✧ Kapitel 11 ✧

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Emma saß auf einem Stuhl aus edlem, weißen Leder, in einem feinen Haus. Aber was brachten all diese Reichtümer in einer Welt, in der man nicht willkommen ist?
Ohne Maske saß sie da und bedeckte ihre Augen mit ihren Händen. Sie konnte nicht aufhören, an Normans Blick zu denken. Er war kalt, aggressiv und brutal. Nicht einmal gegenüber den Monstern hatte er diesen Blick aufgesetzt.
Es tat ihr im Herzen weh.

"Little Emma, wir müssen reden", meinte Shuu und servierte ihr eine heiße Tasse Kaffee, ehe er sich ihr gegenüber setzte.
"Du bist nicht registriert und ganz alleine, so hältst du es nicht lange in dieser Welt aus. Du musst dich einer Organisation anschließen."
"Aber... welcher Organisation?", fragte Emma niedergeschlagen.
"Der Phönixbaum baut sich momentan wieder auf, er besteht aus lauter unregistrierten Ghulen und sie wollen dem CCG zumindest einen Schlag versetzen", schlug Shuu vor.
"Wie finde ich den Phönixbaum?", hakte sie nach, sie hielt seinen Vorschlag für die einzige Möglichkeit, an den Arzt heranzukommen.
Shuu setzte seine Tasse am Mund an und nahm einen kleinen Schluck.
"Ich glaube, die bauen sich auch im 24. Bezirk wieder auf", überlegte er.
"Wenn du einem der Mitglieder begegnest und die dich ausfragen, sage einfach, dass ich dich geschickt habe."
Verstehend nickte Emma. Sie hatte ihr klares Ziel genau vor Augen, nichts wird sie davon abhalten. Plötzlich fiel ihr wieder das Zusammentreffen mit Norman ein.
"Shuu, ich habe eine Frage", sprach sie etwas leise.
"Wer ist Mujika?"
Überrascht sah er sie an und legte den Kopf schief.
"Ich habe keinen blassen Schimmer. Der kleine Junge hat irgendetwas von Mujika gesagt, deswegen habe ich den Namen verwendet."
Etwas enttäuscht von der Antwort ließ sie den Kopf hängen. Shuu hatte sie damit ja sogar in Gefahr gebracht, schließlich schienen Phil und Norman eine Person mit diesen Namen zu kennen. War sie vielleicht bereits aufgeflogen?

"Ich danke dir, Shuu", meinte Emma zum Abschied und verschwand aus dem prunkvoll eingerichteten Haus.
Shuu beobachtete den Sessel, in dem Emma bis gerade eben noch gesessen hatte.
"Sie ist wie er", schmunzelte er begeistert, jedoch wandelte sich das Schmunzeln zu einem dreckigen, fast schon irrem Gelächter.
"Little Emma, du bist ganz genau wie Ken. Nur diesmal lasse ich mein Festmahl nicht entkommen."

•••

Mit der Maske auf der Nase und der Kapuze tief ins Gesicht gezogen, wanderte Emma erneut durch die Katakomben, die den inoffiziellen 24. Bezirk Tokyos bildeten.
Orientierungslos setzte sie einen Fuß vor den anderen, sie hoffte, sich nicht verlaufen zu haben.
"Was suchst du hier?"
Ein junger Mann mit einer schwarzen Maske, die einem Hasen ähnelte, trat ihr gegenüber.
Das ging tatsächlich schneller, als Emma es erwartete.
"Ich suche den Phönixbaum", entgegnete sie mutig. Der Ghul schnalzte mit der Zunge.
"Und du denkst, ich führe dich einfach so zum Phönixbaum, damit du spionieren kannst?"
Er beugte sich zu ihr hinunter und betrachtete sie genau, plötzlich hielt er inne.
"Warte Mal", gab er von sich, vorsichtig löste er seine Maske.
"Ayato Kirishima?"
Emma sah ihn stutzig an. Nun entfernte sie ihre Maske ebenfalls, entblößte ihr sanftes Gesicht.
"Was hast du hier zu suchen?", fragte Ayato, noch immer war er angespannt.
"Hat Norman dich hierher geschickt, um hier zu spionieren?"
Energisch schüttelte Emma den Kopf.
"Shuu Tsukiyama hat mir gesagt, ich soll euch suchen."
Man sah ihm an, dass er davon nicht begeistert war. Shuu war ein registrierter Ghul, er hatte am wenigsten zu befürchten, der neue Phönixbaum dagegen bestand zu großen Teilen aus unregistrierten Ghulen.

