Twisted perfection ✓

By peniku

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"Ich wünschte, alles wäre wie in einem alten Popsong - I want you to want me - Ich will, dass du mich willst... More

Prolog
1 Big Devil.
2 London and me.
3 Never ever!
4 Joke and Deal.
6 It's a deal.
7 Caged.
8 Under supervision.
9 My better self.
10 You kidding me?
11 Sorry.
12 Day to day.
13 Timeout.
14 False Heartbeat.
15 The beloved woman.
16 Two hours.
17 Emotion.
18 That's what she said - part one
19 That's what she said - part two
20 Catch you on.
21 Dancing in the rain.
22 To the moon.
23 What's new?
24 On the road.
25 The heart of the ice queen.
26 The storm.
27 Nothing.
28 Done.
29 Bastard.
30 Happy.
31 New York.
32 Little girl.
33 Another kiss.
34 Keeping Up with One Direction.
35 Wrong.
36 Lynette.
37 Vegas, Dudes!
38 The wedding.
39 The absolute truth.
40 I'm sorry.
41 Sometime.
42 Now.
Thank you.

5 Idiot.

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By peniku

J a n e │01.03.2014│London



Ich lebte nicht hinter dem Mond. Etwa sechs Wochen, nachdem ich zum ersten Mal auf Niall getroffen war und Gisele mich von einem Job zum nächsten scheuchte, hatte ich erst begriffen, wer Niall wirklich war.

Damals war ich gerade achtzehn Jahre alt geworden und Kendall hatte mich auf ihre bescheuerte Movie-Mottoparty eingeladen. Dafür hatte sie extra einen kleinen Club angemietet und ich mich mal wieder heimlich von Gisele davon gestohlen. 

Kendall hatte mir eine Tüte mit Klamotten in die Arme gedrückt und ich war auf das Klo verschwunden, um mich umzuziehen. 

„Was zur Hölle ist das!", entwich es mir als ich auf dem Klodeckel saß und mir das furchtbare Kleid ansah. In was wollte Kendall mich verwandeln? Eine Schlampe?

„Den Handschuhen am Boden nach, Jessica Rabbit", sprach eine Stimme aus der Nebenkabine und ich stöhnte. „Na toll!" Dann kämpfte ich mich in das hautenge Kleid. Dabei stieß ich mir erst den Fuß, dann den Ellenbogen an der Klospülung. „Uh, hätte ich nicht einfach eine Mülltüte über den Kopf ziehen können?"

„Dann hättest du aber geknistert", kicherte das Mädchen in der Kabine neben mir und ich grinste. „Lieber knistern als- aua!", ich hatte mir ein Stück Haut im Reißverschluss geklemmt. „Wäre ich mal lieber zu Hause geblieben", murrte ich und das Mädchen in der Kabine nebenan stimmte mir herzlich zu. „Das habe ich auch schon bedauert."

Die Musik drang zu uns herüber und ich gab schließlich mit dem Kleid auf. Der Reißverschluss ließ sich nicht vollständig hochziehen und die Schuhe, die am Boden lagen waren eine ganze Nummer zu klein. So sehr ich Kendall auch mochte, ich wollte wegen ihr nicht unbedingt auf Rick Owens zu humpeln, wenn ich ihn morgen treffen würde. 

„Wieso versteckst du dich?", fragte ich meinen Nebenmann und versuchte mich in die langen Handschuhe zu fummeln. Sie seufzte und ich rechnete nicht mehr mit einer Antwort, als sie gestand: „Kendall, diese Verräterin, hat Harry Styles eingeladen und der ist mit seiner ganzen Crew angerückt."

„Wer?"

„One Direction", fluchte das Mädchen neben mir und ich kramte nach meinen iPhone. Der Name sagte mir etwas, ich kannte ein, zwei Lieder, aber Gesichter wollten mir dazu keine einfallen. Kurzerhand schmiss ich Google an und wartete, dass das erste Bild lud.

Jemand betrat die Toiletten, es klapperte, dann herrschte Stille. 

So lange, bis mir ein hässlicher Gestank in die Nase stieg und jemand eine Toilette weiter eine ordentliche Bombe ablud. Ich verzog angewidert das Gesicht und hielt mir mit zwei Fingern die Nase zu. 

Da konnte man ja nur durch den Mund atmen! 

Die Klospülung ging und ich wartete angestrengt darauf, dass endlich die Tür zum Club wieder aufging und sich schloss. Erst dann brachte ich ein würgendes Geräusch zustande.

„Lieber Gott, was hat die gegessen!", fluchte das Mädchen neben mir und entlockte mir ein Lachen, dann sah ich auf mein iPhone. Zuerst blinzelte ich und machte das Bild größer. Schließlich starrte ich auf ein Gesicht, dass ich erst vor wenigen Wochen gesehen hatte. Ziemlich gut und ziemlich nahe. Zu nahe vielleicht.

„One Direction, die sind hier?", quiekte ich heiser. 

Niall war hier?

Als der Alkohol nach der Party nachgelassen hatte und ich im Taxi auf dem Weg zu Kendall gewesen war, hatte sich in mir erst richtig Panik, Scham und Gewissheit breit gemacht. Ich hatte mich dumm und dämlich einen Jungen an den Hals geschmissen und mich billig abschleppen lassen. Damals hatte ich die große Hoffnung gehabt, ihn nie, nie, nie wieder zu sehen. Die Welt war immerhin groß. Nur für mich scheinbar eine Erbse.

„Okay, ich muss hier weg", verkündete ich „Am besten sogar so, dass mich niemand sieht." Ich kickte die hohen Schuhe beiseite und schlüpfte wieder in meine Chucks. 

„Ähm, falls ich mich am Fluchtversuch beteiligen darf, ich habe auf meiner Seite ein Fenster", sprach das Mädchen neben mir und ich schlüpfte aus meiner Kabine, stopfte meine Klamotten in eine Tasche und als die Tür zur Nebenkabine aufging, schnappte ich nach Luft. 

Vor mir stand Taylor Swift im Marilyn Monroe Kostüm. Sie öffnete schon das Fenster und warf ihre Schuhe und Tasche voran.

