22. Der Glückspilz und die Schnarchnasen

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Am nächsten Tag trafen wir uns früher, da die Ausrede mit der Nachhilfe sonst nicht ziehen würde. Ich hatte mich am Abend nur noch damit rausreden könne, dass ich noch auf Dominique getroffen war und mich eine Weile mit ihr unterhalten hatte und dass es deshalb so spät geworden war.

Um 17:00 Uhr schlüpfte ich durch das Portrait zu unserem Geheimgang. Dort wartete Kyle bereits. Es war diesmal nicht stockdunkel, da er ein paar Kerzen aufgestellt hatte. Außerdem hatte er eine Decke auf dem Boden ausgebreitet, auf die wir uns setzen konnten. Gemütlich und romantisch. Ich lächelte.

Sobald er mich bemerkte, stand Kyle auf und küsste mich. „Hi!", murmelte er an meine Lippen. „Hi! Ich hab das Spiel mitgebracht." Ich hob die Schachtel an, um sie ihm zu zeigen und setzte mich dann auf die Decke.

„Dann wollen wir doch mal sehen, wer von uns wirklich der Gewinner ist", meinte ich und baute das Mensch-Ärgere-Dich-Nicht-Spielfeld auf, dass ich mir heimlich von Rose geliehen hatte. „Ich hab dir doch gesagt, dass ich nie verliere, Schätzchen", erwiderte Kyle selbstbewusst. „Das musst du erstmal beweisen, mein Lieber! Nimmst du die roten Figuren?" Er nickte, also reichte ich sie ihm. Mir selbst baute ich die gelben Figuren auf.

„Um was Spielen wir denn?", fragte Kyle. Verwirrt sah ich ihn an. „Um den Sieg? Wer zuerst alle vier Figuren im Ziel hat. Weißt du nicht mehr, wie das Spiel geht?" Er lachte leise auf. „Ich weiß, ich weiß. Und was bekommt der Sieger? Ich dachte, wir machen es ein bisschen spannender." „Ach so!" Die Idee gefiel mir. „Und was möchtest du haben, wenn du gewinnst?" Darüber hatte er anscheinend schon nachgedacht. „Wenn ich gewinne, dann ist unser nächstes Date wieder im Vertrauensschülerbad", antwortete er sofort und grinste dabei anzüglich. „Na schön", erwiderte ich. „Der Gewinner darf aussuchen, was wir morgen machen. Wer fängt an?" Fragend hielt ich ihm den Würfel hin. „Ladies first!"

Ich fing also an und schaffte es beim dritten Versuch, eine Sechs zu würfeln. Ich durfte vier Schritte vorgehen. Kyle schaffte es auch erst beim dritten Mal, würfelte danach allerdings direkt noch eine Sechs und eine Fünf. Was für ein Glückspilz...

Eine Weile ging es so hin und her, bis ich es schaffte eine Figur von ihm rauszuwerfen. Allerdings hatte er bereits zwei weitere im Spiel.

Er schaffte es schließlich als erstes eine Figur ins Ziel zu bringen, doch danach gelang es mir drei Figuren hintereinander zu sichern. Trotzdem holte er mich wieder ein, da er meine letzte Figur ständig rausschmiss, während er seine Figuren auch nach und nach ins Ziel rettete. Wir hatten unglaublich viel Spaß bei der Sache, obwohl wir uns die ganze Zeit über unsere Niederschläge aufregten.

Letztendlich standen wir beide mit unserer letzten Figur kurz vorm Ziel. Wir konnten uns jetzt nicht mehr rausschmeißen. Es ging nur noch darum, wer als erstes die passende Zahl würfelte. Ich brauchte noch eine Vier, Kyle eine Zwei.

Um etwas Glück heraufzubeschwören, pustete ich den Würfel an und schüttelte ihn ganz lange in der Hand. „Das wird dir auch nicht helfen, Weasley", meinte Kyle und sah mich herausfordernd an. Pfff, das würden wir ja sehen... Ich würfelte eine Eins. Na immerhin durfte ich einen Schritt vorgehen. Kyle würfelte eine Vier, was zu viel war und musste stehen bleiben.

Bitte eine Drei, bitte eine Drei! Doch ich würfelte eine Fünf und musste ebenfalls stehen bleiben. Nun war Kyle wieder dran und würfelte eine Sechs. „Ha! Wieder zu viel." Ich wollte den Würfel nehmen, doch er zog ihn weg. „Nicht so schnell, meine Liebe! Ich darf noch mal, das war eine Sechs." Ups, stimmt ja. Er würfelte erneut und... hatte eine Zwei. Verdammt! Ein strahlendes Grinsen bildete sich auf seinem Gesicht und er setzte seine letzte Figur ins Ziel. „Ich hab doch gesagt, dass ich nie verliere!" Wie konnte dieser Typ bitte so viel Glück haben? Kein Wunder, dass er so ein großes Selbstbewusstsein hatte...

