The Games We Play (BoyxBoy)

By SunshinePulse

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Ace hat die Nase voll von seinem Leben. In der Schule steht er an erster Stelle auf der Abschussliste der Mob... More

Vorwort & Aesthetics
Grayton Beach, Florida
Wie ich meine Ferien verbracht habe
Schulbeginn
Willkommen zurück
Körperliche Ertüchtigung
Sommerspaß mit Freunden
//Mortal Realms
//Fremdenführer
//Gal'grim
Gay Bois hmu
//Zuflucht
//hetero
Jose
//Geringe Hoffnungen
Echte Freunde
//Tyrann
Ermüdend
Nachtwandler
//Player versus Player
Mitgefühl
Ace macht Selfies
Zwergenaufstand
Missoula
Häschen
Morgen danach
Ethan ist nicht glücklich
Win some, lose some
Funkstille
Gefühlsgelaber (1)
Gefühlsgelaber (2)
Ace, der Forscher (1)
Ace, der Forscher (2)
Ace erweitert seinen Horizont (1)
Ace erweitert seinen Horizont (2)
Schulausflüge
//Ace, Herr des Chaos
Ace wird bissig (1)
Ace wird bissig (2)
Gehirntumor
Planänderungen (1)
Planänderungen (2)
Ace und die Kunst der Erpressung
Ace ist ein mieser Geheimniswahrer (2)
//Wetten
Arschlochfreunde (1)
Arschlochfreunde (2)
Ace wünscht Gesellschaft (1)
Nero wählt das geringere Übel (2)
Nero wählt das geringere Übel (3)
Ace ist grundsätzlich überfordert (1)
Ace ist grundsätzlich überfordert (2)
Enthüllungen (1)
Enthüllungen (2)
Schadensbegrenzung (1)
Schadensbegrenzung (2)
Schlussstrich (1)
Schlussstrich (2)
Schlussstrich (3)
Oben in den Boonies (1)
Oben in den Boonies (2)
Oben in den Boonies (3)
Oben in den Boonies (4)
Oben in den Boonies (5)
Wie macht man dieses Flirten? (1)
Wie macht man dieses Flirten? (2)
Wie macht man dieses Flirten? (3)
Wie macht man dieses Flirten? (4)
Wie macht man dieses Flirten? (5)
Wie macht man dieses Flirten? (6)
Wie macht man dieses Flirten? (7)
Wie macht man dieses Flirten? (8)
Wie macht man dieses Flirten? (9)
Wie macht man dieses Flirten? (10)
Kein Kapitel, shame on me
Nehmt keine Drogen, Kinder (1)
Nehmt keine Drogen, Kinder (2)
Nehmt keine Drogen, Kinder (3)
Nehmt keine Drogen, Kinder (4)
Halloween (1)
Halloween (2)
Halloween (3)
Halloween (4)
Willkommen zurück
Willkommen zurück (2)
Willkommen zurück (3)
Willkommen zurück (4)
Willkommen zurück (5)
-Info für Leser-
april april
Aufrüsten

Ace ist ein mieser Geheimniswahrer (1)

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By SunshinePulse


Ein Teil von Ace wünschte sich, er hätte seinen Tagesplan ein bisschen besser durchdacht. Die erste Viertelstunde seines Schultages war noch in Ordnung – in der Schulversammlung hatte er die Gelegenheit, einen lehrreichen Vortrag zum Thema SAT-Kurse zu verschlafen – aber als er sich auf den Weg zum Literaturkurs machte, spürte er das spontane Bedürfnis, sich vielleicht doch noch krankschreiben zu lassen. Sicher, er war diesmal mit angekratztem Stolz davongekommen, doch ihm fehlten die Nerven, sich jetzt in dieses Klassenzimmer zu setzen. Ace befürchtete, dass er die ganzen zwei Stunden über Neros Blicke in seinem Hinterkopf brennen spüren würde – selbst, wenn der eigentlich gar nicht hinsah. Außerdem hatte er alles Notwendige doch erfüllt, oder? Kein Grund, noch länger hierzubleiben... von solchen Dingen wie Schulstoff einmal abgesehen.

Er drückte die Klassenzimmertür mit gemischten Gefühlen auf. Die Zeit, die Ace fürs Trödeln und gedankliche Hin und Her aufgewendet hatte, hatten seine Mitschüler genutzt, um den Raum bereits zu füllen, und kurz erwog er, doch noch umzukehren und den Schlenker zur Krankenschwester einzuschlagen. Dann traf sein Blick den von Katherine, die verstohlen lächelte und ihm zwei hochgereckte Daumen zeigte, ehe sie sich wieder in Gespräche vertiefte. Er lächelte schwach, und doch brauchte es Beherrschung, um sich nicht vorsichtig umzuschauen, ob jemand die Geste bemerkt hatte. Stattdessen trottete er zu seinem Platz.