„Hallo Elsa, ich bin Anna", stellte ich mich geistig- und gehirnabwesend vor. Taylor starrte mich erst an, als hätte ich nicht mehr alle Murmeln zusammen, dann zuckten ihre Mundwinkel: „Hey Anna, ich kenne nicht weit von hier einen kleinen Laden, der tolles Bier ausschenkt und gutes Essen hat. Lust mit zu fliehen?"

Ich bekam fast Schluckauf: „Ob ich Lust habe? So lange ich von hier weg komme, mache ich alles!" Ich hatte gerade festgestellt, dass ich vor ein paar Wochen nicht im Bett eines netten Jungen von Nebenan gelandet war, sondern bei einem weltberühmten Boybandmitglied. 

Keine zehn Pferd hielten mich noch hier. Mir hätte nach dem Hotelzimmer sowieso klar sein müssen, dass er nicht irgendwer war, aber in manchen Situationen hieß die Taktik Verdrängung. Mehr oder weniger erfolgreich.

Taylor zog sich voran durch das Fenster und als wir zusammen von einem Container runter kletterten, war das der Beginn einer Freundschaft, die auch auf unterschiedlichen Kontinenten funktionierte. 



J a n e │18.06. 2016 │London



Als mir Gisele zum ersten Mal von der Idee eines Fake-Freundes erzählt hatte, hatte ich sie nur ausgelacht. Ich meinte, dass das doch absoluter Unsinn wäre, wer würde sich schon auf so einen Blödsinn einlassen?

Die Antwort war einfach: Ich.

Nachdem ich allerdings ganze vier Monate verbissen daran gearbeitet hatte von Victoria's Secret wahrgenommen zu werden und 2015 Weihnachten die Ernüchterung kam, dass ich nicht beachtet wurde, änderte sich meine Ansicht. 

Ich konnte so viele Jobs annehmen, wie ich wollte, es blieb die große Aufmerksamkeit aus. Der Pirelli-Kalender, Victoria's Secret, Dolce & Gabbana, Sports Illustrated, das waren all so große Nummern und Sahnehäubchen, die sich einfach nicht erobern ließen. 

Vivienne Westwood, meine Lieblingsmodezarin, dessen Ideen nicht meinen privaten Vorlieben entsprachen, aber durch ihren respektvollen Umgang mit Mitarbeiter und Models punktete, hatte mich einmal darauf hingewiesen, dass die Fashion-Branche immer damit prallte außergewöhnlich zu sein, aber sie sich nicht traute Hemmungen abzulegen.

In diesem Fall hatte sie auf meine ganzen Sommersprossen und hässlichen Haare gezeigt. Aktuell waren dunkle Haare, strahlend blaue Augen oder hellblondes Haar inklusive Haut, so weiß wie Schnee, absolut angesagt. Ich kannte so einige Kolleginnen, die diesen Trend verwünschten. Ebenso einen kleinen Modelord, der meinte, die Menschen neu erfinden zu müssen.

Für Lagerfeld war ich sowieso zu dick. Er hatte mir ins Gesicht gesagt dass ich auf Kohlenhydrate verzichten sollte. Danach könnte ich mich ja wieder melden. Zugegeben, mein Verlangen mich zu melden, hielt sich in Grenzen.  Aber Lagerfeld war leider im Moment derjenige, der bestimmte, wer der Masse die neusten Trends vorführte.

Aber zurück zum eigentlich, den Fake-Freund. 

Ich hatte Gisele erst im Mai gesagt, dass ich mir solch ein Szenario sehr gut vorstellen könnte, wenn es nicht total irrsinnig war. Zum Glück hatte sie sofort begriffen, was ich ihr damit sagen wollte. So unvoreingenommen ich auch war, aber niemand, selbst das dreckigste Käseblatt würde es mir niemals abkaufen, wenn ich die neue Liebste eines 70Jährigen Altrockers spielen würde. 

Gisele hatte mich um etwas Zeit gebeten und mir versprochen, jemanden für mich zu finden, der auch tatsächlich passen würde. Es ging doch schließlich nur darum, ein bisschen Aufmerksamkeit zu stehlen und ich war sicherlich nicht das erste und letzte kleine Model, dass auf diese Alternative zurückgriff. 

„I like to move it move it, I like to move it move it, I like to move it move it you like to move it", dröhnte es von meinem Laptop und ich schlug die Kühlschranktür zu. 

Mit einer Schüssel Obst und Jogurt hüpfte ich über die Couch meiner kleinen bunten Dachwohnung und starrte auf den Bildschirm, wo ich eine gut gelaunte Taylor Swift mit brauner Moor-Maske saß, die den Ohrenwurm aus Madagaskar wiedergab. Sie strahlte mich an und lachte, als sie meine Haare sah, die zu einem Türmchen geschwungen waren. Ich hatte eine selbstgemachte Haarkur aus Öl, Honig und Ei drin.

„Hör auf zu lachen, du Marsmännchen!", begrüßte ich sie. 

„Sorry Janie", prustete Taylor, „aber du siehst ein bisschen aus wie Medusa."

„Ja, genau, das will man als Frau auch hören", ich schmunzelte und drohte ihr mit einem Löffel, dann runzelte ich die Stirn: „Kann man davon ausgehen, dass Kendall nicht kommt?"

Normalerweise skypten wir zu dritt, doch erst gestern war Kendall nach Paris abgehauen für einen Job. Seit dem hatte sie sich nichts mehr von sich hören lassen.

„Ich glaube Dallie ist ein bisschen beschäftigt mit einem Ex-Disneysternchen."

„Sterling Knight" warf ich ein und wir seufzten synchron. Immerhin noch besser, als sie diesen komischen Nathan Sykes von The Wanted gedatet hatte. Weder Taylor, noch ich hatten dem allzu viel abgewinnen können. Ein Gutes hatte die Abwesenheit von Kendall, sie hörte nicht, wie Taylor und ich sie liebevoll 'Dallie' nannten. 

„Was macht dein neues Album?", wollte ich wissen, denn ich hatte den Verdacht, das Taylor seit fast einer Woche die Sonne nicht mehr gesehen hatte und nur noch im Tonstudio oder Hotelzimmer hockte. 

