Kapitel 1

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~Clarine~

Umzüge waren eines der nervigsten Dinge. Und doch kannte ich es nur zu gut, wenn man sein Zuhause verlassen musste, seine Freunde und Lieblingsorte. Man verließ seine gewohnte Umgebung und zog in eine völlig neue Stadt.

Genau das hatte ich erneut erlebt. Und es war kein schönes Gefühl. Wir waren vor einer Woche hierher gezogen, alles war ausgepackt und meine Eltern fühlten sich hier schon richtig wohl. Ich allerdings noch nicht wirklich. Vor allem, da heute der Geburtstag meiner besten Freundin stattfand, und ich nicht anwesend sein konnte.

Wir aßen gerade zu Abend, doch ich stocherte nur gelangweilt in meinem Essen herum und stützte meinen Kopf mit einer Hand ab.

Meine Mutter warf mir während des Abendessens bereits mehrere fragende Blicke zu. Jetzt wollte sie es offensichtlich ansprechen. »Clarine, Schatz, schmeckt dir das Essen denn nicht?«, fragte sie besorgt. Ich richtete meinen Blick nach oben und sah, dass meine Eltern mich beide Stirnrunzelnd ansahen.

»Alles gut«, beruhigte ich sie. »Ich bin nur traurig, dass ich Adelina nicht persönlich zum Geburtstag gratulieren kann. Wie sonst immer«, fügte ich murmelnd hinzu.

Mein Vater seufzte laut auf. »Kleines, wir wissen, dass du Adelina und generell unser altes Zuhause vermisst, aber wir mussten hier hinziehen. Aber es wird dir hier schon noch gefallen und du wirst neue Freunde finden.« Er zwinkerte mir aufmunternd zu und ich lächelte ihn ein wenig gezwungen an.

»Und außerdem werden sich bestimmt ganz schnell wieder tausende Jungs auf dich stürzen. Sie werden alle geblendet sein von deiner Schönheit«, kam es nun spielerisch von meiner Mutter.

Mein Vater gab ein abfälliges Geräusch von sich und blickte meine Mutter streng an. »Das kommt gar nicht infrage. Ich werde einen Bodyguard beauftragen sich in ihrer Nähe aufzuhalten. Auf keinen Fall wird sich ihr auch nur irgendein Junge nähern«, sagte Dad, als wäre ich gar nicht anwesend.

»Ähm, hallo! Ich sitze hier«, machte ich auf mich aufmerksam. Doch die beiden ignorierten mich und redeten einfach weiter.

Nun redete meine Mutter. »Ach Beauford, du kannst sie nicht für immer beschützen. Du hast sie trainiert sich selbst zu schützen. Und außerdem braucht sie doch wohl auch irgendwann einen Freund.« Sie lächelte mich liebevoll an und ich bedankte mich stumm bei ihr. Mein Vater schnaubte nur abwertend.

»Natürlich soll sie irgendwann einen Mann mit nach Hause bringen, und auch Kinder zur Welt bringen. Ich will schließlich irgendwann auch Großvater werden.« Mum und er kicherten leicht. »Doch noch nicht jetzt. Und natürlich muss ich dich beschützen. Es gibt viele Feinde da draußen.« Nun sah er mich vollkommen ernst an.

Meinem Vater war meine Sicherheit sehr wichtig, zum einen, da er wirklich viele Feinde hatte, da er ein sehr einflussreicher Mann war und viele ihm oder seiner Familie daher schaden wollten. Und zum anderen, weil ich nun mal seine Tochter war und dann auch noch seine einzige, und so auch die einzige, die sein Geschäft später übernehmen konnte.

Wenn ich ehrlich war, wollte ich nicht so gerne in das schmutzige Geschäft meines Vaters mit hineingezogen werden, aber anders ging es wohl nicht.

»Ich will aber nicht von einem deiner Männer beschattet werden«, sagte ich zwischen zusammengebissenen Zähnen. Mein Vater legte nun sein Besteck weg und wendete sich mir nun ganz zu.

»Clarine, ich hab dir schon sehr oft verständlich gemacht, dass es durch meine Arbeit da draußen für dich nicht sicher ist. Also keine Widerrede.«

»Aber Daddy ...« Ich sah ihn flehend an.