Während Ace noch überlegte, ob Katherines Zeichen mehr war als nur ein Aufmunterungsversuch, trudelten Nachrichten von ihr ein. Hinter dem Schutz seiner zur Seite gekippten Schultasche legte er sein Handy auf der Bank ab.

SmallTownGirl: Das hat ja wirklich geklappt xD

SmallTownGirl: Ich hatte ehrlich ein wenig Sorge, dich darauf angesetzt zu haben.

Zurecht, dachte Ace stumm, der an seinen Morgen zurückdachte. Wie hatte er nur so dumm sein können? Die ganze Aktion hatte doch nur nach einer Katastrophe verlangt... und so sehr er immer noch zornig auf Nero war, so sehr war er auch erstaunt, dass er mit vergleichsweise heiler Haut davongekommen war. War der Junge wirklich so blöd, dass er nicht geahnt hatte, was für einen Schatz er da in den Händen hielt?

SmallTownGirl: Aber um ehrlich zu sein... es gibt immer noch ein kleines Problem.

Ace schickte ihr ein Fragezeichen zurück und verfolgte die drei Punkte am Bildschirmrand, die unregelmäßig aufploppten und dann doch wieder verschwanden. Es klingelte zur Stunde, ehe Katherine ihre Nachricht beendet hatte. Als die Vorzeige-Schülerin, die sie war, rechnete Ace auch erst in der nächsten Pause mit einer Antwort. Er seufzte leise, dann wechselte er gewohnheitsmäßig in den Para-Chat.

Der schien sich damit zu gefallen, Ace zu verwirren ... Wie immer. Die Neckereien gestern hatten ihn wieder einmal minimal aus der Bahn geworfen – wie immer - und er wollte sich gar nicht vorstellen, wie schallend Para lachen würde, wenn er wüsste, dass Ace sie ein, zwei Sekunden lang viel zu ernst genommen hatte. Dummes, träumerisches Gehirn. Und jetzt schwiegen sie sich wieder an. Wobei, Ace schwieg, Para hatte vermutlich schon längst wieder vergessen, dass da noch eine unbeantwortete Konversation wartete.

Einen Moment lang kaute er auf seinem Nagelbett und richtete die Augen zur Tür, als die Lehrerin eintrat. Ace, der mit Mrs. Hill gerechnet hatte, war ein wenig irritiert, eine der Referendarinnen zu sehen. Er kannte den Namen der Frau nicht, aber sie war jung und sah hübsch aus, wenn auch nicht allzu durchsetzungsfähig. Ein paar Reihen hinter ihm pfiff jemand. Während noch erbost Ethans Name geflüstert wurde, zuckte die Frau zusammen. Irgendwas sagte ihm, dass sie mit der Klasse nicht glücklich werden würde.

„Hallo zusammen ... Mrs. Hill lässt sich wegen Krankheit entschuldigen, aber solange bin ich hier, um mit euch den Stoff fortzuführen. Wir kennen uns noch nicht, darum dachte ich, wir können eine kurze Vorstellungsrunde machen? Sagt mir doch mal euren Namen und erzählt mir was zu eurem Lieblingsbuch, und dann können wir alle so ein wenig ein Gefühl füreinander bekommen-"

„Dieses Ding, wo der alte Sack die Vierzehnjährige knallt!", grölte der erste Scherzkeks, gefolgt von Roxanne, die knurrte: „Das heißt ‚Lolita', du Vorzeige-Lobotomiepatient." Ihre Referendarin lächelte mutig und schien sich ein wenig an einen anderen Ort zu wünschen.

„Auch das hat zurecht seinen Platz in der Weltliteratur... aber können wir der Reihe nach vorgehen, bitte? Von hinten nach vorne." Ihr hoffnungsvolles Lächeln galt vermutlich einem der Mädchen aus Angels Dunstkreis. Ace hörte die schnippische Mädchenstimme, die ihnen erklärte, sie würde keine Bücher mehr lesen, sondern nur Beautyblogs, und überhaupt wäre das was für Nerds, und seufzte leise. Zeit für einen neuen Versuch der Kontaktaufnahme.

StrangeGuy12: Morgen ^^

StrangeGuy12: Kennst du das, wenn Leute so dumm sind, dass du nichtmal deinen Kopf drüber schütteln kannst? X.x Meine Klassenkameraden untertreffen meine Erwartungen mal wieder.

StrangeGuy12: Und nebenbei, hast du heute Abend Zeit, nen Raid zusammenzustellen? Ich würd so gerne mal Mavorics bis zum Ende laufen

Das würde doch hoffentlich ausreichend Anreize zum Antworten geben, oder? Ace hörte mit halbem Ohr zu, wie sich die letzte Reihe gegenseitig versuchte, mit ihren Vorschlägen zu unterbieten – Devon stieg mit einer Call-of-Duty-Storyline in den Ring, Nero legte nach und versuchte ihnen zu erzählen, dass es zu Jurassic Park ganz, ganz ehrlich auch ein echtes geschriebenes Buch gäbe, Sean gewann mit ‚Mein Kampf' einen Punktesieg und Mrs. Hills Vertretung wirkte, als wäre sie aus ihrer körperlichen Hülle transzendiert und hätte eine geistige Ebene erreicht, wo es ihr nicht mehr wehtun konnte, dass Keighley der ganzen Klasse vom Softporno erzählte, den sie momentan las. Ace überlegte, ob er lieber von Douglas Adams oder einem seiner hundert obskuren Fantasy-Lieblinge erzählen sollte, während er sich eine Weile aktiv von Para anschweigen ließ.

Als der Bildschirm aufleuchtete, wollte er für ein paar Sekunden Hoffnung fassen.

PARADOX: kenne ich :3 gewöhn dich dran oder umgeh sie, wird den rest dieses lebens nicht besser werden

PARADOX: und heute wird nicht mit mir x.x tagsüber gebucht, abends essen mit freunden

Dann eben nicht. Der Gedanke, der sich in letzter Zeit gelegentlich einschleichen wollte – was, wenn das ein Zeichen für den Anfang vom Ende war, was, wenn Para neue, coolere Bekannte gefunden hatte und deswegen kaum noch von sich hören ließ – wurde von Ace beiseite gedrängt. Er hatte auch schon so genug im Kopf, er brauchte nicht auch noch eine Klammer aus Eifersucht, die sich um seine Rippen legen und zudrücken wollte, bis er keine Luft mehr bekam.


Zwei Mal Pausenklingeln und unzählige dämliche Bemerkungen, Zwischenrufe und schleichende Anarchie später stand er im Gang und sah auf die mehr als vier Minuten lange Sprachnachricht, die Katherine ihm geschickt hatte. Ace seufzte. Was war ihr Problem? Konnte sie das nicht als Text zusammenfassen, wie jeder andere Mensch? Erst, als er eine ruhigere Ecke gefunden hatte, wagte er, das Ungetüm anzuhören. Seine Brauen wanderten schleichend in die Höhe, und schließlich ließ er sich an der Wand herabsacken. Katherine hatte sehr, sehr viele schöne entschuldigende Worte gefunden, um die Kernaussage zu entschärfen, aber das änderte nichts an ebendieser. Bitte sei beim Treffen mit Nero dabei. Er hat durchscheinen lassen, dass ich mir meinen Wunsch nach ner offenen Diskussionen sonstwohin stecken könnte, wenn du nicht wärst, und ich vertraue seiner qualifizierten Meinung dahingehend, was miese Scheißkerle antreibt, mehr, als ich meinen eigenen Ideen vertraue. Ich würde dich nicht fragen, wenn ich mir nicht sicher wäre, dass es das braucht. Bla, bla, bla. Ace seufzte tief, aber andererseits war das zumindest keine ganz unmögliche Bitte. Immerhin hatte er anscheinend wirklich etwas gegen Nero in der Hand, oder? Sonst wäre der niemals an Katherine herangetreten. Und auch, wenn Ace sein schlechtes Gefühl nicht abschütteln konnte, war es doch nicht, als hätte er heute viel mehr zu tun. Wenn man wollte, dass andere Leute einen akzeptierten, musste man hin und wieder in den sauren Apfel beißen... nicht wahr?


Ein paar Stunden später saß Ace zusammengesunken auf einer Kunstlederbank und verfluchte sein Ich von zuvor. Wie konnte er auf die hirnverbrannte Idee kommen, dass das ein guter Plan war?! Angstschweißige Hände waren ja okay, die hatte er einberechnet. Die Übelkeit auch. Die Tatsache, dass er vermutlich nicht einen einzigen Bissen seines bestellten Essens würde herunterwürgen können, nahm er hin. Mit dem Gedanken, freiwillig rumzusitzen und zuzuhören, wie Nero Worte von sich gab, hatte er sich arrangiert.

Was nicht eingeplant war, war Katherine, die sich mal eben entschuldigt hatte, um mit der Servicekraft am Tresen irgendwas auszudiskutieren, und die beiden Jungen zu diesem Zweck alleingelassen hatte.

