28. Hinter den Mauern

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Seelenruhig lutschte das Chamäleon sein Tic Tac und ließ es langsam im Mund zergehen. Er machte sich nicht die Mühe die zwei Reptilien zu verfolgen. Er wusste ja wo er sie finden würde. Sein Blick wanderte runter zur Ranch. Ihm waren eine Menge Gerüchte über diesen Ort zu Ohren gekommen und so beschloss er kurzerhand einen Spaziergang zu wagen. Er hielt erst an, als er Stimmen hörte.
„Wie oft?", sagte eine alte Männerstimme verbittert. „Wie oft soll ich dir noch sagen, dass du nicht mit Fremden reden sollst?!"
„Ich glaube nicht, dass er mir was antun wollte", beteuerte eine Frauenstimme kleinlaut.
Vorsichtig spähte das Chamäleon über den Rand des Hügels, wo er Reis dabei beobachtete ihrem Vater hochzuhelfen.
„Oh! Und was ist das hier?!"
Joel deutete auf seine blutende Schulter.
„Bitte reg dich nicht auf, Vater. Komm, wir müssen deine Schulter verbinden."
Schweigend beobachtete Nobody wie die Echsen-Dame mit dem Älteren im Haus verschwand.
Er ließ seinen Blick schweifen und hielt über der alten Scheune an. Er dachte einen kurzen Moment nach, dann lief er darauf zu.
Er hatte keine Angst. Die Echse lachte, während sie dabei über mehrere Stolperfallen stieg.
„Nettes Spielzeug", murmelte er. Mit wachsamem Blick erreichte er das Gebäude, das nur wenige Meter von dem Farmhaus entfernt stand.
Was hatte der alte Mann hier zu verbergen?
Er öffnete die Tür. Sie war nicht verschlossen. Er schaute hinein und war gleichzeitig überrascht.
Die Scheune war gefüllt mit Rohren und Schläuchen. Erleuchtet wurde der Stall von alten Öllampen. In der Mitte stand ein alter Metallcontainer.
Das Chamäleon schritt durch den Türrahmen und ging hinein. Der Boden war teilweise mit altem Stroh bedeckt. Nachdem er den gigantischen Tank erreicht hatte, streckte er seine Hand aus und berührte die Metallwand. Er fühlte Kälte und den Klang von fließender Flüssigkeit.
Er verengte die Augen. „Hm. Interessant."
Er zuckte zusammen. Seine beweglichen Augen hatte eine Bewegung am äußersten Ende der Scheune wahrgenommen. Jemand rannte auf ihn zu und stürzte sich auf ihn. Schnell duckte sich das Chamäleon und warf den Angreifer zur Seite. Die Person purzelte zu Boden.
Er drehte sich um und sah jetzt wer es gewagt hatte ihn zu attackieren. Er hielt in seinen Bewegungen inne von seiner Waffe Gebrauch zu machen.
Auf dem Boden saß eine Echse, braune Haut, blaues Kleid und halb langes braunes Haar mit Korkenzieher-Locken.
„Na, sieh mal einer an, was haben wir denn da? Ein kleines Mädchen."
Er steckte seine Waffe zurück in den Holster.
„Ich bin kein kleines Mädchen!", fauchte sie.
„Na schön, großes Mädchen." Er grinste.
Die Echsen-Dame stand auf und starrte ihn mit giftigem Blick an.
„Hau ab! Du hast hier nichts verloren!"
Das Chamäleon verschränkte die Arme. „Ich gehe wann und wenn es mir passt, Schätzchen."
„Wag es ja nicht mich so zu nennen!"
Das Chamäleon schenkte ihren Worten keinerlei Beachtung und sah sich um. „Ihr scheint sehr einfallsreich zu sein. Produziert ihr hier etwas Spezielles?"
„Das geht dich überhaupt nichts an! Verschwinde von hier! Sofort!"
Sie wollte ihn wegstoßen, doch das Chamäleon drehte sich um und nutzte ihre Kraft gegen sie selber. Das Mädchen wirbelte herum, fand aber sofort wieder ihre Balance wieder.
