✧ Kapitel 1 ✧

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Es klingelte an der Tür. Erwartungsvoll sprang Emma auf und öffnete die Tür, blaue Augen blitzten ihr entgegen.
"Hey, Emma!", begrüßte Anna sie fröhlich, während sie versuchte, ihre Arme zu entlasten. Die Blondine brachte einen frischen, selbstgemachten Kuchen mit.
"Ich hoffe, dass ihr Erdbeerkuchen mögt, ich hab' einen selber gemacht", meinte sie und stellte die Transportbox auf dem Tisch ab.
"Ich liebe Erdbeerkuchen!", entgegnete Emma, die sich schon heimlich daran vergreifen wollte, jedoch reichte Normans strenger Blick aus, um dies zu unterbinden.
Anna setzte sich an den Tisch.
"Wir haben uns jetzt schon länger nicht mehr gesehen, wie läuft es eigentlich bei euch?", fragte sie höflich und spielte unbewusst mit einer ihrer Haarsträhnen herum.
Norman zuckte mit den Schultern, er wandte sich der Herdplatte zu.
"Eigentlich ist nichts besonderes passiert", meinte er nur.
Emma nickte, sie versuchte noch immer die Gedanken an das monatliche Testament zu verdrängen.
"Oh!", fiel ihr plötzlich ein. "Das habe ich noch gar nicht erzählt, aber die Firma macht über Weihnachten zu! Bedeutet also, ich habe ab nächster Woche den ganzen Tag frei."

"Ich nicht", meinte Anna ruhig.
"Ich muss an Heiligabend arbeiten..."
Emma sah sie mitleidig an. In Grace Field Haus haben sie immer gemeinsam Weihnachten gefeiert, sich gegenseitig mit kleinen und großen Geschenken beglückt und ganz zum Schluss hat sich Isabella als Weihnachtsmann verkleidet. Sie musste sich eingestehen, dass ihre Kindheit doch glücklich war. Die Weihnachtskultur war daher mehr oder weniger ein Kulturschock, hier feierte man ganz anders.
"Wir wollen eigentlich nur die Büros renovieren, und da wir nicht wissen, wie lange das dauern wird, haben wir einfach alle bis nach Neujahr frei bekommen", erklärte Emma.
"Ich werde mal meine Vorgesetzten fragen, ob ich an Heiligabend freinehmen kann", meinte Norman und drehte sich mit einem Löffel in der Hand um. Langsam beugte er sich zu Emma hinunter und ließ sie vorsichtig von der Suppe probieren. Sie begann leicht zu husten und griff nach einer Flasche Wasser, jedoch wollte sie es nicht auffällig machen.
"Die Suppe ist ein bisschen sehr salzig", meinte sie, ihr rechtes Auge kniff sie leicht zusammen. Geknickt drehte Norman sich wieder um und versuchte irgendwie die Suppe zu retten.
"Wie niedlich", meinte Anna grinsend, woraufhin Emma den Kopf schieflegte.
"Wenn die Suppe versalzen ist, ist der Koch verliebt, zumindest laut diesem Sprichwort."
Sie lächelte verlegen, Norman indessen errötete etwas.