Nicht ganz allein, heißt das. Es war noch früh genug am Nachmittag, dass der Laden nicht leer war, und rund um sie saßen vereinzelte Familien, Freundesgruppen und Leute, die sich einfach nur ein verspätetes Mittagsessen gönnen wollten. Ihre Stimmen erfüllten die Luft, und ironischerweise sorgte das dafür, dass Ace sich noch isolierter fühlte. Einsam im Feindgebiet.

Sein Herz schlug schneller als der Takt, den ihm das ruhige Popgedudel im Hintergrund des Taco Bell vorgeben wollte. Er hatte sich in seiner Kapuzenjacke verkrochen, den Kopf zurückgelegt und starrte auf die grellen Deckenfliesen, während er sich weismachen wollte, er käme damit klar, alles wäre ganz hervorragend, er würde sich einfach totstellen, bis Katherine zurückkam...

„Ace?" Als hätte es nur das gebraucht, um seine Zündschnur durchbrennen zu lassen, fuhr er auf und schnappte ganz im Stil von ‚Angriff ist die beste Verteidigung' zurück.

„Das ist nicht mein Scheißname-!" Kurz blinzelte Ace, begegnete den dunklen Augen Neros und sah genau so rasch wieder weg, während er sich räusperte. „Okay, das ist mein Name. Ist ja gut zu wissen, dass du ihn doch kennst."

„Oh, ja, der ist eigentlich ziemlich einfach zu merken." Nero sprach so locker und vergnügt, als wäre das hier ein geselliges Zusammensein unter Freunden und nicht... was immer es war. „Weißt du, du nimmst einfach die letzten drei Buchstaben von..." Der Blick, mit dem Ace sich zu ihm wandte, musste Bände gesprochen haben. Nero räusperte sich. „Irgendwas sagt mir, dass das der falsche Zeitpunkt für diese Erläuterung ist." Ace wünschte, er wäre in der Lage, vielsagend eine Braue zu heben. Jetzt gerade wäre das wirklich nützlich gewesen.

„Aber nein, mal im Ernst, wie hast du Zack dazu gebracht, dir die Sachen zu schicken?"

...Was?

Ein Teil von Ace wünschte, er hätte sein Getränk schon. Wenn er jetzt etwas getrunken hätte, dann hätte er vorgeben können, zu einem strategisch günstigen Zeitpunkt zu ersticken, und zwar exakt so lange, wie Nero brauchte, um das Thema fallenzulassen. Aber ihr Essen hing immer noch irgendwo in der Warteschlange fest, und ihm blieb nur, Nero überfordert anzuglotzen.

„Woher weißt du-!... Ich meine, woher willst du wissen – das ist nicht gesagt, es könnte quasi von jedem kommen." Ace verfluchte Katherine und ihre dummen Ideen, er verfluchte Nero, er verfluchte Zack und seine Bitte, ihn rauszuhalten, und er verfluchte den Teil seines Gehirns, der ihn reden ließ, ohne vorher über seine Sätze nachzudenken. „Und überhaupt geht dich das nichts an!", fügte er giftig hinzu, als wäre der Schaden nicht schon längst angerichtet.

„Jaaa..." Nero lächelte nicht, aber trotzdem interpretierte Ace eine Selbstgefälligkeit in seinen Ton, die ihn dazu bringen wollte, seine pazifistischen Ideale noch einmal zu durchdenken. „War geraten. Aber jetzt, wo wir das geklärt haben ... Hast du dir eigentlich schonmal Gedanken darüber gemacht, warum er dir dieses Zeug geschickt hat?" Ace legte den Kopf wieder zurück und versuchte, in seine Deckenfliesen-Meditation zurückzufinden. Du bist ihm keine Antwort schuldig, erzählte er sich. Andererseits schien Nero sich von ein klein wenig Ignoranz nicht aufhalten zu lassen.

„Oder, anders – hast du dir Gedanken darüber gemacht, warum er dir ausgerechnet dieses Zeug geschickt hat? Ein paar Bagatellen und Dinge, von denen jemand wie Zack annehmen könnte, dass sich mich wütend machen? Ich meine, wenn du jemanden in einer Erpressung unterstützen willst, würdest du dann ernsthaft nur Kleinigkeiten rausrücken und den besten Kram für Eigenbedarf behalten? Ist doch nicht besser als Münze werfen, was den möglichen Ausgang angeht." Ace spürte sich die Zähne zusammenbeißen. Sicher, Zack war nicht immer ein guter Mensch gewesen, aber er war inzwischen kein schlechter Kerl. Es war nicht fair, dass Nero versuchte, ihn nun in seinen eigenen Farben zu zeichnen.