"Und was willst du hier?", fragte Ayato, nun wirkte er etwas sanfter.
Sie senkte den Kopf, wusste nicht recht, wie sie ihr Vorhaben erklären sollte.
"Ich muss einen bestimmten Arzt finden, bevor es irgendwer Anderes tut", meinte sie schließlich.
Er sah sie verwirrt an.
"Doktor Furuta? Derjenige, der einen neuen Halbghul erschaffen hat?", hakte er nach.
"Der Doktor Furuta, der dich zu einer Halbghula gemacht hat?"
Bedrückt nickte Emma.
"Tja, dann habe ich Neuigkeiten für dich", lachte er auf.
"Doktor Furuta will sich am CCG rächen und unterstützt den Phönixbaum. Mit meiner Hilfe kannst du an ihn rankommen."
Perplex starrte Emma ihn an, sie hatte im Gespür, dass hier irgendetwas nicht stimmt. Warum sollte sich der Arzt am CCG rächen wollen?
"Woher wusstest du eigentlich, dass ich nun eine Halbghula bin?", fragte Emma, als Ayato sich wieder in Bewegung setzte.
"Du trägst 'ne Maske, wurdest von Tsukiyama geschickt... meiner Meinung nach ziemlich selbsterklärend."
Verstehend nickte sie und holte mit schnellen Schritten auf.
"Eine letzte Warnung an dich, da wir ja gleich da sind", meinte Ayato beiläufig.
"Bist du einmal im Phönixbaum, gibt's kein Zurück mehr. Bis zum Fall des Phönixbaums bist du ihm verpflichtet."
Emma schluckte schwer. Ihr ganzes Vorhaben war auf den Kopf gestellt, und nun trat sie auch noch einer Organisation bei, die sie nicht verlassen durfte. Dabei wollte sie doch nur ein Gespräch mit den Arzt führen, bevor irgendeine Organisation an ihn herangelangte.

Ayato tippte sie an der Schulter an.
"Setz' deine Maske auf", meinte er zu ihr und setzte sich seine Maske ebenso auf.
Dann sprang er einen Abgrund hinunter, Emma folgte ihm zögerlich.
Sie war umringt von Ghulen, sie alle richteten ihre Blicke auf die junge Frau, während sie weiterhin Ayato folgte.
Er führte sie in einen riesigen, separaten Raum, in ihm befand sich nur ein prunkvoller Thron, zu dem eine kleine Treppe führte.
Trotz dass die Einrichtung ziemlich hochwertig aussah, konnte man erkennen, dass sie nur provisorisch aufgestellt wurde.

In dem Thron saß eine Gestalt, ihr Kopf war auf ihrer Handfläche abgelegt und sie schlief.
Ayato trat gegen die unterste Stufe.
"Eto du dumme Kuh, wach auf!", keifte er grob, die Gestalt fuhr erschrocken hoch.
"Ayato!", fuhr Eto ihn beleidigt an.
"Redet man so etwa mit seiner Vorgesetzen?"
"Ich hab' auch nicht geredet, ich hab' mit dir geschimpft."
Kopfschüttelnd erhob Eto sich, ihr Blick fiel nun auf Emma.
"Und wen hast du mir da angeschleppt?", fragte sie interessiert.
"Ein neues Mitglied", meinte Ayato knapp.
"Und du erlaubst dir, einfach so neue Mitglieder einzuladen?"
Sie schlenderte eher weniger elegant die Stufen hinab und betrachtete Emma aus der Nähe.
"Du bist auch eine Halbghula."
"Auch?", wiederholte Emma.
Eto schloss lächelnd ihre Augen, und als sie diese wieder öffnete, leuchtete nur eines der beiden Augen rot auf.
Instinktiv bewegte sich ihr Fuß zurück.
"Du hast dich also entschieden, dem Phönixbaum beizutreten?", hakte sie nach und tippte auf Emmas Maske.
"Du bist dir der Konsequenzen bewusst?"
Leicht nickte sie.

"Dass ich für immer dem Phönixbaum dienen muss."

IDENTITY | [The Promised Neverland • Tokyo Ghoul FF]Where stories live. Discover now