mich berklagt zu haben. Nicht, dass die Beziehung zu Sarah etwas schlimmes wäre, nein ich bin so glücklich, wie noch nie. Ich bin einfach angespannt und das merkte auch Sarah, weshalb sie ihre Hand mit meiner verschränkte und mit ihrem Daumen über meinen Handrücken streichelte, was wirklich irgendwie beruhigend wirkte.
"Der Fußballnationalspieler Kai Havertz soll frisch verliebt sein. So habe man ihn gestern zusammen mit seiner neuen Flamme, vor einer Wohnung, küssend gesehen." , sagte die Moderatorin, während plötzlich Bilder von Sarah und mir bei unserem heutigen Abschiedskuss und Umarmungen, die anscheinend von irgendsoeiner Papparazzi fotografiert wurde, eingeblendet werden. Sofort verspannte ich mich noch mehr. Waren wir hier etwa in Hollywood? Jetzt konnte man als Fußballspieler nicht mal mehr in München sein, ohne fotografiert zu werden? Was sollte das? Sowas sollte verboten sein. Jetzt kursierten auch noch Knutschbilder von Sarah und mir in der Öffentlichkeit, bevor ich es meinen Eltern sagen konnte.
Sarah hörte nicht auf, meinen Handrücken zu streicheln, was jetzt jedoch nicht mehr viel half, ich war viel zu wütend, um mich so schnell wieder zu beruhigen. Ich spührte ihren neugierigen Blick auf mir, sie sah wahrscheinlich, wie meine Kieferknochen arbeiteten, ich sah sie nicht an.
"Nach einem Insider handelt es sich bei dieser Frau-" , jetzt wurde ein Bild von Sarah eingeblendet, man erkannte ihr ganzes Gesicht, da sie ihren Kopf an meine Brust gelehnt hatte. "-um die Schwester des ebenfalls bei der Nationalmannschaft spielenden Joshua Kimmich, Sarah Kimmich."
Ich sah zu Sarah hinunter, die jetzt einfach nur auf unsere ineinander verschränkten Finger sah.
"Außerdem hatte Havertz in einem Interview ähnlichen Spiel des Dfbs zugegeben, Sarah Kimmich sei die schönste Frau, die er kenne, woraufhin Julian Brandt, sein bester Freund, erklärte, sie seien alle gute Freunde und hätten die letzte Zeit zusammen abgehangen. Laut diesen Bildern zu Folge muss da jedoch mehr sein." , sagte die Moderatorin und schmunzelte in die Kamera. "Ähnlich geht es auch bei den Kardashians zu, denn in der großen, glamorösen Familie scheint es-" , sprach sie weiter, doch Sarah hatte den Fernseher schon abgestellt.
"Und, was sagst du?" , fragte sie mich, doch ich hatte keine Antwort darauf. Ich war sprachlos, wusste nicht mal, was ich dachte. War ich froh darüber, dass sie den Bericht einfach kurz und knackig gehalten hatten? Vielleicht würde ihn ja auch nicht so viele Leute lesen oder hören. Oder sollte ich einfach nur sauer oder genervt sein, da sie Bilder von Sarah gemacht hatten und auch noch ihren Namen erwähnt hatten? Diese Idee schien mir plausibler, doch ich konnte nicht schon wieder so ausrasten. Also zuckte ich nur mit den Schultern und sah sie fragend an, um ihr dieselbe Frage zu stellen. "Weiß nicht, könnte schlimmer sein." , sagte sie, aber ich merkte, dass ihr es eigentlich auch nicht so gut gefiel.
"Deswegen musste ich mich entschuldigen." , sagte ich und sah auf unsere Finger, die glücklicherweise noch verschränkt waren. "Für was?" , fragte Sarah.
"Weil ich das in dem Video gesagt habe und du jetzt sogar vor deiner Wohnung fotografiert wurdest. Es ist fast, als wären in Hollywood." , sagte ich, redete immer schneller und versuchte irgendwie, die richtigen Worte zu finden.
"Hey, ist schon okay." Sarah wollte gerade ihre kleine Hand wieder an meine Wange legen, doch ich unterbrach sie, weshalb sie ihre Hand zurückzog. "Nein, es ist nicht okay. Du wurdest vor deiner Wohnung fotografiert. Überleg mal, vielleicht haben die da jetzt immer noch Kameras stehen, du kannst nirgendsmehr-" , versuchte ich zu erklären, doch diesmal war es Sarah, die mich unterbrach. "Hey, hey. Jetzt mal ganz langsam. Klar, war es nicht so cool, die Bilder jetzt zu sehen, aber das ändert trotzdem rein gar nichts. Mir war klar, dass ich in der Öffentlichkeit stehen würde, wenn ich mit dir zusammen bin. Mir ist es das aber alles Wert, so lange ich nur dich an meiner Seite habe." , sagte sie und sah mich durchdringlich an.
"Aber-" , wollte ich sagen, doch sie unterbrach mich. "Nichts, aber!" , flüsterte sie nur Zentimeter von meinem Gesicht entfernt, bevor sie mir einen Kuss auf die Lippen drückte.
"Das schaffen wir schon, wie oft denn noch?" , sagte sie nach unserem Kuss mit einem hellen Lächeln auf den Lippen, was auch mich die ganzen Probleme vergessen ließ, weshalb ich Sarah nochmals einen leidenschaftlichen Kuss gab.
Sie hatte ja Recht, wir schafften das schon. Ich würde heute Abend als nächstes mit meinen Eltern reden und dann konnte mir ja egal sein, wer alles von unserer Beziehung wusste. Ehrlich gesagt, konnte ich es kaum erwarten, diese Frau auch in der Öffentlichkeit an meiner Seite zu haben.

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