„Es war meine Entscheidung, okay? Nicht seine. Zack hat mich nicht gezwungen, seine Bilder zu nutzen." Und das waren ja anscheinend mehr als Bagatellen, sonst hätte Nero nie darauf reagieren müssen. „Außerdem ... Schonmal daran gedacht, dass Zack dieses ‚beste Zeug' schon lange losgeworden ist, weil es ihm unangenehm war, sich an seine Zeit hier und euch Arschlöcher zu erinnern?" Nero hob die Brauen.

„... Aber sicher. Wer kennt es nicht? Nach jedem großen Streit erstmal alles belastende Material zum Gegenüber vernichten und Nichtigkeiten behalten. Mach ich auch immer so." Ace versuchte, ihn mit Blicken niederzustarren, schaffte zwei Sekunden Augenkontakt und beschloss dann, dass es das nicht wert war. In einer anderen Situation hätte er vielleicht wirklich über die Worte nachgedacht, aber nicht hier und jetzt. Nicht in dieser Konstellation. Er war weniger Pro-Zack, als er Anti-Nero war.

„Tja, entschuldige bitte, dass nicht jeder Mensch so ein durchtriebenes Arschloch ist wie du. Und was heißt hier Streit?! Du hast ihn aus seinem Freundeskreis rausgejagt, seine Freundin weggeschnappt und ihm irgendwelche furchtbaren Dinge angetan, weil du es nicht haben konntest, dass ein anderer mit irgendwas glücklicher oder erfolgreicher ist als du!" Als Ace die neugierigen Blicke vom Nachbartisch bemerkte, errötete er und beschwor sich, seine Stimme ruhiger zu halten. Nur war das gerade nicht einfach.

„Waaarte..." Neros Brauen hoben sich. Er sprach gedehnt, während er sich vom Tisch schob und nach hinten gegen das Sitzleder fallen ließ. „Ist das das, was du dir zusammengereimt hast, oder hat er das wirklich erzählt? ... Und rein aus Interesse, von welcher Freundin sprechen wir hier?"

„Wer die Geschichte in welcher Weise erzählt hat, kann dir doch egal sein. Und stell dich nicht so dämlich, es geht um Quinn."

„Tut es das..." Nero schnalzte leise mit der Zunge, die Augen wieder unergründlicher. „Junge. Das ist selbst für ihn ne ganz schöne Nummer..." Ganz kurz schien er in Gedanken zu versinken, dann schüttelte er den Kopf. „Was auch immer, das ist ein Thema für einen anderen Tag. Sag mal..." Jetzt, endlich, zog sich das typische Halblächeln über sein Gesicht. „...dein böser Junge, vor dem sogar ich Angst hätte, das ist doch nicht etwa Zack, oder?" Oh bitte. So lächerlich hatte das doch nicht geklungen, dass Nero es sich Wort für Wort hätte merken müssen!

„Quatsch", murmelte Ace. „Das ist jemand, den ich aus dem Internet kenne." Schon bevor er Neros Blick gesehen hatte, wusste er, dass er seine Worte hätte durchdenken sollen.

„Aus dem Internet." Falls Nero versuchte, nicht zu grinsen, misslang es ihm gründlich. Er hob die Arme und verschränkte sie hinter dem Kopf, während der Blick nie ganz von Ace weichen wollte. „Ah. Okay. Ich verstehe. Also, wenn mir jemand im Internet erzählt, dass er im realen Leben ein ganz, ganz harter gemeingefährlicher Kerl ist, dann achte ich natürlich auch immer darauf, ihm mit ausreichend Respekt zu begegnen. Uff. Online zu sagen, was für ein unglaublicher Typ du bist, dafür braucht es ja schon richtig dicke-"

„Nicht diese Sorte!", unterbrach Ace den Vortrag knurrig. „Und er ist real genauso, wie er sich online gibt! ... Also, vermutlich sogar schlimmer! Das war schon ernstgemeint. Sei froh, wenn du den niemals kennenlernen wirst." War ihm klar, dass er sich gerade ziemlich dumm aufführte? Ja. Wollte Ace Paras eingebildete Ehre gegen irgendwelche großmäulige Schulschläger verteidigen, auch wenn der das vermutlich nicht nötig hatte und ihn wohl eher aufziehen würde, wenn er es wüsste? Auch ja.

