Daylight

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Warmes Sonnenlicht durchflutete den Raum, als ich meine Augen am nächsten Morgen öffnete. Sami war anscheinend schon aufgestanden, zumindest lag ich alleine in dem weichen Bett. Geschirrgeklapper ertönte aus Richtung Küche. Gähnend streckte ich mich und lächelte zufrieden in mich hinein.

So gut hatte ich seit Monaten nicht mehr geschlafen. Die Metallbetten im Heim taugten ja eh nichts, und zu Hause bei meinen Pflegeeltern hatte ich zugegeben häufig kein Auge zubekommen, aus Angst mein ‘‘Vater“ würde kommen. Entschlossen schob ich diese Erinnerungen beiseite und richtete mich auf. Ich wollte gerade den Nachtisch nach meinem Handy abtasten, da fiel mir ein, dass sich dieses ja immer noch in der Tasche meiner Camouflagejacke befand.

Rasch richtete ich mich auf und machte mich auf den Weg in Richtung Küche. Der Parkettboden unter meinen nackten Füßen fühlte sich ziemlich kalt an und ich fröstelte. Bevor ich aber über die Schwelle zur Küche trat, machte ich mich am Kleiderbügel im Eingangsbereich zu schaffen und kramte mein Iphone aus der Jackentasche hervor. Natürlich war es ausgeschaltet, und ich würde es auch unter gar keinen Umständen noch einmal anmachen. Viel zu groß war die Angst die Polizei würde mich orten. Wenn sie denn überhaupt nach mir suchten. Wozu auch? Niemand vermisst mich doch? Zumindest nicht wirklich. Klar, die Leitung des Waisenhauses würde eine Vermisstenanzeige aufgeben. Aber dass ich wirklich wohlbehalten zurückkehrte war denen doch völlig egal.

Unentschlossen betrachtete ich mein Iphone. Eigentlich musste ich unbedingt den Akku herausnehmen, ansonsten war ich noch zu orten. Das Problem war bloß, ich hatte ein Iphone. Der Akku war nicht herausnehmbar. Scheiß Apple. Hmm, dass ich das mal sagen würde. Ich konnte mich noch haargenau an die ganzen Streits mit meiner besten Freundin (aus Deutschland)  erinnern, was nun besser wäre, Samsung oder Apple. Ich hatte ein Iphone 5, sie ein Samsung Galaxy S4 oder so. Eigentlich total unnötig worüber wir uns immer gestritten hatten. Ein leichtes Grinsen überflog meine Lippen und ich schüttelte den Kopf. Was sie jetzt wohl machte? Ich hatte sie seit 3 Jahren nicht mehr gesehen. Egal. Menschen kommen und gehen, damit musste ich mich nun einmal abfinden.  

Blieb jetzt nur noch das Problem mit der Handyortung. Schweren Herzes betrachtete ich das Gerät. Ich wusste keinen anderen Ausweg. Also betrat ich die Küche und steuerte auf das Fenster zu. Doch bevor ich es öffnen konnte, spürte ich wie sich zwei strake Armen von hinten um mich schlangen und mich festhielten.

,,Guten Morgen, süße“

,,Morgen“, flüsterte ich und drehte mich zu ihm.

Keine zwei Sekunden später fanden sich meine Lippen auf seinen wieder. Der Kuss wurde von Minute zu Minuten leidenschaftlicher und mein Herz klopfte mir bis zum Hals. Ich fühlte Samis Hände, die langsam meinen Rücken rauf und hinunter strichen, bis sie an meinem Hintern hängenblieben. Lächelnd stöhnte ich in den Kuss hinein und schlang meine Arme ebenfalls um Samis Oberkörper. Nach einer Weile lösten wir uns wieder voneinander und schauten uns in die Augen.

,,Was willst du beim Fenster?“

,,Mein Iphone vernichten“

,,Was?“, fragend lachte Sami auf.

,,Ich mein das Ernst. Die dürfen mich nicht finden.“

,,Wer ist die?“, augenblicklich verfinsterte sich seine Mine und er guckte mich verständnislos an.

Plötzlich überkam mich eine Woge der Angst. Würde er mich wieder vor die Tür setzen, wenn er befürchten musste, dass hier irgendwann die Polizei aufkreuzte? Obwohl ich mir nicht vorstellen konnte, wie sie mich finden sollten. Nach Mailand konnten sie meine Spur vielleicht noch verfolgen. Aber jetzt konnte ich überall sein. Scheiße, ich musste mich irgendwie komplett umstylen oder sowas.

,,Ähm, ich…“, stotternd biss ich mir auf die Lippen.

,,Ja?“, hakte Sami weiter nach.

,,Na ja, ich hab doch gesagt ich bin vom Heim abgehauen und na ja, die Bullen suchen mich bestimmt jetzt und so…“, unsicher blickte ich zu Boden.

,,Die Polizei sucht dich?“, wiederholte Sami etwas ungläubig.

,,Na ja, die werden schon mitgekriegt haben, dass ich nicht mehr da bin. Spätestens heute früh, ich müsste jetzt ja eigentlich im Unterricht sein“

,,Okay…“, brachte er hervor.

,,Sami tut mir leid. Bitte sei nicht sauer auf mich. Ich…ich hätte das da einfach nicht länger ausgehalten! Du weißt nicht wie schrecklich das war.“, fing ich verzweifelt an zu erzählen.

Doch Sami unterbrach mich. ,,Warum warst du überhaupt ins Heim gekommen?“

Etwas überrascht von der Frage starrte ich ihn an.

,,Sorry, ich, ich wollte dich nicht…“ begann er sich zu entschuldigen.

,,Nein schon ok. Ich habe bis vor einiger Zeit bei Pflegeeltern gewohnt. Insgesamt drei Jahre. Na ja, da bin ich halt auch weggelaufen. Und dann im Heim gelandet“

,,Ging es dir bei deinen Pflegeeltern denn nicht gut? Ich meine… ist doch besser als im Heim“, erwiderte er.

,,Nein. Heim ist besser gewesen.“ Das war die Wahrheit. Klar, alles war isoliert, wir hatten keinen näheren Menschenkontakt und alles lief nach strickten Plan. Aber all das war besser als von meinem Pflegevater missbraucht zu werden.

,,Wieso…?“, hackte Sami weiter nach.

Was sollte ich ihm sagen? Ich kannte ihn doch gerade mal seit gestern Abend. Okay, zumindest persönlich. Durchs Internet kannte und liebte ich ihn ja schon fast drei Jahre. Trotzdem, das ganze war bestimmt nur irgendein Spiel für ihn. Ein kurzer Flirt auf einer Italienreise, sonst nichts. Wieso auch? Er kann so viele haben. So viel hübschere als ich, so viel wohlhabendere als ich. Aber für ihn war es wahrscheinlich einfach nur ein kleines Abenteuer. Einmal mit einem Waisenmädchen, was gestern fast auf der Straße gepennt hätte, rummachen, warum auch nicht.

Meine Brust schnürte sich zusammen und ich spürte wie sich langsam ein paar Tränen den Weg von meinem Auge zum Kinn bahnten.

Sami nahm mich sofort in die Arme und versuchte mich zu beruhigen. Würde er das auch tun, wenn ich eben nur ein Spielchen für ihn wäre? Ich hoffe, nein. 

(Sami Slimani Fanfiction) when a hero comes alongWo Geschichten leben. Entdecke jetzt