11.

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Sarah

Als wir endlich an die frische Luft kamen, atmete ich dreimal tief durch. Ich lehnte mich an die kühle Wand des Clubs, aus dem wir gerade herausgekommen waren.
Julian stellte sich mir gegenüber, die Arme verschränkt, während Kai sich mit den Armen an die Clubwand neben mich stemmte. Ich sah kurz zu ihm und war gebannt von seinen arbeitenden Wangenknochen, welche ganz deutlich zu sehen waren, als hätte er seinen ganzen Kiefer angespannt, was ich gerade gefährlich attraktiv fand. Ich ermahnte mich, schnell weg zu sehen. Als ich wieder zu Julian sah, begann dieser leise zu sprechen. "Könntet ihr mir mal bitte erzählen, was passiert ist? Es sah aus, als würdet ihr euch anschreien."
Es war gut, dass Julian nüchtern war. Wir brauchten jetzt jemanden, der klar denken konnte, denn weder ich, noch Kai waren dazu noch im Stande.
Kai sprach als erstes, seine Stimme kein bisschen weniger aggressiv, als zuvor im Club. "Sarah hat gedacht, sie kann einfach abhauen und mit irgendeinem anderen rum machen."
Eine erneute Welle der Wut durchfuhr meinen ganzen Körper. Was glaubte er eigentlich, wer er war? "Was? Ist das dein Ernst?" Meine Stimme schoß ohne meine Kontrolle in die Höhe, weshalb Juli auch sofort wieder einschritt. "Okay, Leute. Ich glaube ihr habt beide genug für heute. Kommt wir laufen zum Auto."
"Nein! Ich kann nicht mehr laufen." , sagte ich und glitt dabei an der Mauer des Clubs langsam herunter, bis ich auf dem kühlen Gehweg saß. Automatisch schlossen sich meine Augen. Der viele Alkohol trübte nicht nur mein Wahrnehmenungsvermögen, meine sprachlichen Fähigkeiten, sondern rief auch noch eine rießige Müdigkeit in mir hervor. Nur schwach bekam ich mit, wie Kai und Julian darüber redeten, wie sie mich am schlausten zum Auto brachten. "Du musst laufen, Sarah." , sagte Kai leicht genervt. Soll er mir doch gestohlen bleiben.
"Oder einer von uns muss dich tragen." , sagte Julian ruhig, so ruhig, als würde er mit einem Kleinkind sprechen. Er wäre ein wirklich guter Vater. Warte, was? Jetzt machten sich meine Gedanken auch noch selbstständig. Ich war echt durch für heute. "Nein, müsst ihr nicht. Bin doch zu schwer." , brachte ich mühevoll hervor.
"Vergiss es, ich hol schnell das Auto hier her." , sagte Julian und drehte sich schon um, als er mich und Kai nochmals prüfend an sah. "Ihr zwei seit anständig, okay? Keine Streitereien!" , sagte er nur, während er auch schon schnellen Schrittens weg lief.
Ich schloss meine Augen wieder. Wie konnte Juli mich jetzt mit Kai alleine lassen? Ich war doch sauer auf ihn.
Ich hörte, wie Kai sich neben mich niederließ, so, dass nur wenige Zentimeter zwischen uns waren.
"Was hast du dir nur dabei gedacht?" , fragte er nach einer Weile, jetzt endlich mit ruhiger Stimme.
"Wobei?" , fragte ich nur grimmig, immer noch die Augen zu. Ich wollte ihn jetzt nicht sehen, wollte nicht in seine perfekten grünen Augen sehen.
"Einfach mit diesem Fremden rumzumachen."
Jetzt öffnete ich meine Augen und sah, wie er angewidert das Gesicht verzog, was mir irgendwie ein komisches Gefühl verpasste.
"Ich hab doch gar nicht mit ihm rumgemacht." , sagte ich, da ich aus unerklärlichen Gründen, das Gefühl hatte, ich müsste mich verteidigen.
Kai blieb still. Vielleicht hat er mich angesehen, doch ich hatte meine erschöpften Augen wieder geschlossen. Es drehte sich zwar alles und mein Kopf pulsierte, doch das machte es irgendwie trotzdem leichter.
"Ich hab mich mit ihm unterhalten, weil ihr ja beschäftigt wart." , sagte ich jetzt angewidert, denn das, was sie da veranstaltet haben, war wirklich widerlich.
"Was?" , fragte Kai, weshalb ich ihn jetzt ansah. "Na, mit diesen zwei Barbies." Ich konnte seinem Blick nicht lange standhalten. Ich war noch zu wütend, doch mit jeder Sekunde, die ich ihn ansah, merkte ich, wie egal es mir wurde, jetzt war ich ja hier alleine mit ihm.
"Achso, ne mit denen haben wir nur kurz geredet. Die wollten noch ewig bleiben, aber die waren echt nicht so. Irgendwie hatten die was mit einem Talentscout und der hat sich dann noch zu uns gesetzt."