„Was macht dein Fake-Freund?", stellte Taylor die Gegenfrage und mein Herz rutschte in die Hose. Bei meinem entgleisten Gesichtsausdruck setzte sie noch einen drauf. „Ach komm schon, Janie. Wir sind beide mit Kendall Jenner befreundet und was Dallie nicht rauskriegt, das gibt es nicht."

Wie recht sie hatte. 

„Tja, dann, willkommen in meinem größten Alptraum", brummte ich und Taylor riss die Augen auf. Dann brach sie in lautes Gekicher aus und bekam sich überhaupt nicht mehr ein.

„Das ist nicht witzig!", fuhr ich sie an und vergrub das Gesicht in den Händen. „One Direction. Niall Horan, ganze verdammte sechs Monate – mindestens!"

„Na immerhin kannst du ihm danke sagen, denn ohne ihn hätten wir uns nicht getroffen", sprach sie todernst und am liebsten hätte ich sie nun mit einem Kissen beworfen. „Tay! Hör sofort auf damit."

Sie verdrehte die Augen und zog einen Teller Käsekuchen zu sich heran. „Ich werde dass Trauma nie überwinden, das du mir eröffnest hast als ich dich mit einer Flasche Wein abgefüllt habe. Und ich dachte, ich hätte Leichen im Keller."

„Oh", begann ich dramatisch, „ich finde, du und ich sind gleichauf. Du hast einen Song über Harry Styles geschrieben." 

„Und du hast Niall Horan erzählt du heißt Anna und dich ihm an den Hals geschmissen", fasste Taylor zusammen und ich stöhnte.

Missmutig warf ich mich in die Kissen. 

Nachdem Taylor das erste Stück Käsekuchen gegessen hatte, sah sie mich abwartend an: „Okay, tut mir leid Janie, ich kann mir vorstellen, dass das alles andere als lustig ist. Wie schlägst du dich bislang?"

„Schlecht", gab ich zu und begann ihr zu erzählen, wie frostig das erste Treffen war und das ich mehrmals versucht hatte, ihn auf seinem Handy zu erreichen, damit wir einige Punkte von Modest auf der Liste abhaken konnten. „Aber er drückt mich weg – und am Mittwoch, als wir wegen den Klamotten und zu Louise Teasdale mussten, da war er einfach schon weg! Ich habe überhaupt keine Möglichkeit mit ihm zu sprechen!"

Taylor kratzte sich mit der Kuchengabel am Kinn, eine beängstigende Geste. „Ich an seiner Stelle würde wohl auch so drauf sein, nach dem Drama mit Barbara und so. Dann hat er diesen furchtbaren Tomlinson ständig um sich, die Turteltauben Zerrie und dann kommst du um die Ecke, ja, ja."

Ich verstand nur die Hälfte und griff mir an die Stirn: „Langsam, von Anfang an, was ist Zerrie, wer Tomlinson und Barbara? Barbara Palvin?" Ich kannte sie nur oberflächlich, mit mir kleines Licht sprach sie kaum zwei Sätze.

„Hör zu, Janie", Taylor atmete tief durch und ging nicht auf mich ein. „Wenn du dieses Fake-Ding sechs Monate mindestens schaffen willst, dann brauchst du einen Verbündeten."

„Einen Verbündeten?", echote ich „Wie soll ich das machen? Mr Rogers fährt nicht mit, Gisele auch nicht und-"

Bevor ich hysterisch werden konnte seufzte Taylor tief und unterbrach meinen Redeschwall, indem sie die Hand hob. „Warte, lass mich mal nachdenken. Hol dir bitte einen englischen Tee, damit du runter kommst und dann habe ich einen Plan für dich." - „Ich bin Amerikanerin, nur so fürs Protokoll."

Ich hievte mich von der Couch und holte mir aus der Küche einen Snickers. Immerhin war es Taylor, bei Kendalls Plänen bekam ich immer dezent Angst. Allerdings, was konnte schon passieren? 

Ich brauchte gerade wirklich dringend einen Rat, vor allem weil Niall auf mich den Eindruck machte, das er überhaupt nichts mehr mit den Jungen gemeinsam hatte, den ich vor zwei Jahren getroffen hatte. Gerade biss ich in den Snickers und warf mich auf meine Couch, als ich sah, wie Taylor ihr Handy zur Seite legt.

„Pläne, Elsa?"

„Oh ja", sie strahlte mich verschwörerisch an. „Also, so ungern ich das auch sage Tomlinson wird dein Verbündeter sein."

Tomlinson? 

„Himmel Tay, muss ich sie erst wieder alle googeln? Sie haben auch Vornamen."

Taylor verdrehte die Augen: „Louis dann eben. Ich hasse ihn, aber Selena hat mir mal erzählt, dass er Barbara nicht mag und alles tun würde, um Niall von ihr weg zu kriegen. Er wird dir somit auch sicher helfen das Niall mit dir spricht." Selena Gomez, unter den weiblichen Sternchen die Anlaufstelle für Katastrophen.

Erstaunt sah ich Taylor an, sie war wohl über ihren eigenen Schatten gesprungen, denn bei unserer Flasche Wein hatte sie Louis ein paar unschöne Verwünschungen auf den Hals gehetzt. Das sie Selena nach seiner Nummer gefragt hatte, sprach für sich.

„Janie, ich habe dir Louis' Nummer geschickt und Nialls Adresse und wenn ich die Zeitverschiebung jetzt richtig berechnet habe, dann würde ich dir raten dich anzuziehen und dich zu bewegen, hop hop!", trieb Taylor mich voran. Erst reagierte ich gar nicht, aber als sie winkte und flötete: „Bis bald", da wurde mir klar, was sie von mir verlangte. 

Ich saß vor einem schwarzen Bildschirm und starrte auf die Uhr. Es war kurz nach Acht. Etwas blind tastete ich nach meinem Handy und sah die Nachrichten von Tay auf WhatsApp. Welcher Teufel mich ritt, mir die Haare zu waschen, sie anzuföhnen und schließlich in Jeans, Converse und Beanie zu gehen, wusste ich nicht. 