„Du hast mehr Gift auf der Zunge, als eine Klapperschlange in den Zähnen", schmunzelte er.
„Wenn du nicht sofort abhaust, schmeiß ich dich raus!"
Spöttisch schnalze Nobody mit der Zunge.
„Ich spiele nicht mit kleinen Mädchen."
Die Echsen-Dame verengte wütend die Augen. „Scher dich weg!"
Das Chamäleon zog die Augenbrauen hoch und schmunzelte erneut. „Eine ganz schön giftige Zunge hast du da für ein Mädchen, oder, Süße?"
Die Frau schnaubte abfällig. Sie sprang auf und griff nach einem Stock.
Überrascht sah das Chamäleon sie an. Dann lächelte er amüsiert.
„Na gut, ich hab im Moment eh nichts zu tun."
Er nahm einen ähnlichen Stock zur Hand und standen sich jetzt wie zwei Fechter gegenüber.
Die Frau machte den Anfang und rannte auf ihn zu. Das Chamäleon wich aus und machte hastig ein paar Schritte zur Seite. Ihr Stock schlug ins Leere.
Doch das Mädchen ließ sich dadurch nicht irritieren. Sie drehte sich um und startete einen neuen Angriff. Jetzt schlug die Echse zurück und beide Stöcke krachten aneinander.
„Oh, was für ein nettes Rendezvous", lachte das Chamäleon. „Erinnert mich an eine Hochzeit von einem Freund von mir."
Doch die weibliche Echse war nicht auf einen Plausch mit ihm aus. Sie stiegen über mehrere Rohre und Schläuche, wobei sie ihn immer wieder angriff. Dabei war sie es immer die ihm immer hinterherjagte. Und wenn sie dachte, sie könnte ihn treffen, wich er ihren Schlägen aus. Plötzlich stolperte das Chamäleon über eine kleine Rohrleitung auf dem Boden. Für ein paar Sekunden war er abgelenkt. Die junge Frau nutzte die Chance und schlug mit dem Stock auf seinen Bauch. Stöhnend krümmte das Chamäleon sich zusammen.
„Netter Schlag für ein Mädchen", zischte er mit zusammengebissenen Zähnen.
Doch in der nächsten Sekunde nahm er einen wütenden tiefen Atemzug. „Na schön, aber jetzt ist Schluss mit lustig."
Jetzt stürmte die männliche Echse vor. Für einen Moment war die Frau völlig überrascht. Wie ein professioneller Schwertkämpfer schwang das Chamäleon den Stock, blitzschnell, und in der nächsten Sekunde schlug er dem Mädchen ihren Schlagstock aus der Hand, und flog durch die Luft.
Er richtete das Ende seines Stockes auf ihr Kinn.
Er lächelte. „Schwache Mädchen sollten nicht mit großen Jungs spielen."
Sie knurrte ihn an. Plötzlich griff sie nach einer Kordel und zog daran. Nicht weit entfernt ging eine Rohrleitung krachend zu Boden. Das Chamäleon schaute hinter sich, um ihr auszuweichen, doch das Metallstück blieb an Ort und Stelle liegen. Sein Blick wanderte wieder nach vorne, doch die Frau war verschwunden.
Er knurrte und schaute sich um, konnte sie jedoch nicht mehr sehen.
„Komm raus, Süße", säuselte er. „Ich werde dir nicht wehtun."
Mit langsamen Schritten ging er an den Rohren entlang. Ein Rumpeln ließ seinen Blick in eine Ecke huschen.
Er schmunzelte. „Jetzt sei nicht so schüchtern."
Er ging auf die Ecke zu, doch noch bevor er sie erreichen konnte, flog plötzlich etwas Kleines über ihm durch die Luft. Das Chamäleon registrierte das Objekt in einer Millisekunde. Blitzschnell schnellte er seine Zunge raus, packte die Fliege und ließ sie im Mund verschwinden. Doch zu seiner großen Überraschung besaß die Fliege eine ungewöhnliche Kraft. So eine Kraft, die ihn nach vorne fallen ließ und er gezwungen war den Mund wieder zu öffnen. Die Fliege zog ihn und flog hoch.
