Kapitel 37

73 5 0
                                    

"Meine Güte, Kind, wenn du so weiter machst, verschläfst du dein ganzes Leben!" 

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

"Meine Güte, Kind, wenn du so weiter machst, verschläfst du dein ganzes Leben!" 

Eine ärgerliche schrille Stimme ließ mich aus dem Schlaf fahren. "Mama?", fragte ich in den Raum, doch es war niemand dort. "Unmöglich könnte ich deine Mutter sein", genervt stöhnte die Stimme, "Man sollte meinen das gehöre zum gesunden Menschenverstand." 

Die seltsame Stimme gehörte zweifelslos zu einer älteren Frau, doch war nun mal keine dieser Sorte anwesend, was mich ziemlich beunruhigte. Leider bewies ein Kniff in meinen Oberarm, dass es sich auch nicht um einen Traum handeln konnte. So weit war es nun also mit mir gekommen, ich hatte eine nervige vorlaute Stimme im Kopf und wurde offiziell verrückt.
Ich musste mir unbedingt mit kaltem Wasser das Gesicht waschen. 

"Wo gehst du hin? Du wirst mich doch nicht etwa unwissend hierlassen?", fragte die körperlose Frau fast panisch. "Glaube es oder nicht, aber ich weiß genauso wenig mit wem ich es zu tun habe wie du!"
Ich seufzte und betete still, dass die Besserwisserin nur eine vorübergehende Folge meines Hungers war. 

Tatsächlich hörte ich die Stimme nicht mehr als ich das Bad betrat, mein Gesicht wusch und mich umzog. Doch gerade als ich den Göttern für diese Erleichterung danken wollte, hörte ich sie wieder.
Vielleicht lag es auch an meinem Schlafzimmer? Die Botschaft von gestern Nacht war schließlich mit einem Zauber belegt gewesen, sonst wäre sie nicht in Flammen aufgegangen. Bestimmt war ein Fluch auf dem Spiegel gewesen.
Aber warum sollte Diana mich verfluchen? 

Prüfend nahm ich den Handspiegel vom Nachttisch. Ein spitzer Schrei entfuhr mir, da ich mir nicht wie erwartet selbst gegenüber stand, sondern dem Gesicht einer faltigen grauhaarigen Frau. Vom Schreck gepackt warf ich den Spiegel von mir. 

"Autsch! Na hör mal, was sollte das denn werden? Du kannst von Glück reden, dass ich aus verstärktem Glas gemacht bin, junge Dame!", kreischte die seltsame Frau los.

Sprechende Spiegel kannte ich bereits aus einem der Läden in der Innenstadt. Sie waren unglaublich teuer und selten. Einen solchen wie ich ihn nun besaß, hatte ich allerdings noch nie gesehen. Normalerweise waren sprechende Spiegel sehr freundlich, stets distanziert und außerdem keine schreienden zornigen Frauen.
"Was bist du für ein Spiegel?", fragte ich, mich langsam an den am Boden liegenden Handspiegel herantastend. 

"Was bist du für ein Spiegel?", äffte sie mich nach. "Das ich mir das überhaupt noch gefallen lasse... Ich bin nicht nur 'Ein Spiegel', ich heiße Madame Spiegelglas. Wenn du nun die Freundlichkeit besitzen würdest, mich aufzuheben?"
Etwas empört hob ich Madame Spiegelglas auf. Immerhin hatte sie kein Recht so mit mir zu reden.

Als sich plötzlich die Tür öffnete, ließ ich sie schnell hinter meinem Rücken verschwinden. Offenbar hatte sie ebenfalls keine Lust auf Rechtfertigungen, denn die vorlaute Dame schwieg, sobald meine Mutter den Kopf durch die Tür streckte. 

"Ich hab dich schreien gehört. Ist alles in Ordnung?", erkundigte sie sich. Eifrig nickte ich.
"Alles in Ordnung. Ich habe nur eine Spinne gesehen."
Mit kritischem Gesichtsausdruck musterte sie mich. Es wäre tatsächlich sehr untypisch für mich gewesen wegen einer Spinne einen Kreisch Anfall zu bekommen, doch auf die schnelle war mir keine bessere Lüge eingefallen. 

"Sicher. Kommst du runter, wenn du fertig bist? Wir wollen frühstücken." Man konnte ihre Skepsis deutlich vom Gesicht ablesen.

Nachdem sie die Tür hinter sich geschlossen hatte, zog ich Madame Spiegelglas wieder hinter meinem Rücken hervor.
"Na los, du wirst deine Mutter doch nicht warten lassen", schimpfte sie in einem befehlenden Tom, doch anstatt einer zornigen Grimasse war nun ein Anflug eines Lächelns auf ihrem Gesicht zu sehen.
Bevor ich zum Frühstück ging, versteckte ich Dianas merkwürdigen Spiegel unter meinem Kopfkissen und stellte sicher, dass Madame Spiegelglas still sein würde.
Ich wollte kein Aufsehen erregen, vor allem nicht mit einem unbezahlbaren Spiegel, während jedem in diesem schlichten Wirtshaus klar sein sollte, dass wir nicht mehr sonderlich reich waren und ich zusätzlich im Zentrum allgemein als Diebin bekannt war. 

Ich hatte einen riesen Hunger, auch wenn mir die morgendliche Aufregung ein wenig auf den Magen geschlagen hatte.
"Bist du sicher, dass du zu keinem Arzt willst? Du wirkst blass und fahrig heute Morgen", sagte meine Mutter nun schon zum dritten Mal.
"Nein Mama, mir geht es gut. Ich habe nur zu viel geschlafen und zu wenig gegessen", beteuerte ich zwischen zwei Bissen.

"Ich habe gestern Nacht einen Kartenmagiern gesehen", erzählte Noah begeistert. "Er konnte die Karte einfach so verschwinden lassen! Meinst du er hat meine Augen oder die Karte verhext?" 

"Das war kein Magier. Ein Trickster war das", stellte meine Mutter missbilligend klar. "Mit der rechten Hand vollführt er fesselnde Tricks und derweil wandert seine linke Hand in deine Tasche und stiehlt dich bis auf den letzten Ling arm. Sei nur froh, dass du kein Geld hast", sie kicherte amüsiert, "Ich glaube dir wäre nicht einmal aufgefallen, wenn er dir den Hut von Kopf geholt hätte, so vernarrt warst du in seine Vorstellung." 

"Aber er muss doch gar nicht stehlen", widersprach mein Bruder, "die Leute haben ihm von ganz allein Groschen zugeworfen. Es ist nicht alles Gold was glänzt, Groschen glänzen nämlich auch und die sind silbern."
Ich musste mich zurückhalten meinen Saft nicht auszuspucken vor Lachen. Empört rümpfte Noah die Nase. "Ich bin mir ganz sicher, dass es diesmal richtig ist. Ich habe es vorgestern erst jemand auf der Straße sagen hören", rechtfertigte er sich.

"Ja, nur hast du es völlig falsch verstanden." 

"Hab ich gar nicht!"

"Hast du doch."

Beleidigt streckte er mir die Zunge raus. "Hört auf zu streiten", erklärte meine Mutter bestimmt.
"Was du vorhin meintest Noah", wechselte sie das Thema, ", dass er nicht stehlen müsste. Ich glaube ich habe gerade mal 10 Groschen in seiner Geldschale gesehen und das reicht nun mal nicht zum Leben." 

"10 Groschen", wiederholte Noah und legte eine lange Denkpause ein. "Das sind 3 Ling", erklärte er schließlich stolz.
Ich nickte, nicht darauf erpicht einen neuen Streit zu starten. Eigentlich waren 10 Groschen genau ein Ling und demnach nicht einmal genug um sich eine ordentliche Bleibe für die Nacht zu leisten.

"Hast du schon gepackt? Die Kutsche kommt gegen Mittag", sagte meine Mutter nun an mich gerichtet. Ich schüttelte den Kopf und dachte angestrengt nach wie bei allen Göttern ich diesen lästigen Spiegel dazu kriegen sollte mehrere Stunden lang die Klappe zu halten.

 Ich schüttelte den Kopf und dachte angestrengt nach wie bei allen Göttern ich diesen lästigen Spiegel dazu kriegen sollte mehrere Stunden lang die Klappe zu halten

Oops! This image does not follow our content guidelines. To continue publishing, please remove it or upload a different image.

~1039 Wörter

SilbergrauWhere stories live. Discover now