Meine Lieblingsjeansjacke riss ich vom Harken und stürmte das Treppenhaus herunter. Ich hatte keinen Führerschein, somit würde ich den öffentlichen Nahverkehr nutzen müssen. 

Draußen roch es nach Regen und während ich mich unter die Leute mischte, speicherte ich mir Louis Nummer. Obwohl ich ihn nur zweimal getroffen hatte, mochte ich ihn. Sein Humor war verrückt, ein bisschen gewöhnungsbedürftig, aber ich fand keinen Grund, warum Taylor ihn so hasste. Ich ließ es klingeln während ich auf dem Weg zur U-Bahn war.

»Hier ist das Zentrum des Wissens und der Macht. Es gibt nichts was wir nicht schon wüssten. Wenn Sie trotzdem etwas sagen wollen, dann hinterlassen Sie Ihre Nichtigkeiten nach dem Pfeifton«, erstaunt blieb ich stehen und hörte auf die Fahrpläne der Station zu studieren. „Äh... hallo, ähm hier ist Jane Clancy, die mit dem peinlichen Cosplay-Klamotten. Ich weiß wir kennen uns nicht wirklich, aber... also ich habe ein Problem damit deinen Freund Niall zu erreichen. Er geht nicht ans Handy", ich griff in die Dramakiste, „vielleicht ist ihm etwas passiert? Ich bin gerade auf dem Weg zu ihm-"

Jemand nahm das Telefon ab und ich konnte Louis keuchen hören. »Jane? Sorry, ich musste eben mein Essen retten«, ich hörte es im Hintergrund Knackern und jemanden fluchen: „Dein Essen? Ich bin hier der Koch!" 

Es klang nach Harry.

»Jedenfalls, du kannst Nialler nicht erreichen?«

„Nein, aber offen gesagt, Louis - Ich weiß, er hasst diesen Fake-Freundinnen-Kram, aber ich würde wirklich gerne mit ihm sprechen, nur drückt er meine Anrufe weg und geht mir aus dem Weg, als hätte ich-", ich suchte nach den richtigen Begriff.

»Als hättest du die Cholera neu ausgebrütet, ja, ich verstehe das Problem. Du bist gerade unterwegs zu ihm? Hör zu, ich weiß nicht, ob er zu Hause ist, aber damit du reinkommst, brauchst du seinen Zahlencode – Harry! Kennst du Niallers Zahlencode für seine Bude, hast du die im Kopf?«

Kurz darauf hatte ich eine weitere Nachricht auf meinem Handy und sprach: „Danke Louis, danke für deine Hilfe, wirklich."

»Sagen wir du schuldest mir etwas und fertig«, hörte ich seine belustigte Stimme und ich war mir sicher, er würde darauf auf jeden Fall zurückgreifen. 

„Okay, ich werde bereit sein, haben wir ein Codewort?", fragte ich und Louis schien erstaunt: »Codewort? Ah, so was wie Apfel bei-« Er unterbrach sich selbst, nichts war zu hören. Schließlich räusperte er sich: »Codewort ist 'Plötzlich Prinzessin'« 

Ich kicherte und zog die Fahrkarte für die U-Bahn am Automaten. Auffälliger ging es wirklich nicht, aber das war Louis' Sache, wenn ihn alle im Umfeld dumm ansahen, weil er 'Plötzlich Prinzessin' im Nebensatz einbaute. „Alles klar, liebe Grüße an Harry und guten Appetit." 

Ich tauchte unter die Leute und suchte nach der richtigen Bahn. Anders als Taylor und Kendall konnte ich einfach immer die Bahn nehmen, wann ich lustig war. Gisele hatte mir nach der Besprechung bei Modest deutlich gemacht, dass dieser Luxus bald ein Ende haben würde. Ich wollte die Freiheit der letzten Tage noch einmal genießen, dabei stand noch ein Besuch bei McDonalds und dem Londoner Eye auf der Liste. 

Nach fast einer Stunde und zweimal Umsteigen konnte ich die U-Bahn verlassen und trat in den strömenden Regen. Großartig. Genau jetzt gab es einen Regenbruch. Wobei, es war ja auch nur Wasser. Ich verließ das Vordach eines kleinen Ladens und eilte die lange Straße entlang. Ein Taxi wäre nicht ganz falsch gewesen, aber ehe ich es bestellt hatte, es bei mir war, bis dahin hätte ich Nialls Haus sicher schon zweimal gefunden. 

Ich sprang über eine Pfütze und spürte, wie das Wasser durch meine Schuhe lief. Meine Zehe wurden kalt und meine gerade erst gewaschene Haare wurden unter dem Beanie wieder nass. Wenn es jetzt noch warm sein würde, würde es mich an ein Schauer in Moncks Corner. 

Manchmal vermisste ich meine Heimatstadt sehr. Die Herzlichkeit der Leute, das jeder jeden kannte und das man immer wusste, wer gerade was tat. Dank meiner besten Freundin zu Hause, blieb ich halbwegs auf dem Laufenden, denn Tante Rosalee wollte am Telefon immer eher wissen, wie es mir ging, als das sie von Zuhause erzählte. Lynette dagegen war für Klatsch und Tratsch meine Quelle und brachte mich immer zum lachen, wenn der Heimweh besonders groß war. 

Mitten im Regen musste ich mich einmal um mich selbst drehen und in den dunklen Himmel sehen. Ich schloss die Augen und stellte mir einen Moment vor, der Regen wäre nicht kalt, sondern warm von der Sommerhitze. Dann war ich zu Hause. Eine kleine Täuschung, die mich ein paar Sekunden lang glücklich machte.

So lange, bis ein Auto durch die Pfütze neben mir fuhr und ich geduscht wurde.

„Ja Janie, willkommen zurück", brummte ich zu mir selbst. Schön das kleine Illusionen so furchtbar lange hielten. Hastig sah ich schließlich nach der richtigen Hausnummer und blieb vor einem gut abgeriegelten Haus stehen. 

Ein Sicherheitstor inklusive einer Mauer, über die ich es nur schaffen würde, wenn mich nicht gerade jemand dabei beobachten würde und genau das taten die zwei Sicherheitskameras. Ich kramte mein Handy hervor und tippte die Zahlenkombination am Tor ein. Herr Gott, wie konnte Niall sich die Reihe merken?

Das Tor glitt surrend auf und ich schlüpfte herein. Gedämpftes Licht konnte ich dank der Fenster erkennen und als ich an der Haustür stand, zögerte ich. Sollte ich der Höflichkeitshalber klingeln? Mit einem Blick auf mein Handy entschied ich: Nein. 

Er hatte mich schließlich auch immer weggedrückt. Es wurde Zeit, dass er mit der Konsequenz lebte, nämlich das man eine Jane Clancy nicht so dämlich abwimmelte. Ich suchte nach der nächsten Zahlenkombination und gab sie langsam ein. Dann klickte das Schloss auf und ich trat ins warme Innere. 

Mein Blick glitt durch den Flur und ich musste gestehen. Niall hatte Geschmack und war extrem unordentlich. Seine Jacken lagen über dem Stuhl am Eingang, statt an der Garderobe zu hängen. Sneaker in allen möglichen Farben türmten sich am Boden in einer Ecke. 

Leise trat ich ins Wohnzimmer und betrachtete das Klavier, den großen Fernseher, die lange L-Förmige Couch und die ganzen Gitarren. Musik dudelte aus der großen Anlage und ich drehte mich langsam um mich selbst. Wenn Niall Besuch hatte, dann würde das ganz schön peinlich werden und oh Gott – was wenn er Frauenbesuch hatte?

Vielleicht war es doch noch nicht zu spät, unbemerkt wieder zu verschwinden und doch noch einmal zu klingeln. Ich wandte mich gerade dem Flur zu, als ich erstarrte.

Niall kam in Freizeitkleidung und feuchten Haaren die Treppe herunter. Er sah mich an, wie den Osterhasen und ich brachte nichts intelligenteres als: „Hi", zustande. Wir sahen uns an, so als würden wir uns mit Blicken duellieren und ich war fest entschlossen diesen Zweikampf zu gewinnen.

„Du tropfst meinen Teppich voll."

Nichts von wegen: Was tust du hier? Was willst du hier? Wie bist du reingekommen?

Nein, der verfluchte Teppich war seine erste Sorge.

„Ja, entschuldige, aber draußen scheint gerade nicht die Sonne", antwortete ich sarkastisch. Ich beschloss gleich direkt anzugreifen: „Wärst du an dein Handy gegangen und hättest mich nicht weggedrückt, dann hätte ich mir den Weg sparen können und nicht zweimal die U-Bahn wechseln müssen."

„Pff", Niall rollte mit den Augen und in diesem Moment hätte ich ihm am liebsten mein Handy gegen den Kopf geworfen. 

„Nichts 'pff', du darfst mir gerne in einem ganzen Satz antworten und es wäre nicht verkehrt nett zu sein", er ließ mich stehen und ich setzte hinzu: „Falsch wäre es auch nicht, wenn du damit aufhören könntest, ständig abzuhauen!" Ich kam mir doof dabei vor, ihm in seinem eigenen Haus hinterher zu stampfen. Als wäre ich seine Mutter und so klang ich dann auch: „Niall, bleib sofort stehen! Ich rede mir dir!"

Bei der Treppe legte ich mich fast aufs Maul, weil meine Schuhe A) nass waren und B) die dummen Stufen eine glatte Oberfläche hatten. Oben angekommen verschwand er einfach in einen Raum und ich stieß mir im halbdunklen an einer Kommode den Fuß. 

„Okay, weißt du was, du kannst mich mal", verkündete ich, denn der Schmerz in meinem Zeh, passend zu der Kälte, die mich jetzt zittern ließ, machte mich unheimlich wütend. Ich drehte mich um, es war eindeutig die Zeit nach Hause zu gehen und die ganze Aktion als Niederlage abzustempeln.

Ein Handtuch wurde über meinen Kopf geworfen und ich hielt inne.

„Hör auf die Diva zu spielen", hörte ich Nialls Stimme und zog das Handtuch vom Kopf. 

„Hier ist das Bad, ich suche trockene Kleidung für dich", mit diesen Worten ließ er mich zum zweiten Mal innerhalb von fünf Minuten stehen. Das konnte er gut, abdüsen. 

Irritiert trat ich in das große Badezimmer und zog meine durchnässte Jeansjacke von meinen Schultern. Dort kramte ich mein Kleingeld und Handy aus den Taschen und legte sie dann über die Heizung. Das Badezimmer war ein Traum. Ich selbst hatte keine Wanne und wenn ich eine hätte, würde ich jeden Tag baden. 

Meinen Beanie drehte ich aus und bemerkte, dass ich mit meinen Schuhen durch Schlamm gelatscht war. Langsam konnte ich mir ein Bild davon machen, welche Schmutzspur ich in Nialls Haus fabriziert hatte. 

Umständlich zog ich die feuchte Jeanshose aus und stellte meine dreckigen Schuhe unter die Heizung. Selbst mein Shirt klebte an mir. 

„Die Rechnung für den ruinierten Teppich schicke ich dir zu."

Erschrocken drehte ich mich um und sah Niall in der Tür stehen. Er hielt Klamotten in den Händen und musterte mich mit unbewegter Miene. 

„Das kannst du vergessen", konterte ich. „Die nächsten sechs Monate zahlst du, egal ob es sich dabei um Starbucks-Kaffee handelt, Hamburger oder Taxirechnungen." Obwohl ich nur einen Scherz gemacht hatte, verzog sich seine Miene keinen Millimeter. Er drückte mir trockene Kleidung in die Hände und setzte sich auf den Badewannenrand. „Das werde ich zweifelsohne überleben."

Ich betrachtete ihn und es wurde mir von Sekunde zu Sekunde unangenehmer nur in Slip und feuchten Shirt vor ihm zu stehen. „Könntest du dich bitte dazu bequemen, den Raum zu verlassen, oder dich zumindest umzudrehen, damit ich mich in ruhe umziehen kann?", presste ich zwischen den Lippen hervor. 

„Nein", war seine knappe Antwort. „Du wolltest reden, also lasst uns das tun. Kennenlern-Geschichte abgleichen, das erste Treffen für die Öffentlichkeit planen."

Ich sah Niall wütend an. War er schon immer so unhöflich gewesen, oder war mir das bei unserer ersten Begegnung einfach nicht aufgefallen? Regungslos stand ich an der Heizung und er schien langsam zu realisieren, dass ich mich nicht bewegen würde.

„Jetzt zieh dich schon um, Jane", sprach er und dann veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Nur leider nicht zu meinen Gunsten, denn auf seinen Lippen lag ein spöttisches Lächeln. „Ich habe dich bereits nackt gesehen, demnach werde ich sicher nichts sehen, was ich noch nicht kenne."

Ich hätte gehen sollen, einfach so. Aber ich tat es nicht. Stattdessen legte ich die trockene Kleidung beiseite und reckte das Kinn. Niall würde mich mit seiner Unfreundlichkeit und Dreistigkeit nicht einschüchtern. 

„Okay", stimmte ich ihm zu, „die Kennenlern-Story, wie wäre es, wenn wir so nahe wie möglich an der Wahrheit bleiben?" Ich griff nach dem Saum meines Shirts und zog es mir über den Kopf. Als ich Nialls Blick begegne, konnte ich sowohl Überraschung in seinen Augen erkennen, aber auch Verwirrung. 

Meine Haut war eigentlich kalt, doch unter seinen blauen Augen prickelte sie und es kam mir vor, als würde mich eine Hitzewelle überrollen. Ich ließ mir Zeit damit, dass nasse Shirt ebenfalls über die Heizung zu legen und nach seinem trockenen zu angeln. Ein cooler Banddruck von McFly war drauf zu erkennen. „Cara hat eine Party geschmissen und Kendall nahm mich mit." Langsam ließ ich das Shirt über meinen Kopf sinken und schlüpfte mit den Armen durch. 

Als wäre es mir vollkommen gleichgültig, kratzte ich mich kurz am Bauch, ehe ich mich mit der Jogginhose beschäftigte. „Danach habe ich dich in der Badewanne gefunden, in der du völlig sturzbetrunken eingeschlafen bist und dich nach Hause gebracht. Als Dank hast du mich zum Frühstück eingeladen."

Nialls Mundwinkel zuckten: „Das wäre die größte Lüge überhaupt und so gut wie gar nicht an der Wahrheit dran. Außerdem würde dir das niemand glauben, ich bin Ire und ziemlich trinkfest."

Die Hose war mir etwas zu groß, aber immerhin wurde mir nun wärmer. Ich zuckte mit den Schultern und verschränkte die Arme vor der Brust: „Gut, dann mach du einen besseren Vorschlag."

Niall antwortete nicht sofort, sondern erhob sich erst gemächlich. „Wenn wir die Story das erste Mal erzählen müssen, dann wirst du es wissen."

Er. haute. wieder. ab.

Barfuß folgte ich Niall durch den Flur, bis in die Küche, wo er sich eine Pizza aus dem Ofen holte. 

„Nein, ich möchte gerne jetzt wissen, was du erzählst, nicht das ich hinterher da stehe und es einfach nur zum davonlaufen ist." Niall könnte sonst was erzählen und ich am Ende im Boden versinken. Die Pizza legte er auf die Theke und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Mir bot er nichts an. Weshalb auch, ich war schließlich nicht geladen, noch willkommen. 

„Hast du Angst, ich würde erzählen, dass du direkt am ersten Abend rumgestöhnt hast?", provozierte er mich und ich versuchte mir nicht anmerken zu lassen, dass es tatsächlich so war.

 Mir war das alles noch sehr peinlich, allen voran, weil ich immer noch nicht wusste, ob es für Niall nur Sex gewesen war. Denn für mich war es zweifelsohne mehr gewesen. 

Etwas Besonderes. Das erste Mal eben.

„Wenn du das tust", griff ich zum einzigen Druckmittel, dass ich hatte. „Dann werde ich erzählen, dass ich damals siebzehn gewesen bin und du kleine, naive Mädchen magst."

Nialls Überheblichkeit verschwand nicht. Stattdessen teilte er hervorragend aus: „Du bezeichnest dich somit selbst als dumm." 

„Vielleicht bin ich das ja auch", rutschte es mir aus. „Oder kennst du intelligente Mädchen, die sich auf einen Fake-Boyfriend-Deal einlassen?" Zugegeben, nicht meine Sternstunde, aber ich wollte mir nun nicht unbedingt eine Blöße geben. 

Niall nahm einen tiefen Schluck von seinem Bier und ich musterte ihn. In den zwei Jahren hatte er sich äußerlich wenig verändert, doch wenn ich noch einmal hinsah, dann wiederum viel. Es war verwirrend. Seine blauen Augen waren noch immer stechend, aber es kam mir so vor, als hätte sein Gesicht an Härte zugenommen. 

Aber das, was sich wirklich verändert hatte, war sein Wesen.  Doch wer war ich um das beurteilen zu können, schließlich hatte ich ihn nur eine Nacht lang gekannt. In den letzten Tagen hatte ich ihn allerdings nicht einmal lachen gehört. Es war, als hätte er es verlernt.

„Das erste Date", wechselte ich das Thema, „lasst uns irgendetwas ganz Normales machen. Etwas wo uns viele Leute sehen und was nicht zu aufgesetzt wirkt."

„Einkaufen", sprach Niall, als wäre es in Stein gemeißelt. „Wir ziehen Hand in Hand durch die Läden, essen was und verkleiden uns nachlässig. Vorher posten wir auf Twitter etwas von ' ich bin so glücklich- bla', den Rest macht die Presse."

Aus seinem Mund klang das schon fast zu simpel. Ich nickte: „Wann sollen wir das machen, drei Tage vor der Tour?"

„Mir egal", sprach Niall und zuckte mit den Schultern. „Als wenn es einen Unterschied machen würde, ob da nun ein paar Tage mehr zwischen liegen. Oder brauchst du so viel Zeit um dich schauspielerisch vorzubereiten?"

Ich wollte gerade etwas darauf antworten, als er sich gegen die Stirn schlug: „Fuck, wie konnte ich dass vergessen, Anna, lügen und Schauspielerei gehören ja zu deinem Job."