Das Chamäleon war unfähig was dagegen zu tun. Seine Zunge klebte an ihr wie Kleber. Hastig packte er seine lang-gestreckte Zunge. Im Schein der Lampen erkannte er eine Schnur. Zu spät realisierte er, dass die Fliege keine richtige Fliege, sondern ein Fischköder war. Wie ein Fisch an der Angel stand er vor einem Holzbalken und schaute etwas besorgt nach oben, aus Angst seine Zunge könnte abreißen, wenn er die Schnur nicht durchtrennt. Hilflos stand er auf den Zehenspitzen. Vorsichtig versuchte er seine Zunge wieder zurückzuholen und zog daran.
Plötzlich trat jemand hinter ihm und drückte seine Hände auf den Rücken. Kurz darauf fühlte er eine Klinge auf seiner Kehle.
Er bewegte die Augen nach hinten und seine gelben Augen trafen Sekunden später auf die braunen Augen des Mädchens.
„Wer ist jetzt das schwache Mädchen?", zischte sie. Ein zufriedenes Lächeln zierte ihre Lippen.
Das Chamäleon ballte die Fäuste. „Verdammt!", murmelte er mit ausgestreckter Zunge. „Ich kanns auch nie unterdrücken."
„Wo bleibt dein Kompliment?", fragte sie spöttisch.
„Nicht schlecht", knurrte Nobody abfällig. „Für ein Mädchen."
Er schnappte nach Luft als die weibliche Echse ihren Druck der Klinge auf seiner Kehle verstärkte. „Rühr dich nicht von der Stelle und ich lasse deine Zunge dran. Oder ich schneid sie dir ab."
Nobody zuckte zusammen, als das Mädchen das Messer an seine Zunge ansetzte.
„Verstanden?"
Das Chamäleon nickte.
Die grüne Echse wehrte sich nicht dagegen, als das Mädchen seine Hände auf den Rücken fesselte. Er war so wütend wie noch nie zuvor in seinem ganzen Leben. Die Echsen-Dame zog die Kordel fest.
„Ist Fesseln ein Hobby von dir?", fragte das Chamäleon, immer noch mit heraushängender Zunge.
Das Mädchen schnaubte. „Nein."
„Und was jetzt?", fragte er. „Hast du jetzt vor mich für den Rest meines Lebens hier hängen zu lassen?"
„Ich weiß es nicht."
Plötzlich stieß jemand mit einem lauten Knall die Tür auf.
„BOHNE!"
Joel richtete seine Waffe auf das Chamäleon.
Das Mädchen namens Bohne schrie auf.
[PENG!]
Das Chamäleon riss die Augen auf, als ein scharfer Schmerz sein Bein durchdrang.
„Nein! DAD!"
Das Echsen-Mädchen wich zurück.
Die alte Echse schrak zusammen und senkte sofort die Waffe. Seine Tochter sah ihn mit geschockten Augen an und starrte auf das Gewehr.
„Es tut mir leid", entschuldigte sich ihr Vater und rannte zu ihr.
Bohne schlang ihre Arme um ihn und begann zu schluchzen. „Nie mehr."
„Tut mir leid, ich vergaß."
Das Chamäleon sah sich das Szenario mit völliger Verwirrung an. Der Charakter des Mädchens hatte sich so rapide verändert wie von Tag auf Nacht. Ihr Selbstbewusstsein war mit einem Mal verschwunden wie eine heruntergefallene Maske.
Er zitterte ein bisschen und sah an seinem Bein herunter, wo ein kleiner Blutfleck am Unterschenken seine Jeans füllte. Es war zwar nur ein Streifschuss, aber es tat weh. Er schnaubte.
Dafür wirst du teuer bezahlen.
Das Chamäleon verengte die Augen, während der Vater den Rücken seiner Tochter streichelte.
„Was für ein verfluchter Tag", dachte das Chamäleon. „Ausgeknockt von einem Mädchen. Wie demütigend."

RANGO // OӘͶAЯ - Another Outlaw Story [dt.]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt