Tell them the fairytale gone bad

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Er hatte es mir wirklich erzählt. Überfordert mit so vielen Informationen lehnte ich mich gegen die Wand hinter dem Bett. Samu hingegen versteckte sein Gesicht in den Händen und stützte seine Ellbogen auf den Oberschenkeln ab. Natürlich war es nicht leicht für ihn. Mir wurde bewusst was dieser Mensch hier eigentlich durchlebt hatte. Vom normalen Jungen aus Helsinki zur Berühmtheit. Dann der Absturz und er wurde vergessen. Verließ alle und wurde entführt...
Es klang wie aus einem Buch. Einem unwirklichen Buch, geschrieben um zu unterhalten und Spannung aufzubauen, doch es war die Realität. Die Wahrheit. Keine Geschichte die man einfach so erzählte. Ein Buch vom Leben selbst geschrieben. Unerbittlich und gnadenlos. Sein Leben, welches so schön begonnen hatte und auch wie ein Märchen weitergehen hätte können, wurde zum wahrhaftigen Alptraum.
Langsam hob er seinem Kopf wieder an und sah zu mir. Er schien zu warten was ich dazu sagen würde, jedoch viel mir kein Wort ein was jetzt gepasst hätte. Kein Satz der eine Reaktion auf sein Erzähltes gerecht werden würde. Ich war schockiert, hatte Mitleid mit ihm und doch war ich irgendwie sauer da er einfach so abgehauen war, nicht mal seiner Familie Auskunft darüber gab ob ihr Sohn, Bruder und Freund noch am Leben war. Aber was hätte ich an seiner Stelle gemacht? Wäre ich auch gegangen? Vermutlich schon.
Da ich es nicht in Worte fassen konnte legte ich meine Arme um ihn und zog ihn in eine Umarmung. Schutz suchend klammerte er sich an mich. Langsam spürte ich wie mein Shirt von seinen Tränen durchnässt wurde. Hart schluckte ich um nicht gleich mit zu weinen. Ich blieb mit ihm einfach so sitzen, ließ ihm die Zeit die er brauchte und die Nähe eines anderen Menschen. Ich wusste nicht wie viele Minuten vergangen waren, aber ich schätzte mal gute 20. Dann löste er sich wieder von mir. „Fuck..." er wischte sich über seine roten Augen und fuhr sich durch die Haare. Ich reichte ihm ein Taschentuch. Dankend nahm er es. „Sorry das...das ich dich vollgeheult habe..." Ich schüttelte leicht den Kopf. „Samu das ist mir sowas von egal." Ich fing an etwas zu grinsen. Wie er sich einfach noch immer für alles entschuldigte. Sein Mundwinkel hob sich auch ein bisschen. Keiner wusste was er in diesem Moment sagen sollte und im Raum herrschte eine ungewöhnlich Stille. Er hatte mir zwar von seinem Leben erzählt aber trotzdem wusste ich noch immer nicht was ihm in diesem Waldhaus angetan wurde. „Was haben sie mit dir gemacht?" Meine Stimme durchbrach die Stille. „Wer?" Samu sah nun direkt in meine Augen. „Die Leute in diesem Waldhaus." Ich erwiderte seinen Blick und sah ihn sanft an. Schüttelnd senkte er seinen Kopf. „Ich kann das nicht erzählen...es geht nicht..." - „Warum nicht?" - „Weil...weil...ich will nicht das irgendwer davon erfährt. Niemand." Ich wollte es wissen, vielleicht würde ich ihn dann noch besser verstehen. „Erzähl es mir."- „Nein." - „Erzähl es mir." - „Mia ich kann das nicht. Ich könnte dir nie wieder in die Augen schauen, wenn ich es dir erzählen würde, ich würde nicht damit klarkommen, wenn du wissen würdest was dort passiert ist." - „Bitte. Erzähl es mir." - „Nein! Verdammt nochmal. Ich KANN ES DIR NICHT ERZÄHLEN." Aufgebracht stand er auf. Ich nahm jedoch seine Hand und zog ihn wieder aufs Bett. Jetzt waren unserer Gesichter nur noch wenige Zentimeter voneinander getrennt und er sah mich mit leicht geöffneten Lippen an. „Erzähl es Samu." Ich spürte seinen Atem an meiner Wange als er ausatmete und kurz die Augen schloss. Danach sah er mich wieder an. „Ich weiß nicht wie ich anfangen sollte..." geflüstert gelangen diese Worte an meine Ohren. Ich entfernte mich wieder ein wenig von ihm. Er wirkte plötzlich so hilflos und verloren. Verloren in seinen eigenen Erzählungen, gefangen in der Vergangenheit. „Niemand sollte es jemals erfahren. Niemanden wollte ich es je erzählen. Keinem." Er sprach mehr mit sich selbst als mit mir. „Du packst das, wenn du es geschafft hast alles andere zu erzählen geht das auch noch." Immer noch zweifelnd lag sein Blick auf mir. „Nein. Ich kann das nicht..."

No sound. No light.|| Sunrise AvenueWhere stories live. Discover now