Niall traf mich damit ziemlich unvorbereitet, besonders als er noch einen draufsetzte: „Wahrscheinlich hast du auch mit diesem Fake-Kram so einiges an Erfahrung. Wie weit geht dein Job in der Regel so?"

Ich wusste vom ersten Moment an genau, was er meinte. Es war ein widerlicher Schlag unter die Gürtellinie. Hielt er wirklich so wenig von mir und glaubte, dass ich mich wahllos durch die Charts schlief? 

Seiner versteinerten Miene nach: Ja.

Eigentlich hätte ich ihm eine scheuern müssen. Dieser Kerl verdiente es, dass ihm jemand den Kopf zurechtrückte, aber gewaltig. Nur würde ich das nicht machen. Ich griff nach meinem Handy und meinen Haustürschlüssel. Den letzten Rest Kleingeld hatte ich bereits in der Jogginhose. 

Ich sah Niall ausdruckslos an und hatte mühe meine Emotionen im Griff zu behalten. Ich wollte ihn nicht sehen lassen, dass mich die harschen Wort getroffen hatten. Stattdessen riss ich mich von ihm los und reckte das Kinn. 

Ohne Hast verließ ich die Küche und trat durch den Flur nach draußen. Ich hatte nicht einmal Socken an, draußen regnete es in Strömen, meine Sachen lagen bei ihm im Badezimmer, aber ich gab einen Scheiß drauf. 

Mit jedem weiteren Schritt von ihm weg spürte ich mein Herz heftiger gegen meine Brust schlagen. Erst als das Tor hinter mir zuschlug und ich auf der dunklen Straße stand, atmete ich tief durch. Es war ein Fehler hier herzukommen. 

Der Regen prasselte auf mich herab und ich versuchte die Kälte in meinen Gliedern zu ignorieren. Taylor und Kendall wären stolz auf mich, wenn sie sehen könnten, mit welch nicht vorhandener Würde ich durch den Regen spazierte. Ich versuchte, die Kälte zu vertreiben, indem ich mich zwang wütend zu werden. 

Das würde mich ablenken. 

... Mist, wieso hatte Niall mir keinen Pullover gegeben? 

Der wäre um einiges wärmer als das dünne Shirt. Ich trat in ein kleines Steinchen, es tat verdammt weh und langsam wurde mir bewusst, was für eine dusselige Kurzschlussreaktion, dass von mir gewesen war. Denn in diesem Aufzug musste ich noch zweimal umsteigen, wenn ich mit der Bahn zurückfahren wollte. 

Bereits als ich die Treppen zur Bahnstation runter lief, sahen mich ein paar Passanten schief an. Das war mir ziemlich egal, aber der kalte Boden dagegen weniger. 

Am Automaten zog ich meine Fahrkarte und ließ mich auf einen der grünen Plastiksitzen sinken. Ich wollte nur noch nach Hause, eine heiße Dusche nehmen und am liebsten Gisele anrufen und ihr sagen, dass ich nicht ganz bei Trost war, als ich diesem Irrsinn zugestimmt hatte.

 Das könnte ich eigentlich auch jetzt machen, doch gerade als ich mein Hand aus der Jogginhosentasche ziehe, klingelt es und ich sehe auf eine unbekannte Nummer.

„Jane Clancy", meldete ich mich ruhig und mir dröhnt eine wütende und besorgte Stimme entgegen: »WO ZUR HÖLLE BIST DU!«

Harrys Stimme überschlug sich beinahe und ich schloss kurz die Augen. Wow, ich war erst vor zehn Minuten aus Nialls Wohnung gestürmt und schon schien halb One Direction Bescheid zu wissen. Na ja, vielleicht hatte Niall auch einfach nur seine Freunde angerufen, um sie wegen seinem Code strammstehen zu lassen. 

»Jane, du kannst doch nicht einfach bei diesem Wetter abhauen! Du hast nicht einmal Schuhe an!«

Er kannte sogar die Details. Erstaunlich. Aus dem Hintergrund konnte ich hören, dass Louis ebenfalls mit jemanden sprach, allerdings konnte ich nichts anderes hören außer: „Sie ist ihm nach nur fünfzehn Minuten abgehauen! Fünfzehn Minuten!"

Wahrscheinlich hatte sich 80 Prozent von One Direction bei Louis versammelt. Ich seufzte alleine bei dem Gedanken daran, dass sie zumindest im Warmen saßen.

»Komm, sag mir wo du bist, damit Niall dich abholen und nach Hause bringen kann«, hörte ich Harry sagen und mit einem Mal wurde ich richtig fuchsig: „Sag deinem blöden Kumpel, dass ich lieber nackt nach Hause marschiere, als das ich mich freiwillig abholen lasse!" Meine Stimme wurde richtig laut. „Ich verzichte auf die Dienste eines Kerls, der glaubt, ich hätte mich durch die Charts geschlafen! Meinetwegen kann er sich ins Knie ficken!"

Die Bahn fuhr ein und eine Lautsprecheranlage plärrte vor sich hin. Ich konnte gerade noch auflegen und stampfte barfuß zur automatischen Tür. Mein Handy klingelte nun Sturm, so lange, bis die Bahn losfuhr und die Verbindung abbrach. 

Als ich umsteigen musste, vibrierte mein Handy dermaßen heftig, dass ich kurz davor war, es auszumachen. Eine Nachricht nach der Nächsten trudelte ein und drei Anrufe in Abwesenheit. Ich konnte Taylor verstehen, wieso sie einen Song über einen von ihnen schrieb. 

Wenn Harry genauso war, wie Niall, dann hatte er jedes böse Wort in der Presse verdient. Ich kannte zwar die Umstände, wie der Song an die Öffentlichkeit gekommen war und es eigentlich eher ein Versehen gewesen war, aber vielleicht war das auch Karma.

Mittlerweile war mir so kalt, dass ich mit meinen Händen über meine Arme rieb und nach meiner Station regelrecht nach Hause rannte. Ich nahm fast zwei Stufen auf einmal und kramte mit zitternden Fingern nach meinen Schlüssel. Der erste Schritt ins Warme war eine Erlösung und ich bog direkt ab ins Badezimmer. 