„Oh, ich bin sicher, das ist ein ganz Böser." Nero blinzelte mit Unschuldsmiene. „Aber heißt das jetzt, du hast dich wirklich so lange in irgendeinem Chatroom ausgeheult, bis jemand daherkam und meinte, wenn du lieb Bitte sagst, dann kommt er an und schubst mich auch mal von der Schaukel?" Aces Miene musste Bände gesprochen haben. „Nein, ich meins ernst, ich würde gerne mehr über deinen Online-Helden hören, man hat nur selten die Gelegenheit, Prominenz so hautnah zu erleben-"

„Sei nicht so ein ... so ein selbstgefälliges Arschloch! Ich bin ihm auch schon real begegnet, und da war er genauso beeindruckend wie online." In Gedanken entwarf Ace ein kurzes Entschuldigungsschreiben an Para, aber Notlügen – besonders gegenüber solchen Leuten – waren doch keine wirklich schlimmen Lügen, oder? „Wir waren zusammen auf ner Party."

Nero blinzelte. „Wer nimmt dich denn freiwillig mit auf ne Party? ... Oh, hi, Kathy."

„Hi..." Sie seufzte tief, ehe sie die Tabletts abstellte und neben Ace rutschte. „Ich hoffe, ich hab euch nicht zu lange warten lassen, die hatten unsere Bestellung irgendwie vertauscht – ist das da ein Spickzettel?" Nero schien einen Moment genauso überfordert wie Ace, ehe sie anfügte: „Dein Handgelenk." Erst jetzt machte sich Ace die Mühe, auf die verschmierten Ziffern zu achten, die irgendwer an Neros Arm heruntergekrakelt hatte.

01001001 01100011 01111001 00100000 00111100 00110011.

„Ist aus Informatik", meinte Nero wieder nichtssagender, zog den Arm aber hinter seinem Kopf zurück und stützte ihn auf der Sitzbank ab, die beschriebene Seite abgewandt von Blicken. Jetzt, wo Katherine da war, schien der Fokus aber auch endlich von Ace abzufallen, der es wagte aufzuatmen. „Da ich heute eigentlich noch was vorhabe... erzähl. Was liegt dir auf dem Herzen?"


Es brauchte zwei Tacos und eine Viertelflasche Cola, bis Katherine ihre Idee in Worte gefasst hatte, und Ace hatte das Gefühl, dass sie bei Nero behutsamer formulierte, als sie es bei ihm getan hatte. Er wusste nicht, ob es daran lag, dass sie irgendeine Art von Paranoia antrieb oder nur daran, dass Katherine mehr an ihren Plänen zweifelte, als sie offen zugab. Nero sah zumindest nicht besonders überzeugt aus.

„Ein... anonymes Nachrichtensystem."

„Jap."

„Über das die Schüler sich gegenseitig ihr Herz ausschütten sollen."

„Gegenseitig oder in größerem Rahmen, ich denke da auch an so eine Art – ich weiß nicht, Beicht-Forum? ... Auf alle Fälle will ich, dass Leute sich ermutigt fühlen, zu sagen, was sie wirklich denken. Im Positiven wie im Negativen?" Ace saugte geräuschvoll an Cola und versuchte sich rauszuhalten.

„Okay..." Nero holte Luft. „Erstens... die Smartpads sind nicht wirklich dafür ausgerichtet. Du wirst die Kennnummern der einzelnen Schüler immer noch irgendwo rausfiltern können, selbst wenn sie auf den ersten Blick verborgen sind, und sobald das genug Leute wissen, kannst du dich von deiner privaten Beichterei verabschieden. Zweitens... was lässt dich glauben, dass die Leute unter dem Mantel der Anonymität netter sein werden als vorher? Da wirst du genau dieselben Schlammschlachten haben, und diejenigen, die du schützen willst, bringen sich vermutlich nach einer Woche um, weil – fiktiv gewähltes Beispiel – jemand einen Bot programmiert, der zweimal stündlich ‚Sagmal, wie lange verschwendest du eigentlich noch Sauerstoff, Fuckface'-Nachrichten schickt." Ace grollte in seine Cola, und auch Katherine atmete deutlicher aus.

„Nur, weil du sowas machen würdest-!"

„Würde ich nicht. Ich sagte ja, fiktiv gewählt. Du glaubst doch nicht, dass ich so bescheuert wäre, sowas auf einem Kanal zu machen, auf dem mans zu mir zurückverfolgen kann." Und er hatte auch noch die Unverfrorenheit, dazu zu lächeln, ehe er wieder ernster blickte. „Aber im Ernst, ich glaube, du bist da etwas blauäugig. Deine Täter lassen sich nicht durch Gejammer umstimmen, denn sonst hätten sie nach den ersten bösen Worten doch eh aufgehört, und diejenigen, die bei ein bisschen anonymen Geschimpfe gleich einknicken, sind die, die sowieso schon weit unten in der Hierarchie stehen. Selbst wenn irgendwer sich mal eben zum Nachdenken gezwungen sieht, ist das doch in ein paar Tagen wieder vergessen." Es gefiel Ace nicht, aber er sah sich innerlich zustimmen. Katherine schien weniger einverstanden.

