Nummer 13 - Todessohn II

Kapitel 1.3

Lysanna begann wieder, unruhig in ihrer Zelle auf und ab zu gehen.  ,,Das ist nicht möglich", murmelte sie. ,,Das ist nicht möglich..."
Sie wusste irgendetwas. Ich war mir ziemlich sicher, dass alle Rebellen etwas darüber wussten. Vor einigen Monaten hatte mir ein Vasanist gesagt, dass sie verhindern würden, dass ich 'meine Bestimmung' fand. Was auch immer das heißen sollte. Leandros hatte mich um jeden Preis tot sehen wollen. Irgendetwas wussten sie alle. Und ich würde es herausfinden.
Ich ließ die Flammen erlöschen. ,,Sag mir, was du weißt."
Lysanna blieb stehen und musterte mich, als hätte sie mich noch nie zuvor gesehen. ,,Ich weiß nicht viel. Wir haben eine Art Seher in unseren Reihen. Manchmal sieht er Bruchteile möglicher Zukünfte. Ich schätze, er hat euren Kampf gesehen, deshalb will... wollte Leandros dich wahrscheinlich auch unbedingt tot sehen."
Das war weniger Information, als ich mir erhofft hatte. Seufzend lehnte ich mich gegen die Gitterstäbe. ,,Mehr weißt du nicht?"
Sie schüttelte den Kopf. ,,Tut mir leid, Hadessohn. Es gibt allerhand Legenden über unbekannte Götter und sonstige Fabelwesen, such dir doch was aus."  Eine großartige Idee. Dann nannte ich mich Toaster Man und konnte den Avengers beitreten. Ich hatte endlich meine Lebensbestimmung gefunden.
Ich verdrehte die Augen. ,,Au ja. Gute Idee. Wie wär's mit Sleipnir?"
Lysanna neigte den Kopf zur Seite und lächelte mich an. Was auch immer sie gleich sagen würde, ich hatte die Befürchtung, dass ich sie dafür umbringen wollen würde.
,,Sleipnir? Nein. Ich sehe eher einen Elb in dir. Legolas?" Oh nein. Nicht schon wieder. Was hatten nur immer alle mit diesen verdammten Legolas-Vergleichen?
Ich ließ die Arme sinken.  ,,Warum immer Legolas?", fragte ich seufzend.
Ihr Grinsen wurde breiter. ,,Ha, wusste ich doch, dass ich nicht die Erste bin. Weiß auch nicht. Die Haare? Deine gesunde Kellerbräune?" Beleidigt trat ich einen Schritt zurück und verschränkte wieder die Arme vor der Brust. ,,Hey, ich kann nichts dafür, dass mein Körper es für unnötig befindet, UV Strahlung in gesunde Haut Pigmente umzuwandeln..." Stirnrunzelnd betrachtete ich sie. ,,Warum rede ich eigentlich noch mit dir?"
Sie zuckte beinahe gleichgültig mit den Schultern, aber es wirkte ein wenig gezwungen. Sie versuchte zu überspielen, dass Leandros' Tod sie beschäftigte- und  vermutlich musste sie auch verarbeiten, dass ich eine Liga im Freak-sein aufgestiegen war. Betrachtete man das ganze aus Clash Of Clans Sicht, spielte ich jetzt in der Champion Liga. Mindestens.
,,Das frage ich mich auch schon die ganze Zeit, Hadessohn." Sie fuhr mit den Finger über das Rebellionszeichen auf ihren Oberarm. ,,Immerhin konnte ich wertvolle Parallelen zu Legolas aufdecken. Soll ich das Ganze noch auf Orlando Bloom ausweiten?"
Ich schüttelte den Kopf und schob die Hände in die Taschen meiner Jeans. ,,Ich verzichte dankend." Während ich interessiert den Schimmel betrachtete, der in einer Ecke von Lysannas Zelle wuchs, verarbeitete mein Hirn, was ich von ihr erfahren hatte. Nicht das mit Legolas, das mit dem Seher. Eventuell verschwendete ich an ersteres auch einen kurzen Gedanken.
Seher gab es also tatsächlich. Es hatte schon immer Gerüchte darüber gegeben, dass entfernte Nachfahren von Schicksalsgöttern in seltenen Fällen jenes Gen geerbt hatten, das sie in die Zukunft sehen ließen, aber selbst hatte ich noch nie einen gesehen... glaubte ich jedenfalls. Mir dämmerte gerade nämlich etwas. Der Vasanist, der sich ebenfalls in der Fabrikhalle aufgehalten hatte, hatte mir einige verdächtige Dinge gesagt, bevor er mit seinen verdammten Feuerflügeln im Himmel verschwunden war.

,,Sag mal... Ist dieser Seher zufällig türkishaarig?", fragte ich.

Lysanna zuckte mit den Schultern. ,,Kann schon sein. Er wechselt die Haarfarbe im Durchschnitt ungefähr einmal täglich."
Dann kannte ich also doch einen Seher. Nur hatte ich mir die bisher irgendwie anders vorgestellt. Vermutlich älter, bärtiger und weiser. Das Exemplar, das ich kannte, schien allerdings weder bärtig, noch sonderlich weise zu sein, dafür konnte er augenscheinlich einen massiven Dachschaden vorweisen.
,,Nun denn." Ich nickte Lysanna zu. ,,Man sieht sich."

Sie zog die Augenbrauen hoch. ,,Hoffentlich nicht."

Grinsend drehte mich um und lief aus dem Gefängnis. Ich sollte dringend damit aufhören, eine gefangene Rebellin amüsant zu finden.

Ein Seher also... Vielleicht wusste er ja etwas darüber, was aus mir geworden war. Wenn ich recht darüber nachdachte kam ich zu dem Schluss, dass er ziemlich sicher etwas darüber wusste. Nach dem Kampf gegen Leandros hatte er irgendetwas davon gefaselt, dass ich wüsste, was ich war und es nicht verdrängen sollte.
Allerdings hatte ich keine Ahnung. Ich wusste lediglich, dass ich ein ziemlicher Freak war. Und das hatte ich noch nie verdrängt.

Einige Zeit später fand ich mich vor der Tür meiner Wohnung wieder. Anscheinend hatte der Autopilot übernommen, während ich über zu viele Sachen auf einmal nachgedacht hatte.
Stirnrunzelnd kramte ich den Schlüssel hervor und betrat meine Wohnung. Irgendetwas fühlte sich seltsam an. Ich konnte es nicht wirklich beschreiben, es war eher eine merkwürdige Vorahnung, als würde gleich irgendetwas passieren. Merkwürdig. Ich ging ans Fenster und öffnete es. Atmete die frische, kühle Luft ein. Aber es wurde nicht besser. Im Gegenteil. Die Luft, die durch das geöffnete Fenster strömte, roch verbrannt, nach Feuer und Tod. Ich spürte eine Präsenz hinter mir, die den gesamten Raum mit knisternder Energie füllte. Vermutlich wusste ich, wer es war. Das... war nicht gut. Ich schloss die Augen.

,,Hallo, Seth."