12.

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Kai

„Oh, Kai, du bist au so witzig." , tönte mir die penetrante Stimme der Blondine in mein Ohr. Ihren Namen wusste ich schon nicht mehr, vielleicht irgendwas mit Jenny oder Jennifer. Auch an den Namen der anderen Blondine, welche gerade Jule voll quatschte konnte ich mich nicht erinnern.
Ich lächelte leicht, solangsam ließ meine Höflichkeit nach. Mein Blick suchte wieder meinen Caipirinha, doch alles, was ich sah war die mittlerweile verlassene Couch. Wo war Sarah nur hin? Und warum hatte ich es nicht bemerkt?
Ich bekam das Gefühl, ihr hinterher zu gehen, sie zu suchen und zu sehen, ob alles in Ordnung war, aber vielleicht wollte sie gar nicht gefunden werden. Wer weiß, vielleicht hat sie ja schon eine neue Unterhaltung gefunden und war nur deswegen gegangen.
Ich versuchte meine Ohren auf den Laut pochenden Bass zukonzentrieren und die laute piepsige Stimme zu ignorieren. Dann sah ich zu Julian, in der Hoffnung, Blickkontakt mit ihm aufbauen zu können, um ihm anzudeuten, dass ich keine Lust mehr auf diese zwei Frauen hatte, doch irgendwie war er allen Ernstes mit dieser Blondine am reden. Wie ging das überhaupt? Mit der Frau, ich glaube sie hieß wirklich Jenny, die mir immer noch das Ohr voll quatschte, konnte ich gar nicht reden. Allein ihre Stimme zog bei mir alle Stecker und das nicht auf die gute Weise.
„Kai-" , sagte Jenny langgezogen zu mir. „Ich müsste mal auf die Toilette."
Ich sah sie mit einem Stirnrunzeln an. „Okay." , sagte ich und mein Blick wanderte durch den Club. Unterbewusst hielt ich einfach nur Ausschau nach diesem einem Gesicht, rote Backen, schöne blonde Haare, nicht so wie die von Jenny, nein, ein schönes goldenes Blond, und nicht zu vergessen ihre blauen Augen, in die ich gerade so gern sehen würde.
Ich hatte die Hoffnung, Jenny würde mich jetzt in Ruhe lassen, da sie auf die Toilette musste, doch sie tat mir nicht den Gefallen. „Möchtest du mir nicht Gesellschaft leisten?" , fragte sie und klimperte mit ihren aufgeklebten, dunklen Wimpern.
Ich sah sie entgeistert an. War das ihr Ernst? Hatte ich ihr irgendwie falsche Zeichen geschickt? „Äh, ne du. Lass mal." , sagte ich nur, jetzt sogar leicht amüsiert.
„Okay." , entgegenete sie beleidigt und angewidert, als fände sie meine Reaktion widerlich, bevor sie sich an ihre Freundin wand. „Komm, Melissa, wir gehen!"
Und wie auf Kommando standen die beiden auf und watschelten davon, ohne auch nur ein weiteres Wort an uns.
Ich sah zu Julian, welcher mich nur fragend ansah. Ich hatte aber keine Lust, noch weiter über diese Mädels zu reden, weshalb ich einfach nur den Kopf schüttelte.

Immer wieder dachte ich, alles, was ich machen wollte, war Sarah zu suchen. Und jetzt sitze ich hier und lasse mich wieder belabern.
Ich hatte gerade aufstehen wollen, als dieser Mann vor uns gestanden hatte. Ich hatte gerade Sarah suchen wollen, vielleicht hätte ich sie mittlerweile schon gefunden und wir könnten uns endlich zusammen amüsieren, doch jetzt saß ich hier, gegenüber von Julian, der sich gerade erregt mit dem Mann, der sich als Talentscout entpuppt hat, unterhielt.
Eigentlich sollte ich für diesen Mann ein wenig mehr Aufmerksamkeit übrig haben, doch meine Gedanken kreisten nur um Sarah, die hoffentlich immer noch hier war. Ich wusste nicht, was mir lieber war, sollte sie hier irgendwo alleine rum irren, oder wollte ich, dass sie jemanden zum reden hatte. Blöderweise bestand dabei die Gefahr, dass sie sich mit einem Mann unterhielt oder vielleicht noch schlimmeres mit einem Trieb.
„Oder Kai?" Julians Stimme riß mich aus meinen Sorgen heraus und ich sah auf. Der Mann, der sich uns zuvor als Hans vorgestellt hatte, sah mich erwartungsvoll an. „Was? Sorry."
„Ich habe gerade nur erzählt, dass du in Aachen gespielt hast, Anfangs."
„Achso, ja. Seit meiner Kindheit in Aachen und dann seitdem in Leverkusen." , sagte ich kurz und sah mich mal wieder in dem überfüllten Club um.
Ich ließ das Gespräch zwischen Julian und dem Talentscout über mich ergehen, trank meinen Caipirinha leer, bestellte einen weiteren, ohne mich wirklich einbringen zu wollen, geschweige denn wirklich bei der Sache zu sein. Ich verstand nicht, wie Julian jetzt allen Ernstens mit diesem Mann reden konnte, ohne auch nur an Sarah zu denken. Ja, auch ich hatte sie zwischendurch kurz vergessen, wofür ich mir gegen den Kopf schlagen könnte und ich fühlte mich ja auch schlecht. Aber auch nur, weil mich Jenny in Beschlag genommen hatte. Nicht, dass das an ihrem Aussehen lag, ich fand sie viel zu unnatürlich, einfach ihre Art war zu penetrant, als dass ich irgendetwas anderes währenddessen sehen oder hören konnte. Aber von Julian hatte ich trotzdem etwas anderes erwartet. Sagte er nicht von sich, Sarah sei seine beste Freundin?
An der ersten geeingneten Stelle, an der dieser komische Talentscout, von dem ich nicht wirklich begeistert war, eine Pause machte, stand ich auf. Ich bemerkte erstmals den Alkohol in meinen Beinen, welcher es schwieriger machte, auf ihnen das Gleichgewicht zu halten. Hatte ich wirklich so viel getrunken?
"Kai?" , hörte ich Julian, während ich mich erneut in dem Club umsah und mir überlegte, in welchem Bereich ich als erstes nach Sarah suchen sollte.
Ich antwortete Jule nicht, sondern lief als erstes zur Bar. Suchte nach blonden Haaren und einem roten Kleid, welches sich super um ihren Körper schlang und ihre Kurven deutlich zum Vorschein brachte. Ich erinnerte mich, wie ich erstmal schlucken musste, als ich sie gesehen hatte. Sofort durchfuhr mich Panik und Angst. Ich konnte sie nirgends sehen. Was, wenn jemand anderes ebenfalls der Annahme war, dass Sarah super aussah, was nun wirklich nicht abwiegig war.
Wie wild lief ich durch den Club, von der Bar über die Tanzfläche, zum hinteren Teil und schließlich wieder zurück zur Bar. Julian rief immer wieder meinen Namen, was mich nervte. Ich war genervt von ihm und vor allem genervt von mir selbst. Wieso war ich nicht früher nach ihr suchen gegangen? Wieso war ich dahinten sitzen geblieben, in der Zeit, die ich mit Sarah hätte verbringen können, ihr Lachen hätte hören können, ihr Gesicht hätte sehen können.
Als ich wieder bei der Bar war, bestellte ich schnell einen Vodka, welchen ich mit ein paar schnellen Schlücken in mich leerte. Doch der Alkohol hatte nicht die gewünschte Wirkung, ich machte mir immer noch so große Sorgen. Wo war sie nur, verdammt?
"Kai, hey! Jetzt rede mal mit mir." Julian stellte sich neben mich an die Bar, doch ich sah ihn nicht an. Mein Blick wanderte immer noch über die vielen Leute, auch wenn es hoffnungslos war, Sarah zwischen diesen Leuten zu erkennen, ich versuchte es, ich wollte es wirklich.