Wir spielten noch zwei Runden, von denen immerhin eine ich gewann. So viel zum Thema er verliert nie... Doch insgesamt lag er vorne und die Wette hatte er natürlich auch gewonnen. Nun war es Zeit zu gehen, damit die anderen nicht misstrauisch wurden.

Kyle kam zu mir herüber, legte seinen Arm um mich und positionierte uns so, dass ich auf der Decke lag und er auf mir. Sein Gesicht war meinem so nah, dass wir uns fast berührten und mein Puls beschleunigte sich. Er lehnte sich vor, küsste meinen Mundwinkel und meine Wange bis hin zu meinem Ohr. „Wir treffen uns dann Morgen im Vertrauensschülerbad", flüsterte er mit rauer Stimme. Sofort hatte ich wieder Gänsehaut. Dieser Typ machte mich echt fertig. „Ich freue mich schon!" Ich dachte, er würde mich jetzt küssen, doch stattdessen stand er einfach auf und ließ mich auf dem Boden zurück. Ein klein bisschen enttäuscht lag ich da.

Als er schon am Ausgang war, richtete ich mich schnell auf. „Hey! Was ist mit dem Zeug hier?" Ich deutete auf die Decke und die Kerzen. Doch Kyle zuckte nur mit den Schultern und verschwand grinsend aus dem Geheimgang. Na toll! Ich seufzte auf und begann aufzuräumen. Der war mir ja ein schöner Gentleman...

Ich packte das Spiel ein, faltete die Decke zusammen und pustete die Kerzen aus. Bis auf das Spiel ließ ich jedoch alles einfach liegen, da hier eh niemand vorbeikam, und machte mich dann auf den Weg in den Gemeinschaftsraum.

„Und wie war die Nachhilfestunde?", fragte Rose, ohne von ihrem Buch aufzusehen. Ich ließ mich auf das Sofa neben ihr fallen. „Ganz gut", antwortete ich flüchtig. „Welches Fach unterrichtest du denn?" „Verteidigung" Das war das einzige Fach, in dem Rose nicht besser war als ich und somit am wenigsten verdächtig. Vor allem auch, da es mir Spaß machte und der Professor mich mochte.

Ich überlegte gerade, wie ich sie ablenken konnte, damit sie mir keine weiteren Fragen mehr stellte, da kamen Fred und James und nahmen mir das ab.

„Rutsch mal ein Stück!", meinte James zur Begrüßung. Pff, das war meine Couch. „Setz dich doch auf die Lehne", brummte ich und machte keine Anstalten, ihm Platz zu machen. Kurzerhand hob er meinen Kopf an, setzte sich und legte meinen Kopf auf seinem Schoß ab. Auch gut. Fred, der sich tatsächlich auf die Lehne gesetzt hatte, tat es James jetzt gleich. Er hob meine Beine an, ließ sich ins Polster plumpsen und platzierte meine Beine auf seinem Schoß.

„Also, was machen wir jetzt?", fragte er, sobald er es sich bequem gemacht hatte. „Ihr habt mir Nerven", murmelte ich. „Platzt hier einfach so rein, stört meine Ruhe, klaut mir meine Couch und dann soll ich euch auch noch beschäftigen? Na danke..." „Schwesterchen, du liegst hier über drei Sitzplätze verteilt, während ich deine Stinkefüße auf dem Schoß habe. Beschwer dich mal nicht!" „Selbst gewähltes Leid", meinte ich nur und streckte ihm die Zunge raus.

Rose klappte geräuschvoll ihr Buch zu. „Du kannst mit mir Zauberschach spielen." Abwartend sah sie Fred an. „Gegen dich verliere ich doch eh." „Ist dir nun langweilig oder nicht?" Fred stöhnte auf und schob meine Füße zur Seite. „Na schön. Aber nur, weil die beiden hier langweilige Schnarchnasen geworden sind. Ist immerhin Training für mein strategisches Denken" Die beiden verzogen sich und ließen James und mich zurück.

Dieser schien genau wie ich gerade einfach eine Pause zu brauchen. Gedankenverloren starrte er in die Luft und spielte mit einer Haarsträhne von mir rum. „Stress mit Ari?", fragte ich vorsichtig. „Was? Nein! Mit Ari läuft alles super. Ich brauche nur dringend Ferien", erwiderte er. „Na dann... Hast es ja bald geschafft!" In nicht mal mehr zwei Wochen würden die Weihnachtsferien beginnen. Ich machte es mir gemütlich und döste nach ein paar Minuten ein.

Anscheinend war auch James eingeschlafen, denn als es Zeit zum Abendessen war, weckte uns Fred mehr oder weniger – eher weniger – sanft auf. „Was hab ich gesagt? Langweilige Schnarchnasen!" 

Dieses Spiel zwischen unsWhere stories live. Discover now