„Oh bitte. Es kann doch nicht so schwer sein, Leute davon zu überzeugen, dass alle glücklicher sein würden, wenn wir uns zur Abwechslung mal wie Menschen verhalten würden."

„Aber das tun sie doch schon." Neros Augen funkelten vergnügt, während er sich eine Pommes aus der Schale von Katherines unberührten Resten huschte. „Ich weiß, du bist Rousseau-Fan, aber die Welt spielt mehr nach Hobbes' Regeln. Wir wollen andere leiden sehen. Das ist in uns drin. Du kannst nicht das Wesen der Menschheit ändern – auch wenns natürlich süß ist, dass dus versuchst." Wenn es nicht schon die Wortwahl war, dann reichte spätestens der liebevoll-herablassende Tonfall, um Katherine die Augen verengen zu lassen. Ace konnte sich vorstellen, dass sie zumindest in diesem Moment seine Abneigung bestes nachvollziehen konnte.

„West ... Nur weil du dich jeden Tag mit absolut furchtbaren Menschen umgibt, heißt das nicht, dass auch der Rest von uns so ist. Glücklicherweise besteht mein Bekanntenkreis immer noch aus Personen, die es furchtbar finden, wenn jemand lästert und schikaniert, nur weils ihm Spaß macht."

„Du darfst das mit dem ‚Spaß machen' nicht auf die Allgemeinheit beziehen." Nero zog die Pommesschale näher zu sich, zur Territoriums-Markierung, und fuhr fort: „Das ist mein Ding, und auch nur, weil ich in der Hinsicht ehrlich bin. Alle anderen haben da ne ganze Palette von Pseudo-Gründen dafür. Weißt schon. Leute verdienen es, wenn man sich über sie lustig macht, weil sie sich komisch benehmen, und weil sie dann vielleicht lernen, sich wie normale Menschen zu verhalten, oder weil man ihnen das richtige Verhalten nur beibringt, wenn man sie n' bisschen rumschubst ... Irgendwelche Ausreden finden sich doch immer, der Kernwunsch bleibt der gleiche. Und erzähl mir nicht, dass es bei deinen Freunden anders ist. Ich kenn Roxanne und Imogen. Wenn man sich mal ruhig mit denen unterhält, dann können die auch ziemlich farbenfroh über alle beliebten Mädchen abrotzen ... Angel ist ja so ne dumme Nutte, bei deren Rocklänge muss sie sich nicht wundern, wenn sie mal einer in ne dunkle Seitengasse zerrt, und ich will Quinn links und rechts eine scheuern, wenn ich auch nur ihre hässliche Stimme höre..." Er verfiel kurz in den höheren Mädchenstimmen-Singsang, ehe er grinste, sich die nächste Pommes schnappte und zurücklehnte. „Aber da ist es natürlich okay, weil man die moralisch besseren Gründe hat, Leute leiden sehen zu wollen, hm?" Ace hatte es gar nicht geschafft, bis zum Ende zuzuhören. Schon im ersten Viertel hatte er gespürt, wie es sich in ihm zusammenkrampfte. Was tat er eigentlich hier?! Wann war er auf die Idee gekommen, sich herzusetzen und zuzuhören, wie Nero erläuterte, warum Leute es für gerechtfertigt hielten, Ace wehzutun?! Er spürte das Blut in seinen Ohren rauschen, als er ein tonloses „Bin mal auf Toilette." murmelte, sich mit seinem Rucksack emporstemmte und an Katherine vorbeidrückte. Sein ganzes Wesen schrie nach einer Atempause. Fehlte nur noch, dass jemand pfiff.


Nero beobachtete, wie Fuckface sich an Kathy vorbeischob, und auch, wenn er wie üblich sein bestes gab, sich in der Kapuze zu vergraben, konnte man den feinen Schweiß sehen, der stellenweise auf dem Gesicht glitzerte. Bis eben hatte er den Jungen mehr oder weniger vergessen – Nero hatte gesagt, was er sagen wollte, und Zweifel war etwas, dass es langsam und geduldig zu säen galt – aber der hatte anscheinend selbst dann noch im Gespräch gehangen, als er so aussah, als wäre er geistig schon meilenweit von ihnen entfernt.