"Sarah." , war alles, was ich sagte. Jetzt musste er doch wirklich verstehen, warum ich so aufgebracht war. Auch, wenn er sie so lange vergessen hatte, jetzt musste er mich doch verstehen.
Ich sah meinen besten Freund an, der sich gegen den Kopf schlug und nur ein lautloses "Oh" mit den Lippen formte.
Ich bestellte einen erneuten Shot, um das Verlangen, den Club außeinander zu nehmen, zu stillen, doch so wirklich half das auch nicht. "Okay, du schaust in die Richtung, ich suche dort hinten." , sagte Jule und ging auch schon in die, ihm vorgesehene Richtung. Ich tat es ihm gleich. Auch wenn in mir ein Feuer herrschte, ich konnte jetzt keinen Streit mit ihm anfangen, ich wollte einfach nur Sarah wieder finden, ihre blauen Augen vor mir sehen und am liebsten ihre weiche und warme Haut spühren.
Ich durchforstete jede Ecke des Clubs. Mir waren die vielen Augen, die mich fragend ansahen, komplett egal. Mich steuerte einfach nur die Angst um Sarah, die Eifersucht, sie könnte jemanden anderes haben und die Wut auf mich selber.
Nachdem ich sie immer noch nicht gefunden hatte, war ich kurz davor, aufzugeben, als ich das Blinklicht sah, dass eine Toilette anzeigte. Sofort durchfuhr mich die Hoffnung, sie hier zu finden, aber gleichzeitig auch die Angst, wie ich sie auffinden könnte.
Ich trat in den dunklen Flur und lief schnellen Schrittens nach hinten, als ich plötzlich zwei Gestalten sah. Ich beschleunigte meinen Schritt, als ich ein rotes Kleid und goldblonde Haare erkannte.
Automatisch rief ich ihren Namen, erst leise, dann immer lauter, als ich erkannte, dass ein Mann bei ihr war.
Ich wusste nicht, ob sie es wirklich war, doch ich rief ihren Namen immer wieder, wartete, bis sie mich hörte, während ich auf sie zu kam.
Als die Frau endlich ihren Blick zu mir wandte, erkannte ich endlich das wunderschöne Gesicht von Sarah. Ja, das war sie und es ging ihr gut! Ich beschleunigte meinen Schritt, während ich sie bereits fragte, ob alles in Ordnung sei und warum sie weg gegangen war. Mein Herz schmerzte, als sich ihr Gesicht von überrascht zu genervt wandelte.
Ich wandte meinen Blick nicht von dem ihren, als hätte ich Angst, ich würde ihr Gesicht gleich nicht mehr sehen. Ich wiederholte mich, wieder und wieder. Fragte wer dieser Mann sei, der da neben ihr stand, was los war, doch sie antwortete nicht, was das Feuer in mir erneut vor Wut auflodern ließ.
Ich legte meine Hände auf ihre Schultern, in der Hoffnung, sie würde mir so die Antworten liefern, dich ich so dringend hören musste.
Plötzlich hörte ich eine fremde Stimme, die sich als die, des Mannes neben uns entpuppte. "Sarah? Kennst du diesen Mann?"
War das sein Ernst? Kannte er sie überhaupt? Kannte er die Sarah, die ich kannte? Meine Sarah?
Ohne meine Kontrolle trat ich einen Schritt auf ihn zu und schrie ihn an. "Was willst du denn jetzt? Natürlich kennt sie mich!" Die Wut kochte in mir auf, als wäre der Alkohol, den ich, nur so kurz zuvor, zu mir genommen hatte, kein Löschwasser, sondern Benzin, der das Feuer in mir nur noch verschlimmerte. 
