Kapitel 11b

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„Mir ist so langweilig. Den ganzen Tag bin ich in meinem Zimmer. Da dachte ich mir, ich könnte mehr über Evrem lernen oder etwas Unterhaltsames lesen", bettele ich wenig später Beynon an. Sein Blick ist misstrauisch, zu Recht denke ich mir, lasse es mir aber nichts anmerken. „Was soll ich schon in einem Raum voll Büchern anstellen? Wenn du willst, können deine Gorillas mich beobachten. Das tun sie sowieso schon immer", versuche ich die Sache herunterzuspielen. Ich höre wie die beiden Wachmänner genervt schnauben, als ich sie Gorillas nenne, aber es ist mir in dem Moment einfach herausgerutscht. Beynon überlegt und schaut mir tief in die Augen. Kurz räuspert er sich.

„Also ich denke es sollte kein Problem sein, aber ich muss erst mit meinem Vater sprechen", sagt er nachdenklich mit einem musternden Blick. Er versucht den Hintergedanken zu entdecken, doch ich schenke ihm ein bezauberndes Lächeln.

„Danke dir", jubele ich euphorisch, um ihm zu zeigen, wie wichtig mir die Sache ist. Tatsächlich legt sich ein Lächeln auf sein strenges Gesicht. Schnell verlasse ich den Raum, der sich als Beynons Arbeitszimmer herausstellte. Beladen mit Büchern, Aufzeichnungen und Stapel von Papieren. Die Wachmänner haben mich hierher gebracht, nachdem ich sie bat mich mit Beynon sprechen zu lassen. Überrascht, dass sie mich tatsächlich zu ihm brachten, merke ich mir den Weg. Ein guter Ort um Informationen aufzubewahren.

Zurück im Zimmer berichte ich Kian leise von meinem Plan. Der jedoch zu Beginn alles andere als begeistert ist. Zu gefährlich seiner Meinung nach. Aber auch er muss eingestehen, dass wir keine Wahl haben. Unsere Möglichkeiten sind begrenzt. Als nächstes beraten wir uns, wie wir an Caspians Aufzeichnung kommen könnten. Doch uns fällt nichts ein. Zumal wir nicht einmal sicher sagen können, ob es noch in der Zelle ist oder schon von den Männern Evrems gefunden wurde.

Zum Mittagessen holt mich Beynon wieder persönlich ab. Aufgeregt laufe ich neben ihm her, da er mir noch keine Antwort wegen der Bibliothek gegeben hat. Als wir eine weitere Treppe nach unten gehen, verfliegt der Gedanke.

„Wo gehen wir hin?" Mir fällt sofort auf, dass wir nicht zum normalen Essenssaal laufen.

„Mittagessen", sagt er belustigt, doch ich sehe ihm an, dass er mit mir spielt. Wir bleiben vor einer weißen Türe mit goldener Verzierung stehen. Mit einem breiten Lächeln öffnet er die Türe und zum Vorschein kommt ein mittelgroßer Raum. In der Mitte steht ein runder gedeckter Tisch. Kerzen brennen auf ihm und ein paar goldene Dekorelemente verleihen dem Ganzen eine edle Note. Schönes Porzellan ist gedeckt, mit goldenem Besteck. Das Licht ist gedämmt und ich vernehme leise Musik im Hintergrund.

„Essen wir heute nicht mit meiner Mutter?", frage ich verwirrt, da ich nicht weiß, was ich sagen soll. Ganz offensichtlich hat Beynon ein romantisches Essen geplant.

„Nein, sie sind noch am Hafen und kommen nicht bis heute Abend zurück." Ich sehe ihm an, dass er etwas enttäuscht über meine Frage ist.

„Das sieht wirklich schön aus", sage ich schnell und sein Lächeln kommt zurück. Auch das Funkeln in seinen eisblauen Augen findet wieder seinen Platz. Er zieht den Stuhl zurück und ich lasse mich auf ihn nieder. Schon im nächsten Moment tischt uns ein Bediensteter eine Suppe auf, gefolgt von dem köstlichsten Hähnchen mit Rosmarinkartoffeln und einem Schokomouse zum Schluss. Ich lasse mir jeden Löffel der köstlichen Schokolade schmecken.

„Schmeckt es dir?" Beynon betrachtet mich mit einem glänzen in den Augen. Er muss mich schon länger beobachten.

„Ja, sehr gut. Ich liebe Schokolade", verkünde ich ehrlich. Ich fühle mich an den Abend des Balles zurückerinnert, aber verdränge den Gedanken schnell wieder. Gerade als ich den letzten Löffel nehme, setzt Beynon an etwas zu sagen, als die Türe plötzlich aufgerissen wird. Erschrocken drehen wir uns zu der Türe und mir entweicht sogar ein kleiner Schreckensschrei.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Où les histoires vivent. Découvrez maintenant