Teil 28: Früher

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"Ich sehne mich nach der Zeit zurück in der einfach alles glatt gelaufen ist und man nicht ständig irgendwelche Probleme beheben musste..."

Mitfühlend sehe ich ihn an, denn momentan kann ich genau nachempfinden, was er damit meint.

"Ich verstehe genau was du meinst", sage ich sanft zu ihm und versuche mit einem herum liegenden Stofftuch die Ölflecken von seiner Latzhose zu reiben.

Er lächelt mich dabei liebevoll an und eine ganze Weile herrscht Stille zwischen uns, bis er wieder die Stimme erhebt.

"Warum musstest du nur so schnell erwachsen werden?" seufzt er und mir entweicht ein widersprechendes Grunzen.

"Paps, ich glaube nicht, dass ich die letzten Tage besonders erwachsen war. Eher habe ich bewiesen, dass ich naiver als eine dreizehnjährige Göre bin..."

Wütend über mich selber, nehme ich den Lappen und werfe ihn mit voller Wucht in einen Mülleimer. Paps sieht mir lächelnd dabei zu. Dann sagt er:

"Ich sehe tatsächlich ein paar Parallelen."

Er knufft mir dabei liebevoll in die Seite und ich quietsche laut auf.

"Heee", beschwere ich mich lachend und setze dann einen Schmollmund auf.

Ich hätte von ihm erwartet, dass er mir widerspricht um mich aufzubauen und keine blöden Witze macht.

"Reiß' die Wunde doch noch weiter auf", sage ich sarkastisch und das Lächeln meines Vaters wird tiefer.

"Der kleine Spaß musste sein, Liebes."

Er zwinkert mir liebevoll zu und nimmt dann meine Hände in seine.

"Aber jetzt mal ehrlich, früher hättest du nicht einmal fünf Minuten von dem Ganzen was du erzählst ausgehalten. Du wärst sofort weinend zu deiner Mutter gerannt, hättest dich unter ihrem Rock versteckt und ihr gesagt, dass sie sofort wieder alles gut machen soll."

Er schaut in Erinnerung schwellgend zu Boden, während in mir alle Gefühle der letzten zwei Wochen anfangen zu brodeln und drohen wieder an die Oberfläche durch zu brechen.

"Du willst lieber nicht wissen, wie viel ich in letzter Zeit geweint habe..."

Seine Augen schauen erschrocken auf.

"Wirklich Liebes?"

Trauer füllt seine Augen und führt dazu, dass sich ein Kloß in meinem Hals bildet, den ich mit aller Gewalt versuche weg zu schlucken.

"Und trotzdem wirkst du so stark und willst alles alleine in den Griff bekommen. Das ist wirklich bewundernswert und aus meiner Sicht sowas von erwachsen."

Er drückt meine Hände noch viel fester und auf einmal machen all meine schlechten Gefühle Platz für etwas anderes. Stolz. Mein Vater ist doch tatsächlich stolz auf mich.

"Danke Paps", sage ich mit zittriger Stimme und im selben Moment nimmt er mich in seine Arme und drückt mich kräftig.

Nach dem gestrigen Gespräch hätte ich niemals gedacht, dass wir uns heute so innig in den Armen liegen.

Plötzlich ertönt ein lautes Krachen hinter uns, gefolgt von einem Wimmern und wir drehen uns erschrocken um.
Was zur Hölle war das?

"Oh nein. JIMMY!" brüllt mein Vater auf einmal wütend.

"Ich habe dir doch schon tausendmal gesagt, dass du nicht auf das Vordach klettern sollst."

Er düst in Windeseile aus der Garage und ich eile so schnell ich kann hinterher. Ein paar Schritte weiter sehe ich wie Jimmy mit einem Fuß durch das alte Vordach gebrochen ist. Paps scheint es immer noch nicht geschafft zu haben, dass morsche Ding zu reparieren.

Bitter Sweet LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt