17. Kapitel

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„Wo gehen wir hin?", flüstere ich leise, während Nicks Hand immer noch auf meinem Rücken ruht und mich durch die leeren Schulflure steuert. Es ist immer noch sehr früh und keiner meiner Mitschüler oder Lehrer treiben sich herum.

„Nach dort vorne", sagt Nick bestimmend und zeigt auf den Raum vor der großen Aula, in dem ich weiß, dass dort Herr Henes ehemaliges Büro war.

Nick löst seine Hand von meinem Rücken und kramt aus seiner Tasche seinen Schüssel hervor, mit dem er die Tür vor uns aufschließt. Der Schlüssel dreht sich im Schloss und Nick öffnet die Tür.

„Komm", er nimmt meine Hand und zieht mich in den Raum rein, bevor er hinter mir die Tür schließt und den Schlüssel von innen ins Schloss steckt.

Nick geht hinter den Schreibtisch, der fast den gesamten Platz des Raumes einnimmt und lässt daneben seine Tasche fallen, bis er es endlich schafft mich anzuschauen.

„Geht es dir gut?", will er schließlich wissen und sieht mich mit besorgter Miene an. Mit seinen Händen stützt er sich am Schreibtisch ab.

Ich hingegen stehe wie angewurzelt vor der verschlossenen Tür und beobachte Nick, wie er den Kopf schräg legt und mir ein flüchtiges Lächeln zuwirft.

„Den Umständen entsprechend", beginne ich und erwidere sein Lächeln „Danke, das du mich vor Bruno gerettet hast." Mein Körper entspannt sich ein wenig und ich gehe ein paar Schritte auf den Schreibtisch zu.

„Kein Problem", tut er es ab, als ob es keine große Sache gewesen ist und das eben noch zaghafte Lächeln auf seinen Lippen wird stärker. Bei diesem Lächeln könnte ich dahin schmelzen.

„Ich..", setzt er an.

„Du..", beginne ich und muss kichern. „Du zuerst, bitte, ich wollte dich nicht unterbrechen", lasse ich ihm den Vortritt und sehe verlegen zur Seite, damit er die Röte, die mir bei seinem Anblick in die Wangen steigt nicht sieht.

„Danke", räuspert er sich und setzt sich auf den Stuhl hinter sich. „Nimm doch Platz", sagt er und zeigt auf den Stuhl der neben mir steht. Ich bedanke mich und setze mich auf den Stuhl.

„Ich wollte dich gestern eigentlich noch anrufen", sagt Nick und kratzt sich über seinen drei-tage-Bart. „Aber ich wollte dir das dann doch lieber persönlich sagen und nicht am Telefon."

Meine Alarmglocken schrillen laut und lassen mich aufmerksam seinen Worten lauschen. Mein Herz in der Brust pocht wild und meine Finger fingern nervös am Saum meines Cardigan.

„Was wolltest du mir denn sagen?", horche ich nach und muss einen schweren Kloß hinunter schlucken, um überhaupt sprechen zu können.

Nick nimmt einen tiefen Atemzug und schließt seine Augen, bevor er zu sprechen ansetzt.

„Das was Samstag im Auto passiert oder viel mehr, beinah passiert ist, dass hätte nicht geschehen dürfen." Mein Herz setzt für einen Moment aus. Es fühlt sich an, als ob mir jemand ein Messer durch meine Rippen direkt ins Herz gestochen hätte und ich zucke innerlich zusammen.

„Es war.. Ich hab für einen Moment vergessen, wer vor mir sitzt und das tut mir unbeschreiblich leid. Ich bin dein Lehrer, du bist meine Schülerin und ich habe mich mehr als unprofessionell verhalten. Du musst dir keine Sorgen machen, ich werde dich in Zukunft wieder wie alle anderen behandeln."

Das ist nicht gerade das, womit ich gerechnet habe. Absolut nicht. Eigentlich habe ich mit gar nichts gerechnet, aber damit auch nicht. Wie vor den Kopf gestoßen sitze ich mit offenem Mund vor ihm und bin sprachlos.

Vor meinem inneren Auge erscheinen Bilder, der Nacht in der er mich im Park abgeholt hat, mich hat bei sich schlafen lassen und zwei mal der beinah-Kuss.

Es muss ein Geheimnis bleibenWhere stories live. Discover now