Die Dusche bewirkte Wunder, die nassen Klamotten ließ ich einfach in der Duschwanne und wickelte nach gefühlten zwanzig Minuten ein großes Handtuch um meinen Körper. Der Dunst hatte den kompletten Spiegel beschlagen und ich ignoriere das. 

Ich wollte eigentlich nur noch in warme Kuschelsachen, mir einen Film mit seichten Inhalt einwerfen und meinen blinkenden Anrufbeantworter keines Blickes mehr würdigen. 

Ich warf mich in meinem rosa Hausanzug auf die Couch und schaltete 'Ungeküsst' ein. Die nächsten neunzig Minuten wollte ich nur Drew Barrymore dabei zusehen, wie sie als Josie ihre Schlachten schlug. Niall Horan und der ganze Rest seiner Crew konnte meinetwegen bleiben wo der Pfeffer wuchs. 



J a n e │22.06.2016 │London



»Ernsthaft Jane, geh endlich an dein Telefon und schalte dein verdammtes Handy wieder an! Wenn nicht, dann komme ich persönlich vorbei, oder wir fahren härtere Geschütze auf!«

Es klang wie eine Drohung und das Harry automatisch in der Mehrzahl sprach, machte mir klar, dass er nicht nur für sich sprach. Fakt war jedoch, dass One Direction mich mal Kreuzweise konnte. 

Leider sah Gisele das anders. 

Nachdem ich ihr eröffnet hatte, dass ich diesen Mist nicht mehr machen würde, hatte sie auf meine Unterschrift gepocht. Lediglich April Patton, die neue Vorsitzende von IMG Models war hysterisch geworden, bis sie den Vertrag vor der Nase gehabt hatte. Danach war nur noch ein höhnisches Lachen aus ihrer Kehle gekommen, so als würde man zur Hölle hinabsteigen. 

Das alles änderte jedoch nichts daran, dass Harry einmal in der Stunde bei mir anrief, oder auch mehr, wie er gerade lustig war. Jetzt hatte er das Zepter jedoch weiter gegeben.

»Jane, hier ist Louis - und Harry, irgendwie -  ja schon wieder! Das ist unsere vierte Nachricht heute. Ich wollte dich nur wissen lassen, dass du uns nicht ewig ignorieren kannst, außerdem – hey wären Nialler und du quitt, wenn du ihm einmal in die Eier treten darfst?« 

Jemand im Hintergrund stöhnte, dann plapperte Louis weiter und ich hatte die Nase voll. Ich stellte meine Stereoanlage an und drehte die Lautstärke auf, dann warf ich die Fernbedienung irgendwo hin. Yesterday von den Beatles krähte mir entgegen und ich warf mich zurück auf die Couch. 

Die letzten Tage hatte ich nicht viel gemacht, außer Sport, um mich in Form zu halten, sämtliche Kitschfilme durchzuschauen, die ich so finden konnte und in meinen Büchern zu schmökern. Quantenphysik hatte mich infiziert wie eine Droge. Max Planck war ein Genie gewesen und je mehr ich las, umso mehr begeisterte mich seine Theorie. Es war erstaunlich, was für eine Vorstellungskraft Planck bereits im 19. Jahrhundert gehabt hatte. 

Auf dem Bauch gerollt, blätterte ich eine Seite um und stellte die Cola Light Dose ab. Wieso noch mal besuchte ich das College nicht richtig, sondern immer nur auf Fern-Basis? Ich seufzte und erinnerte mich an ein Gespräch mit meiner Tante Rosalee. 

Das College-Gespräch hatten wir gehabt, als ich genug Geld verdient hatte, um mich komplett selbst zu finanzieren. Nur zu zweit hatten wir auf der Veranda vor dem Haus gesessen. 

Die Hollywoodschaukel hatte unter unser Gewicht geknarrt und die Schüssel mit Nüssen neben uns gestanden. Meine Tante war der Meinung gewesen, dass mir das College nicht weg lief, aber ich mit dem Modeln eine unheimliche Chance hatte. Solange es mir Spaß machen würde, sollte ich es weiter machen, außerdem sei sie immer ganz stolz, wenn sie mich in einer Zeitschrift finden würde.

Dass ich im Endeffekt im Vergleich ein kleines Licht war, schien ihr nicht wichtig zu sein. Sie sah andere Dinge, wie die Möglichkeit, dass ich die Welt kennenlernte, ebenso interessante Menschen und sogar ein bisschen fremde Sprachen lernte. Damit hatte sie nicht unrecht. Ich konnte mittlerweile auf Französisch bestellen, mich auf Spanisch unterhalten und ein ganz klein wenig italienisch sprechen. 

Es waren eher auswendig gelernte Standartsätze, aber trotzdem war es schön, sich in einer fremden Sprache zu versuchen. Ich erinnerte mich daran, dass ich Tante Rosalee bei der nächsten Reise aus jeder Stadt, in die ich kam, eine Postkarte schicken musste. Mittlerweile gingen Emails und Anrufe eindeutig schneller, aber sie liebte es die Karten, zu sammeln. 

Plötzlich ging die Musik aus. So als hätte jemand den Stecker herausgezogen. Ich reckte verwirrt den Kopf in die Höhe und sah erst zu meiner Anlage, dann spürte ich ein seltsames Kribbeln im Nacken. Ich klappte das Buch zu und setzte mich aufrecht hin. 

Dann sah ich ihn. 

Niall stand im Türrahmen meines kleines Flurs und hielt etwas in der Hand, das verdächtig nach meinem Ersatzschlüssel aussah, den ich Mrs Chapman, meiner alten Nachbarin vom Erdgeschoss, gegeben hatte. 

Er betrachtete mich, er trug Freizeitklamotten und hatte eine Sonnenbrille am Kragen seines Shirts stecken. Um die ganze Situation noch seltsamer zu machen, als sie sowieso schon war, sprang in diesem Moment auch noch der Anrufbeantworter an.

»Jane! Harry hier, du hattest deine Chance, wir rücken aus! Niemand ignoriert uns, du kannst nicht weglaufen. Wir wissen jetzt wo du wohnst und kommen jetzt vorbei! Niall bringen wir auch gleich mit und das mit den Tritt in die Eier war ernst gemeint!«

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