Kapitel 10c

1.2K 106 27
                                    

Eine Weile streifen wir durch die Massen, betrachten die verschiedenen Spektakel und die fröhlichen Menschen. Inzwischen ist die Sonne am Horizont verschwunden und die bunten Lichter strahlen noch heller durch die Lüfte. Überall funkelt und blitzen andere Farben. Erschöpft lassen wir uns auf eine Bank fallen und ich löse meine Hand aus seiner. Mittlerweile stört es mich nicht mehr sie zu halten, denn in dem Trubel befürchte ich tatsächlich verloren zu gehen. Nicht, dass ich etwas dagegen habe, aber das würde Beynons Regel brechen und das will ich nicht. Denn um ehrlich zu sein genieße ich die Zeit auf dem Rummel.

„Hast du Hunger?" Beynons Frage reißt mich aus meinen Gedanken und ich schaue ihn erschrocken an.

„Emm ..." Inzwischen habe ich etwas Hunger bekommen und nicke. Beynon springt auf und schaut mich streng an. Aber mit einem großen Lachen, dass er schon die ganze Zeit hat.

„Warte hier. Ich bin gleich wieder da." Schon verschwindet er in der Menge. Mein Blick geht zu dem Punkt, in dem er in der Masse verschwunden ist, doch ich sehe ihn nicht mehr. Etwas ängstlich schaue ich mich um. Seine Abwesenheit löst ein Unbehagen aus. Unruhig rutsche ich auf der Bank hin und her. Als ich ihn wieder aus der Menschenmasse treten sehe, verschwindet die Anspannung wieder. Er reicht mir ein Brot mit einer Wurst darin und eine Portion Kartoffeln, die auf einem Spieß in dünne Scheiben angebraten wurde. Ich lasse mir das ungewohnte, aber leckere Essen schmecken.

„Eine Überraschung habe ich noch", verkündet Beynon, als wir aufgegessen haben.

„Noch eine? Der ganze Abend ist gefüllt mit Überraschung, was kann es noch geben?" Ohne auf meinen Kommentar zu reagieren, zerrt er mich auf die Beine und in eine Richtung in der wir noch nicht waren. Und dann entdecke ich es. Ein riesengroßes Rad. Also nicht ganz. Eine riesige Konstruktion mit kleinen Bänken die sich dreht.

„Jeder Rummelbesuch muss mit einer Fahrt im Riesenrad beendet werden", erklärt Beynon und zieht mich auf das Monstrum zu. Ich lege meinen Kopf weit in den Nacken, um in die Höhe zu starren. Es scheint bis zu den Wolken zu ragen und bei dem Gedanken der Höhe überkommt mich eine gewisse Art von Respekt. Im nächsten Moment sitze ich auf einer roten Holzbank, die beängstigend schaukelt, als das Rad beginnt sich zu drehen. Ängstlich klammere ich mich an das Metall, das mich vor einem Sturz schützt. Vorsichtig legt Beynon seinen Arm um mich und ich heiße die Berührung willkommen, denn tatsächlich macht mir die Fahrt Angst.

„Keine Angst, dir passiert nichts", beruhigt er mich mit so einer sanften Stimme, dass meine Angst etwas von mir abfällt. Ich lockere meinen Griff etwas, lasse aber nicht ganz von dem Geländer ab. Ehrfürchtig betrachte ich wie wir immer höher in den Himmel ragen und die bunten Lichter immer kleiner werden. Bald sind sie nur noch ein ferner Punkt. Auch die Geräusche werden vom Wind davongetragen und was bleibt ist ein lautes Rauschen.

Ich muss unwillkürlich an Rosalee und Kalea denken. Sie wären auch verzaubert. Ich kann mir Kaleas aufgeregtes Geplapper vorstellen und wie Rosalee ihr einen strengen Blick zuwirft. Sie beschwert sich, sie solle endlich leise sein. Neben den beiden erscheint der kleine Micah. Er strahlt mir aufgeregt entgegen und springt mir in den Arm. „Prinzessin Emin", ruft er glücklich und drückt mich feste. Nachdem ich ihn wieder absetze, reiche ich ihm eine blaue Zuckerwatte und sehe wie seine kleinen Augen anfangen zu glänzen. Und dann steht Jayden vor mir, mit einem breiten Lächeln.

„Woran denkst du?" Beynons Stimme reißt mich aus meinem Tagtraum und sofort überkommt mich das Gefühl von Trauer. Ich drehe mich langsam zu ihm. Er strahlt mir erwarten entgegen. Als das Rad zum Stillstand kommt, beginnt unsere Bank zu schaukeln. Überrascht entweicht mir ein Schreckschrei und ich klammer mich an Beynon.

„Keine Angst. Jetzt sind wir ganz oben. Schau", er deutet in den Nachthimmel und ich folge seinem Finger. Meinen Kopf wieder in den Nacken gelegt, erstreckt sich die unendliche Weite der Nacht und das Funkeln der Sterne über mir.

Die Flucht (Merahs Fluch 2)Where stories live. Discover now