„Sie sind nicht – ... sie meinen das nicht wirklich so." Kathys Ton, der erst zum Ende hin wieder forsch wurde, holte ihn in die Gegenwart zurück, und Nero richtete seinen Blick zurück auf sie. Das Mädchen seufzte grimmig und fuhr sich mit den angewinkelten Fingern durch den Haaransatz. „Ach man. Eigentlich hatte ich gehofft, wir könnten uns heute darauf konzentrieren, wie man das technisch umsetzt, ohne dass Leute es ausnutzen können. Roxy sagte, du würdest dich bei sowas auskennen..." Diese kleine Petze. Katherine, die nichts von seinem Unmut ahnte, gab ein schwaches Grollen von sich und warf die Arme nach oben. „Und jetzt willst du mich wieder an den Anfang zurückwerfen! Wie soll man Mobbing denn bitte sonst begegnen, wenn nicht mit Dialog und Einsicht?"

„Also, ich hörte, Jose hat da einen ganz guten Plan gehabt..." Nero grinste schwach, während Katherine versuchte ihn niederzustarren. „Sag, was du willst, aber er hatte schon Recht. Wenn ich tot bin, kann ich keine gemeinen Worte mehr zu anderen Leuten sagen."

„Ha ha, West." Nero zuckte die Schultern.

„Ansonsten... stabile Familien, stabile Freundeskreise, eine Infrastruktur, die dafür sorgt, dass die Leute tagsüber was finden, um sich die Zeit zu vertreiben, aktives Einbinden in Gemeinschaften, die den Menschen Selbstwert und Bestimmung verleihen... du weißt schon, dieses utopische Zeug. Alternativ könntest du uns alle mit Drogen vollstopfen, bis wir zu happy und lethargisch sind, jemandem wehzutun. Aber nur mit ein paar traurigen Worten oder ehrlichen Nachrichten kannst du doch die Welt nicht verändern." Katherine schwieg, ihren Kopf auf die gefalteten Hände gestützt, bis sie schließlich matt murmelte: „Ich hasse dich und dein Weltbild." Nero nahm das mit gehobenen Brauen hin.

„Und wenn mir Geld und Macht für gesellschaftliche Umstürze und Drogen fehlt und ich nicht einsehe, gleich aufzugeben?", murrte sie schließlich, und Nero legte den Kopf zur Seite.

„Dann bau wenigstens nen Filter ein, der dafür sorgt, dass die Leute sich nicht gegenseitig verbal zerfleischen oder Gore schicken können oder so." Er zog die Stirn kraus. „Oder Penisbilder. Von denen wird's wahrscheinlich noch mehr geben als Hassnachrichten. Sag mal, wo bleibt Ace eigentlich?" Katherine hatte wieder den ‚Vielleicht in deinem Bekanntenkreis'-Blick aufgesetzt, der aber auf die letzten Worte hin in sich zusammenfiel.

„Er ist doch nur... aber stimmt, er ist eigentlich schon länger weg. Sollte man vielleicht mal nach ihm sehen?" Katherines Zorn von eben schien wieder auf Sparflamme zu kochen, stattdessen sah sie ein wenig besorgt aus, als sie sich auf die Lippe biss. Womöglich auch schuldbewusst. Ein Teil von Nero fragte sich immer noch, wie sie es überhaupt geschafft hatte, Fuckface herzuschleifen. Unabhängig davon, ob die beiden nun wirklich was miteinander hatten oder nicht, hoffte er, der Junge hatte wenigstens einen guten Deal für sich rausgehandelt.

„Fühl dich frei?"

„Nero, ich kann nicht einfach so auf die Männertoilette marschieren!" Sie schimpfte noch, als ihr Handy vibrierte, griff schließlich danach und überflog die Zeilen, ehe ihre Haltung einsackte. „Er schreibt, er hats sich anders überlegt und geht nach Hause." Kopfschüttelnd seufzte sie. „Manchmal verstehe ich den Jungen so gar nicht." Nero traute sich zu, zumindest das jetzige Mysterium aufschlüsseln zu können, aber er schwieg sich aus. Andererseits hieß das, dass es Zeit wurde, dieses Gespräch zu beenden. Wenn die Zack-Verbindung geflüchtet war, gab es auch für Nero hier nichts mehr zu holen.





qq finally. Das Kapitel war ein Krampf, und ich wollts eigentlich gestern schon hochladen, aber dann kam Geburtstag dazwischen. (Wer das hier liest, muss mir übrigens nachträglich gratulieren!) Den zweiten Teil lade ich auch gleich hoch, dann haben wir die Exposition hinter uns und können hoffentlich allmählich zu den Storyteilen übergehen, auf die ich wieder Bock habe :>

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