Ein dumpfes Klopfen erklang von der Tür, dicht gefolgt von einem Klingeln.
"Ich komme schon!", rief Emma und stürmte zur Tür, öffnete sie. Wie ein Blitz schoss Phil nach vorne und sprang ihr in den Arm. Obwohl der Junge bereits 15 Jahre alt war, benahm er sich in ihrer Nähe noch wie der kleine Vierjährige, mit dem sie gerne gespielt hat.
Leicht schockiert beobachtete Don den Jungen, ehe er mit Gilda zusammen in die Wohnung eintrat.
"Phil, warum freust du dich denn nicht so, wenn ich dich von der Schule abhole?", fragte er gespielt gekränkt. Phil sah den Älteren ernst an.
"Du führst dich manchmal auf wie mein Vater", antwortete er frech.
"Ja, und?"
"Wenn ich dich als großen Bruder sehen soll, kannst du nicht einfach so tun als wärst du mein Vater!"
"Da hat er aber Recht", schmunzelte Gilda und stieß Don mit dem Ellenbogen in die Seite.
Emma stand auf und umarmte sie fest.
"Kannst du mir kurz helfen?", fragte sie und zog sie gleich in ein separates Zimmer. Es war im traditionellen japanischen Stil eingerichtet.
"Der Tisch in der Küche hat nicht genug Stühle, deswegen müssen wir das jetzt hier herrichten."
Zusammen stellten sie einen flachen Tisch in die Mitte des kleinen Raumes, Gilda zeigte sich begeistert. Vor allem der Tatami-Boden hatte es ihr angetan.
"Emma, kann ich dir eine Frage stellen?", fragte sie etwas zurückhaltend, während Emma das letzte Sitzkissen um den Tisch verteilte. Aufmerksam sah sie auf und nickte ihr zu.
"Also, rein hypothetisch...", druckste sie herum und rückte ihre runde Brille zurecht.
"Wenn ich jetzt heiraten würde, was für ein Kleid würde da zu mir passen?"
Verwirrt legte Emma den Kopf schief. Sie hatte doch keine Ahnung von Mode, vor allem wenn es um so etwas wichtiges ging. Schließlich war es doch Gilda selber, die die Karriere einer Modedesignerin einschlug.
"Ich weiß nicht", meinte Emma ehrlich und legte ihre Hand ans Kinn an.
"Dazu müssten wir uns vielleicht ein paar Hochzeitskleider ansehen.."

"Klopf klopf", kam es vom Zimmereingang. Es war Ray, der einen Blick in den Raum warf, vor ihm tauchte ein kleines Mädchen auf.
Emma hockte sich auf den Boden und breitete die Arme aus, die kleine Kimi tappste unsicher auf sie zu. Ray hatte sie sofort bei sich aufgenommen, als sie hierherkamen. Emma fand, dass er eine gute Vaterrolle für das kleine Mädchen stellte.
Nun traten auch die anderen in den Raum ein, setzten sich an den Flächen Tisch, Norman stellte die ersten beiden Schüsseln schon hin.
Emma überholte ihn und flitzte in die Küche.
"Ich habe noch Nudeln dazu gemacht", meinte Norman und deutete auf einen kleinen Topf. Ihm war das Versalzen der Suppe noch immer peinlich, jedoch war daran nichts schlimmes.
"Vielleicht gleicht das das Salz wieder aus..."
"Und wenn nicht, ist es auch nicht schlimm", entgegnete Emma lächelnd und nahm zwei der Schüsseln, brachte sie zum kleinen Esstisch.

•••

"Wollen wir noch ein paar Brettspiele spielen?", schlug Emma vor und erhob sich. Auch wenn die Suppe vielleicht nicht gerade perfekt abgeschmeckt war, und die Nudeln eigentlich nichts gebracht haben, ließen sie es sich doch alle schmecken. Sie begann, den Tisch abzuräumen und holte gleichzeitig ein altes Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spiel aus dem Schrank. Genau dieses Spiel gab es auch damals in Grace Field, ein paar Kinder nahmen es vor ihrer Flucht mit.
Mit Phil zusammen baute sie das Spiel auf, die Anwesenden teilten sich in Teams auf. Don und Gilda, Ray und Kimi, Phil und Anna, und zuletzt Norman und Emma.
Aus dem Augenwinkel sah sie ein Handydisplay aufleuchten, es war Normans Handy.
Die schwarzen Lettern waren deutlich auf dem weißen Bildschirm lesbar: CCG.
"Bin gleich wieder da", murmelte der Weißhaarige entschuldigend und verschwand auf dem großen Balkon.
Eine Welle der Nervosität packte Emma. Um was ging es in diesem Anruf? War Norman in Gefahr, oder musste er wieder an einem wichtigen Einsatz teilnehmen?
Das Telefonat dauerte nicht lange, jedoch schien es kein gutes Ende gefunden zu haben.
"Ray, kommst du bitte kurz?", bat er und lief schnell aus dem Zimmer, ohne irgendwen anzusehen.
Emma hatte Angst.
Was war passiert?

IDENTITY | [The Promised Neverland • Tokyo Ghoul FF]जहाँ कहानियाँ रहती हैं। अभी खोजें