»Nein, keine Chance.« Und damit war das Thema vom Tisch, zumindest für meinen Vater. Ich schaute beleidigt zurück auf meinen Teller und holte unauffällig mein Handy heraus.

Meine Eltern saßen weit genug entfernt von mir am Tisch, das sie es sicher nicht bemerkten. Ich warf einen Blick aufs Display und sah, dass Phoebe mir geschrieben hatte. Sie war ein Mädchen, was ein paar Straßen weiter von unserer Villa wohnte. Als wir vor einer Woche hier hergezogen waren, hatte ich mir ein bisschen die Gegend angeschaut und war dabei Phoebe begegnet. Sie war eigentlich echt nett und hilfsbereit, und ich hoffte, dass wir Freunde sein würden.

Phoebe: Hey!

Ich: Hey! Wie geht's?

Phoebe: Gut und dir? Wir kennen uns zwar noch nicht so gut, aber ich wollte dich trotzdem fragen ob du heute Lust auf 'ne Party hättest?

Ich musste nicht lange überlegen und sagte ihr zu. Hallo? Party! Da bin ich natürlich dabei!

Phoebe: Toll! Ich schicke dir die Adresse. Dann bis später!

Ich: Okay, wir sehn uns!

Ich legte mein Handy wieder weg und sah meine Eltern mit einem breiten Lächeln an.

»Mum, darf ich später auf eine Party? Phoebe von hier aus der Straße, hat mich eingeladen.« Ich blickte sie hoffnungsvoll an.

»Aber natürlich.«

»Nein«, kam es im selben Moment von meinem Vater.

Ich seufzte unzufrieden. »Aber wieso nicht? Jetzt will ich neue Freunde finden und du lässt mich nicht? Das ist total ungerecht!« Ich verschränkte die Arme vor der Brust und lieferte mir einen Anstarrwettbewerb mit Dad.

»Wir sind später noch bei einem wichtigen Treffen. Und du wirst anwesend sein«, sagte er mit bestimmender Stimme.

Ich rollte mit den Augen und stand auf. »Das ist einfach nur unfair!«, schrie ich und rannte nach oben in den zweiten Stock und knallte meine Tür hinter mir zu. Mein Vater hatte mir noch irgendetwas hinterhergebrüllt, doch ich hatte es ignoriert.

Tja, wenn er nicht wollte, dass ich auf diese Party ging, dann würde ich eben ohne seine Erlaubnis dort hingehen.

Ich ließ nicht zu, dass er mein Privatleben bestimmte.

Phoebe schrieb mir die Adresse und ich gab sie in mein Navi ein, danach zog ich mich um und brezelte mich richtig auf.

Ich zog mir ein silber glänzendes Kleid an, was mir nur bis zur Mitte meiner Oberschenkel ging und mein Dekolleté hübsch betonte. Dazu noch passende silberne Pumps und eine kleine schlichte Umhängetasche. Ich legte mir noch Schmuck an und steckte mir auch noch schnell die riesigen hängenden Ohrringe an, die mir Dad zu meinem Geburtstag geschenkt hatte.

Schminken tat ich mich noch, aber nicht zu extrem, ich wollte ja nicht aussehen wie ein Clown, der in den Tuschkasten gefallen war.

Ich ging aus meinem Zimmer und schlich die riesige Marmor Treppe hinunter. Meine High Heels hatte ich vorher ausgezogen und hielt sie nun in der Hand.

Unten angekommen, sah ich mich überall um, aber niemand war zu sehen. Jetzt musste ich nur hoffen, das kein Bodyguard vor der Tür stand.

Ich trat durch die Tür und hätte fast vor Erleichterung geschrien, da erstens: kein Sicherheitsalarm losging, und zweitens: kein Wachmann hier stand.

Ich zog mir wieder meine Schuhe an, strich nochmal kurz über mein Kleid und warf mein gewelltes Haar nach hinten, bevor ich mich auf den Weg zu der Party machte.

Und dabei vergaß ich das Misstrauen, welches ich verspüren sollte, weil niemand das Haus bewachte.

Fight For LoveWo Geschichten leben. Entdecke jetzt