Geständnisse

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[Sonntag, 2 Tage bis zum Spiel]

Ich bin schon länger wach und frühstücke gerade, als ich Motorengeräusche gehe mit fragendem Blick nach draußen und sehe Nerv wie einen  irren herumbrüllen. 

„Ragnarök liegt jetzt in euren Händen. Ihr seid die Champs", schreit Karl Heinz Nerv entgegen und verschwindet mit den anderen Wölfen aus deren Festung.

„Aber wo fahrt ihr hin?", fragt er laut.

„Nach Hause und das solltet ihr auch tun! Vergesst Marlon. Und du, vergiss Leon. Mach nicht denselben Fehler, den ich auch gemacht habe. Du hast Leon schon längst an Horizon verloren", meint Freya und redet mit Vanessa. 

Diese erwidert nichts und geht zurück in unsere Unterkunft. 

„Ich schau mich mal um. Vielleicht find ich ja etwas, was uns die Entscheidung erleichtert." Ich drehe mich zu Markus und stimme ihm zu. 

„Hey, warte! Markus", sagt Raban und folgt ihm zusammen mit Joschka. 

„Wir kommen mit!", fügt Nerv hinzu und zieht mich hinter sich her. Wir finden eine kleine Holzhütte, die schon ziemlich heruntergekommen ist. „Nein, ich geh da nicht rein. Das ist wie im Gruselfilm", sagt Nerv und ich sehe ihn belustigt an.  

„Nein, das ist schlimmer!", macht Raban weiter, weshalb ich auch ihn belustigt anschaue. 

„Das ist echt!", fügt Joschka hinzu. 

Markus hat es mittlerweile hinbekommen die klapprige Türe zu öffnen. 

„Dann ist das genau der Ort, den wir suchen!" Er geht hinein und wir folgten ihm. 

„Wer hat denn hier drin gehaust?", fragt Joschka und ich rümpfe wegen dem ekligen Geruch die Nase. 

„Bestimmt dieser Kojote", schlussfolgert Raban.

„Nein, das war Jaromirs Haus." Vor Schreck zucke ich zusammen und greife dabei nach dem erstbesten, was ich finde. Zu meinem Bedauern – oder auch nicht, ist es das Handgelenk von Markus. Schnell lasse ich ihn wieder los und sehe in das belustigte Gesicht von Klette. „Ich hab's doch gesagt. Mich wird man nicht los. Genauso wie das." Sie sieht sich die Poster an und wir tun es ihr gleich. „Jetzt wisst ihr, warum ihr gewonnen habt. Ohne Jaromir waren wir alle nur halb so viel wert." 

„Und trotzdem hat er gegen die Silberlichten verloren", sagt Raban.  

„Da bin ich mir gar nicht so sicher. Ich glaub Jaromir hat gegen Erik gekämpft." Ich schaue Markus verwirrt an.

„Wie bitte?" Auch Nerv scheint überrascht.

„Habt ihr euch schonmal gefragt, wie sich Marlon fühlt? Ich meine, er ist der Ältere, genauso wie Jaromir." Stimmt. Er hat recht.

„Und trotzdem ist der jüngere Bruder der Boss. Er steht im Rampenlicht. Erntet den Ruhm", stimmt Klette Markus' These zu. 

„Und Jaromir kriegt nur die Brotkrumen ab", sagt Markus. 

„Genauso wie Marlon", flüstere ich. „Aber so war Marlon schon immer. Er hat Leon immer den Vortritt gelassen. Bei allem. Wenn ich gewollt hätte, wäre ich eure Anführerin und nicht Leon. Aber wir haben uns damals für Leon entschieden. Und diese Entscheidung nicht bereut. Na ja, am Anfang zumindest", erkläre ich. „Ich kenne die beiden mein Leben lang, wieso ist das Marlon auf einmal so wichtig?", frage ich.

„Erik und sein Bruder erobern Ragnarök." Joschka und Raban lesen einige Zeitungsartikel laut vor.

„Erik und sein Bruder sind die Besten." 

„Eriks Bruder der Torschützenkönig." 

„Aber dann kam Horizon. Jaromir verliebte sich in sie. Genauso wie Marlon. Doch Erik gönnt's ihm nicht", erklärt Klette.

„Genauso wie Leon." Ich sehe Markus an.

„Aber Leon und Vanessa sind zusammen. Obwohl, da bin ich mir jetzt auch nicht mehr so sicher", sage ich und schüttle den Kopf. 

„Genau! Er will Marlon helfen", hilft mir Nerv.

„Seid ihr euch da sicher?" Ich weiß nicht, ob das bei Klette im Gesicht Schadenfreude ist oder nicht. 

„Nein! Klette hat recht. Leon will nie verlieren. Er will nie der Zweite sein." Sauer sehe ich Markus an.

„Und er hat sich verknallt. Beim hinterhältigen Steppenwolf! Leon und Marlon sind Feinde!" 

„Was habt ihr alle mit der Liebe? Und selbst wenn die beiden jetzt feinde sind, was nämlich nicht so ist, sie sind immer noch Brüder!" Sauer verlasse ich die kleine Hütte und trete einige lose Bretter beiseite, die mir im Weg sind. Ich höre schritte hinter mir, kann mir denken, wem sie gehören und spreche weiter. „Verflucht! Leon liebt Vanessa und nicht Horizon." Ich drehe mich um und sehe Markus mit hochrotem Kopf an. 

„Wie kannst du dir da so sicher sein?", fragt er mich ruhig und kommt wieder auf mich zu. 

„Ich weiß es einfach. Sie sind wie Brüder für mich. Wir waren immer zusammen. Ich kenne sie besser, als jeder andere. Sogar mehr als Joachim." Tränen steigen mir in die Augen und ich drehe mich weg. „Sie waren für mich da, als meine Mutter starb. Und ich war für sie da, als sich ihre Eltern scheiden ließen. Nachdem Leon mich aus der Mannschaft geschmissen hat, war ich so sauer auf ihn. Und enttäuscht." Ich setzte mich auf einen Stein und Markus setzt sich neben mich. „Denn Fußball war immer die eine Gemeinsamkeit die wir haben. Nachdem meine Mutter gestorben ist, haben sie mir als Aufmunterung mit all ihrem ersparten einen Ball geschenkt. Und dann kamen wir auf die Idee eine Fußballmannschaft zu gründen. Und nach und nach kamen die anderen dazu. Das war alles für mich. Sie sind alles für mich. Deswegen fällt es mir so schwer zu glauben, das die beiden jetzt Feinde sind." Meine Stimme wird zum Ende hin immer leiser, bis sie komplett versagt und nur noch tränen fließen.

Doch Markus sagt nichts. Er nimmt mich einfach nur in den Arm und schweigt. Und ich bin ihm dafür unendlich dankbar. 

ANALYSE » 𝗆𝖺𝗋𝗄𝗎𝗌 𝗏𝗈𝗇 𝗍𝗁𝖾𝗎𝗆𝖾𝗋Where stories live. Discover now