Jetzt sah ich Kai an, der meinen Blick mit einem unsicheren Lächeln erwidert. "Achso." , sagte ich bloß. War das die Wahrheit? Haben Kai und Julian wirklich die ganze Zeit mit einem Talentscout geredet? Und wenn es so war, konnte ich ihnen dann verzeihen, dass sie mich links liegen gelassen hatten? Ihnen muss ja wohl trotzdem aufgefallen sein, dass ich gegangen bin, oder nicht?
"Dann ist er wieder gegangen und wir haben dich gesucht."
"Wann hast du dann den ganzen Alkohol getrunken?" Darauf antwortete Kai nicht dirket. „Ich bin nicht immer voll, wenn wir feiern gehen. Ich trinke nur in Stress- und Angstsituationen so viel."
Ich sah zu ihm hoch. "Was war das für eine Situation?"
"Als wir dich gesucht haben." , sagte er nur und sah in die Ferne.
Oh. Das änderte die Sache natürlich.
"Ich hab dich nicht gefunden und mir die schlimmsten Sachen ausgemalt und dann hatte ich angst. Also griff ich zum Alkohol."
Ich sah auf meine Hände. Das war mir jetzt peinlich. Kai hatte Angst um mich gehabt. Eigentlich sollte mich das freuen, doch ich hatte einfach nur solche Schuldgefühle.
"Und während diese anderen zwei da waren. Da brauchte ich auch Alkohol, um das aus zuhalten." , sagte er und schmunzelte leicht, was auch ich tat. Irgendwie gab mir diese Aussage ein Gefühl von Bestätigung. Kai hatte sie anscheinend auch nicht gemocht.
"Als ich dich dann mit diesem Kerl gesehen habe, sind mir einfach die Bänder gerissen."
"Aber warum? Er hat doch gar nichts gemacht. Er ist nur der Barkeeper."
"Er hätte auch nicht nur der Barkeeper sein können. Du weißt nicht wie viele Leute in diesem Club ekelhafte Gedanken haben." , sagte er und schüttelte den Kopf.
"Da war nichts." , sagte ich erneut und sah Kai durchdringend in die Augen. Ich wusste nicht warum, aber mir war wichtig, dass er das wusste.
Kai nickte und lächelte, dann rutschte er ein wenig zu mir und legte mir einen Arm um die Schultern, was mich dazu veranlasste, meinen Kopf auf seine Schulter zu legen. Automatisch schloss ich wieder die Augen und genoss diesen Moment einfach nur. Ich war erfüllt mit Wärme und mein Herz schlug wie wild. Auch wenn Kai überreagiert hatte, als er mich und Luca gesehen hatte, hat er ja recht. Man weiß nie, was für Leute dadrinnen rumlaufen. Er hatte einfach nur angst um mich gehabt und je mehr ich darüber nachdachte, umso süßer fand ich es. Ich versuchte zu vergessen, wie er mich angeschrien hatte, wie aggressiv er gewesen war, wie ich eine solche Eifersucht empfunden hatte, während er weg war, wie ich alleine durch den Club geloffen war und wie ich ihn gehasst hatte, nur so wenige Minuten vor unserem Gespräch. Alles, was ich wollte, war diesen Moment zu genießen. Und es war mir irgendwie egal, dass ich und er zu viel Alkohol getrunken hatten, keine Kontrolle über unsere Worte und Taten hatten. Ich lag hier in Kais Arm und das war, was zählte.
Kai lehnte seinen Kopf an meinen und streichelte mit seinem Daumen über meine Schulter. "Ich bin froh, dass da nichts war." , sagte er plötzlich in die Stille hinein, seine Stimme so beruhigend und sanft, wie ein Schlaflied für Kinder.
„Ich auch." , antwortete ich, woraufhin er mich ein bisschen drückte.
Und als ich hier, Arm in Arm mit Kai, in der kalten Nacht, die trotzdem irgendwie warm auf mich wirkte, saß, wurde mir klar, dass es die völlige Wahrheit war.
Ich bin froh, dass zwischen mir und Luca nichts passiert ist. Ich könnte ihn niemals so mögen, wie ich Kai mochte. Nein, ich würde Luca niemals lieben könnte.
Aber, dass ich das bei Kai tat, das war mir jetzt auch klar. 


Hey, Leute!
Ich wollte mich nur kurz bei denen bedanken, die hier, bei meiner ersten richtigen Geschichte, dabei sind und ich hoffe natürlich, dass ihr noch dabei bleibt und weiterhin mit fiebert.
Wer weiß, vielleicht kommen sich Sarah und Kai ja demnächst noch näher.
Lasst euch überraschen, bis zum nächsten mal!  :)

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