23. Wasser bedeutet Hoffnung

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Mittlerweile war der Sturm stärker geworden. Mit zusammengekniffenen Augen bedeckte die Gruppe ihre Münder. Sand wirbelte um sie herum und versperrte ihnen die Sicht.
Plötzlich fegte eine starke Böe über ihre Köpfe hinweg.
„Hey, mein Hut!"
So schnell er konnte rannte Bill hinter seinem Hut her und bekam ihn noch im letzten Moment zu fassen bevor er ins Nirgendwo davonflog.
Über Stumps Mund glitt ein kleines Lächeln. Seine Freunde hatten ihn dazu überredet mit ihnen in den Saloon zu kommen. Außerdem wollte er ohnehin nach seinen Kindern sehen.
Mit letzten Kräften schafften es die Klapperschlange, die zwei Hasen, das Gila-Monster und die Maus in den Saloon.
„Oh, gerade noch rechtzeitig", wurden sie von Buford empfangen, der gleich neben der Tür stand. In seinen Händen hielt er mehrere Holzbretter. „Ich wollte gerade die Tür verrammeln."
„Wo sind die Kinder?", fragte Stump.
Buford deutete in eine Ecke.
„Dort..."
„DAD!"
Übermütig stürmten Stanley und Portley zu ihrem Vater und umarmten ihn an den Hüften.
Jakes Blick wanderte zur Bar.
„Oh, Mister Jake", grüßte ihn der Bürgermeister.
Die Klapperschlange nickte ihm respektvoll zu.
Der Bürgermeister nickte zurück. „Windiges Wetter heute, nicht wahr?"
Er nahm ein Glas. „Wollen Sie einen Drink?"
„Deshalb sind wir ja hier."
Kinski ging an den Bürgermeister vorbei und klopfte auf die Theke.
„Komme gleich", meldete sich Buford. Mit Mühe schaffte es die Kröte die Holzbretter an den Flügeltüren zu befestigen, sodass der Eingang gesperrt und vor dem Sturm geschützt war.
Anschließend rieb sich der Barkeeper die Hände und ging hinter die Bar.
„Was darf es sein, Gentlemen?"
„Fünf Gläser Kaktusschnaps", bestellte Kinski und legte seinen Hut auf dem Tisch ab.
Jake platzierte sich neben dem Bürgermeister. Er sah auf, als der Wind heftig um das Haus herumwehte.
„Das ist normal", beruhigte ihn Buford.
Jake nickte. Dann schielte er zum Bürgermeister rüber und bemerkte, wie dieser mit seinen Nägeln an seinem Glas strich.
Bürgermeister John spürte seinen Blick und sah ihn an.
„Also, was machen Ihre Ermittlungen?", fragte er mit einem Lächeln, allerdings war es ein äußerst gespieltes Lächeln.
Die Klapperschlange verengte die Augen. „Woher wissen Sie davon?"
„Ich habe Sie beobachtet. Niemand geht zu Joel rüber ohne einen vernünftigen Grund."
Jakes Aufmerksamkeit wurde kurz abgelenkt, als er nicht weit entfernt Mister Merrimack an einem Tisch sitzen sah und mit zittrigen Händen sein gefülltes Glas hielt, sodass die Flüssigkeit teilweise auf den Tisch schwappte. Er war immer noch ein nervöses Wrack.
„Sheriff?!"
Jake zuckte zusammen, als Mrs. Daisy auf ihn zu gerannt kam. „Was ist passiert?!"
„Was meinen Sie, Madame?"
„Mister Merrimack hat uns berichtet, dass die Banditen etwas von unserem Wasser gestohlen haben!", schaltete sich jetzt auch Mrs. Oats ein.
„Eine ganze Tagesration", murmelte Mister Merrimack aus seiner Ecke.
„Allerdings, das haben sie..."
„Wenn die Bank schon leer ist, dann sind wir tot!", rief Mrs. Daisy und schlug sich die Hände über den Kopf.
„Nur keine Sorge. Er wird das Wasser schon zurückbringen", sagte Bill. „Wir haben bereits eine heiße Spur."
Jakes Haltung versteifte sich und warf ihm einen verärgerten Blick zu.
„Was für eine heiße Spur?", zischte Jake ihm zu.
„Na ja, fast eine heiße Spur", flüsterte Bill zurück. „Solange sollten wir die anderen in Sicherheit wiegen."
„Was ist denn jetzt?"
Alle Leute reckten die Hälse und sahen sie mit neugierigen Augen an.
„Wir arbeiten daran", versuchte Jake es zu erklären.
„Wissen Sie denn wo das Wasser ist?"
„Er weiß es?"
„Wovon redet der eigentlich?"
In diesem Moment ertönte ein klirrendes Geräusch durch eines der Fenster. Der Wind hatte etwas gegen die Fensterscheibe geschleudert. Alle Leute schraken zusammen. Buford sprang hinter seiner Theke hervor und rannte ans Fenster.
„Ich mach das schon."
So schnell er nur konnte nahm er ein Holzbrett zur Hand und hielt es über das kaputte Fensterglas.

In der Zwischenzeit wehten starke Windböen über die Landschaft. Die Sicht wurde wegen dem vielen aufgewirbelten Sand immer schlechter. Die Straßen der Stadt waren leer. Alle Leute verharrten in ihren Häusern oder im Saloon. Der Friedhof lag einsam und verlassen zwischen den Hügeln. Die Blume, die Bürgermeister John auf das Grab seiner Frau gelegt hatte, wurde vom Wind mitgerissen und davongeweht. Sie flog über den Boden in Richtung des großen Wasserhahnes bis sie die Schuhspitze einer vermummten Gestalt berührte, die es mit ihrem Fuß auffing. Schweigend betrachtete die dunkle Gestalt die vertrocknete Blume. Er kniete sich runter und hob sie auf. Nach einer Weile ließ er sie wieder los und der Wind trug sie davon. Die Figur streckte ihre Hand aus und berührte mit ihren Fingern den Boden, auf dem er alte Schlangen-Schuppen entdeckte. Er hob eine davon auf und zerrieb sie zwischen seinen Fingerspitzen.
„Hm. Interessant."
Seine beweglichen Augen wanderten nach vorne, wo die Stadt sichtbar wurde. Er kniff die Augen zusammen und erhob sich. Wie ein Fels in der Brandung stand er im starken Wind. Um sein Gesicht hatte er einen Schal gebunden, um seinen Mund vor dem lästigen Sand zu schützen. Er trug einen flachen Cowboyhut und einen Umhang, der heftig im Wind flackerte.

Doc gähnte laut und wollte gerade die Gardinen des Krankenzimmers zuziehen. Plötzlich hielt er inne. Irgendjemand spazierte mit langsamen Schritten die Straße runter. Doc kniff die Augen zusammen, doch mehr als eine dunkle Silhouette konnte er nicht erkennen. Und nach ein paar weiteren Schritten war die Figur wieder aus seinem Blickfeld verschwunden.

„Erledigt." Buford spuckte in die Hände und verließ das reparierte Fenster. „Das ist normal."
Die Stadtleute atmeten erleichtert auf, doch im nächsten Moment fingen sie wieder mit ihrer Diskussion an.
„Aber was wird passieren, wenn die eines Tages noch das ganze Wasser stehen?", fragte jemand.
„Ohne Wasser haben wir keine Hoffnung für die Zukunft mehr."
„Das ist noch gar nicht passiert", meinte Jake. „Noch haben wir Wasser."
„Aber wie lange noch?"
„Es besteht kein Grund zur Aufregung solange wir noch Wasser haben. Ich weiß, dass ihr ein Wasserproblem habt. Aber ich kann euch versichern, dass ich alles tun werde um das letzte Wasser zu schützen."
„Sheriff Jake hat Recht", meinte auch Bürgermeister John. „Solange wir Wasser haben, haben wir Hoffnung."
„Hoffnung?"
Gordy saß wie immer in einer Ecke mit einer Whiskey-Flasche in der Hand und kicherte.
„Hoffnung ist relativ. Wir sollten eher hoffen, dass wir tot sind bevor uns die Clans die Kehlen durchschneiden. Ich sage euch, die werden Krieg um das letzte Wasser machen. Genauso wie wir es heute schon gesehen haben."
Kinski schlug mit der Faust auf den Tisch. „Nur weil er für einen kurzen Moment mal nicht in der Stadt war! Stopft euch doch nicht eure Ohren mit diesem hirntoten Geschwätz voll."
Er verstummte, als Jake ihn mit seiner Waffe beiseiteschob. „Ich kann euch versichern, dass ich in der Stadt bleiben werde. Dafür hab ich ja gute Helfer."
Bill rieb sich nervös den Kopf, als Jakes Augen direkt auf ihn fielen. „Äh, ja."
Doch Gordy beeindruckte das gar nicht. Stattdessen wedelte er mit den Händen in der Luft herum. „Hört mir zu, Leute. Ich hatte eine Vision."
Die meisten verdrehten die Augen. Es wäre das erste Mal, dass sich Gordys „Visionen" mal bewahrheiten würden.
„Und ich prophezeie euch, dass das Unheil jeden Moment durch diese Tür kommen wird..."
Plötzlich flog die Tür auf und die Holzbretter krachten in die Hausinnenwand. Alle Leute fuhren herum. Heißer Sand blies ihnen in die Gesichter. Bill musste sich die Hände vor die Augen halten und die Klapperschlange blinzelte heftig, bis er es schaffte die Augen länger offen zu halten. Ein Schatten stand hinter den Flügeltüren des Saloons.

RANGO // OӘͶAЯ - Another Outlaw Story [dt.]Where stories live. Discover now