Im nächsten Moment spührte ich einen leichten Druck auf meiner Brust, nichts im Vergleich zu dem Feuer, das in mir wütete. Ich sah herunter und erkannte, dass Sarah ihre kleine, zirrliche Hand auf meine Brust gelegt hatte. "Hey, beruhig dich doch mal bitte!" , sagte sie, doch ihre dünne Stimme klang wie unter Wasser, als wäre sie garnicht wirklich hier, direkt vor mir. 
"Wer ist das, Sarah?" , schrie ich sie an und im nächsten Moment bereute ich es.
"Geht dich gar nichts an!" , schrie sie zurück. Jetzt verstand ich sie auch wirklich, als hätte sie das Wasser zwischen uns bekämpft.
Jetzt musste ich auch nicht mehr ganz so schreien, sie hörte mich also ganz sicher.
"Geht mich sehr wohl was an!" Ich versuchte meine Stimme ruhig zu halten, doch sie geriet schon wieder lauter, als nötig. Die Worte kamen aus mir heraus, als würde ich nicht über sie nachdenken. Es war, als würde mein brennendes Herz sprechen, ohne es mit meinem Gehirn abzklären. Ich sah sie durchdringend an, während ich meine Hände auf ihre Schultern legte. "Wer ist das?" , fragte ich erneut, diesmal tatsächlich ruhiger.
"Wieso interessiert dich das?" Hier war sie, die Frage auf die ich keine Antwort hatte. Ich verfluchte mein Herz, so Gedankenlos gesprochen zu haben und versuchte das Brennen, der Wut, die mich innerlich zerfraß, zu unterdrücken. "Weil..." , begann ich, ohne, dass der Rest des Satzes auch nur gebildet war.
"Was, Kai? Du kannst mich nicht eine Stunde einfach links liegen lassen und jetzt so sein! Was ist eigentlich dein Problem?" Jetzt war es Sarah, die mich anschrie.
Noch bevor ich mir eine angemessene Antwort überlegt hatte, bemerkte ich, wie Sarah ihre Aufmerksamkeit auf etwas anderes stellte. Sie sah sich um, als würde sie jemanden suchen. Ich folgte ihrem Blick und erkannte, wie Julian auf uns zu lief. Oh, den hatte ich ganz vergessen.
"Sarah? Was ist los?" , fragte er viel zu leise, während er auf uns zu kam.
"Nichts." , hörte ich Sarahs Stimme, ebenfalls viel zu leise. Es fühlte sich an, als würde das Wasser wieder zwischen uns kommen, als würde ich sinken. Ich sank in ein großes Meer aus Wut und Frust, während Julian und Sarah an der Oberfläche blieben. Ich spührte, wie mich die Wut überkam, als ich die Bedeutung dieses Gefühls verstand. Julian half Sarah, er rettete sie, während ich vergessen werde und einfach ertrinke. Und warum wurde ich vergessen? Weil ich so ein Arsch gewesen bin und die Frau, für die ich, wie für keinen anderen empfand, angeschrien hatte. Ich war doch normalerweise nicht so, oder? Wieso benahm ich mich heute, an dem Tag, den ich mir so schön mit Sarah vorgestellt hatte, wie der größte Arsch?
Viel zu spät, bemerkte ich, dass ich Sarah die ganze Zeit angesehen hatte, während ich mich über mich selber aufgeregt hatte. Mein Gesicht hatte wahrscheinlich nicht gerade freundlich ausgesehen.
Sie wandte sich an Julian und sagte ihm irgendetwas, was ich nicht verstand, zog ihn am Arm und lief schnellen Schrittens Richtung Ausgang.
Ohne darüber nach zu denken, folgte ich den beiden. Ich wusste nicht, was sie machen wollten, geschweige denn, ob Sarah mich überhaupt sehen wollte. Alles, was ich wusste war, ich musste mich entschuldigen und das nicht nur für eine Sache, die ich an diesem Abend falsch gemacht hatte.


Einbisschen spät, aber lieber spät, als nie :)
Schaut am Freitag wieder vorbei, mal sehen, wie Sarah und Kai nach dieser turbolenten Nacht mit einander umgehen und was sie als nächstes machen.


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