The Games We Play (BoyxBoy)

By SunshinePulse

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Ace hat die Nase voll von seinem Leben. In der Schule steht er an erster Stelle auf der Abschussliste der Mob... More

Vorwort & Aesthetics
Grayton Beach, Florida
Wie ich meine Ferien verbracht habe
Schulbeginn
Willkommen zurück
Sommerspaß mit Freunden
//Mortal Realms
//Fremdenführer
//Gal'grim
Gay Bois hmu
//Zuflucht
//hetero
Jose
//Geringe Hoffnungen
Echte Freunde
//Tyrann
Ermüdend
Nachtwandler
//Player versus Player
Mitgefühl
Ace macht Selfies
Zwergenaufstand
Missoula
Häschen
Morgen danach
Ethan ist nicht glücklich
Win some, lose some
Funkstille
Gefühlsgelaber (1)
Gefühlsgelaber (2)
Ace, der Forscher (1)
Ace, der Forscher (2)
Ace erweitert seinen Horizont (1)
Ace erweitert seinen Horizont (2)
Schulausflüge
//Ace, Herr des Chaos
Ace wird bissig (1)
Ace wird bissig (2)
Gehirntumor
Planänderungen (1)
Planänderungen (2)
Ace und die Kunst der Erpressung
Ace ist ein mieser Geheimniswahrer (1)
Ace ist ein mieser Geheimniswahrer (2)
//Wetten
Arschlochfreunde (1)
Arschlochfreunde (2)
Ace wünscht Gesellschaft (1)
Nero wählt das geringere Übel (2)
Nero wählt das geringere Übel (3)
Ace ist grundsätzlich überfordert (1)
Ace ist grundsätzlich überfordert (2)
Enthüllungen (1)
Enthüllungen (2)
Schadensbegrenzung (1)
Schadensbegrenzung (2)
Schlussstrich (1)
Schlussstrich (2)
Schlussstrich (3)
Oben in den Boonies (1)
Oben in den Boonies (2)
Oben in den Boonies (3)
Oben in den Boonies (4)
Oben in den Boonies (5)
Wie macht man dieses Flirten? (1)
Wie macht man dieses Flirten? (2)
Wie macht man dieses Flirten? (3)
Wie macht man dieses Flirten? (4)
Wie macht man dieses Flirten? (5)
Wie macht man dieses Flirten? (6)
Wie macht man dieses Flirten? (7)
Wie macht man dieses Flirten? (8)
Wie macht man dieses Flirten? (9)
Wie macht man dieses Flirten? (10)
Kein Kapitel, shame on me
Nehmt keine Drogen, Kinder (1)
Nehmt keine Drogen, Kinder (2)
Nehmt keine Drogen, Kinder (3)
Nehmt keine Drogen, Kinder (4)
Halloween (1)
Halloween (2)
Halloween (3)
Halloween (4)
Willkommen zurück
Willkommen zurück (2)
Willkommen zurück (3)
Willkommen zurück (4)
Willkommen zurück (5)
-Info für Leser-
april april
Aufrüsten

Körperliche Ertüchtigung

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By SunshinePulse


Ace lehnte am Halbzaun aus Maschendraht und versuchte Jose zu ignorieren. Der warf ihm immer wieder aufs Neue scheue Blicke zu und hatte die Stirn in Falten gelegt. Normalerweise würde Ace fremde Gesellschaft nicht ablehnen, aber im Moment fragte er sich, ob sich der Junge nur freute, dass nicht er derjenige war, der am ersten Schultag leiden musste. Das wäre nun auch nichts Neues gewesen. Und wenn es weder Ace noch Jose waren, dann war es einer der Nerds, oder ein schlauer Schüler, oder ein zurückhaltender, oder einer, der durch irgendwelche Verhaltensweisen unangenehm auffiel ... nicht, dass ihnen irgendwer erklärte, was sie falsch machten. Man wusste entweder, wie man dazugehörte, oder zog automatisch das kürzere Streichholz.

Während er gedankenversunken am Gummibelag des Sportplatzes zupfte, schien sich Jose ein Herz zu fassen. Er rappelte sich auf und trottete in Aces Nähe, wenn auch nicht nah genug, um ein ‚Verpiss dich' zu riskieren. Jose hielt denselben Sicherheitsabstand zu ihm, wie Ace ihn zu all seinen Klassenkameraden halten musste.

„Hi." Ace sah auf. Seine Augen glitten von abgewetzten Sneakers über Discounter-Jogginghosen und einen zerknautschten Turnbeutel, bis sie flüchtig den Blick von Jose trafen. Der Junge hatte ein sehr langes, ovales Gesicht und durfte sich vermutlich schon jeden Pferdewitz auf dieser Welt dafür anhören, aber seine Augen waren sanft geschwungen und ließen ihn eigentlich ganz nett aussehen... zumindest in guten Momenten. Momentan aber blinzelte Jose gegen die Sonne und wirkte angepisst von der ganzen Welt, und in seiner Miene war keine Sanftheit erkennbar.

„Eh. Hi." Nicht gerade der Höhepunkt menschlicher Kommunikation. Ace versuchte sich damit zu rechtfertigen, dass er und Jose nun beide keine gesprächigen Menschen waren, und zumindest das Innere seines Kopfes erkannte diese Argumentation an. Er fügte ein unsicheres Lächeln an und hoffte, dass es die Situation nicht unangenehmer machte, als sie ohnehin schon war.

Jose hatte es nicht einmal gesehen – sein Blick war zur Seite gehuscht, sobald ihr Sportlehrer die Stimme gehoben hatte.


Niemand von ihnen wusste, wie sportlich Mr. Morrison früher gewesen sein musste, aber inzwischen schob er neben seinem Schnauzer einen kleinen Bierbauch vor sich her, und seine Voreingenommenheiten waren ein offenes Geheimnis. Er liebte die Schüler, die die Schule im Sport nach außen hin repräsentierten – sein Favourit waren die Footballer, dicht gefolgt von Basketball, aber auch viele der Nischensportarten konnten bei ihm punkten, solange er das Gefühl hatte, dass sie noch etwas ‚Amerikanisches' oder ‚Männliches' besaßen. Weniger Liebe bekamen dagegen die Schüler in ‚unamerikanischen' Sportarten, unter anderem Jungen, die tanzten und Gymnastik machten und nicht hundert Prozent in Mr. Morrisons vorsintflutliche Ansichten hineinpassten, und noch weniger die, von denen er das Gefühl hatte, sie würden sich nicht einmal Mühe geben.

So konnte er innerhalb von Minuten vom netten, väterlichen Kumpel für seinen Star-Footballer zu einer ruppigen und strengen Person wechseln, die persönlichen Anstoß nahm an der Unfähigkeit des einen oder anderen Schülers. Außerdem hatte Ace gehört, dass er sich manchen Schülerinnen gegenüber gruselig benommen hatte, aber das wiederum waren nur Gerüchte, und mehr als unangemessene Blicke konnte man dem Sportlehrer dahingehend auch nicht nachsagen.

Mr. Morrison rieb sich die sonnenverschwitzten Hände an seiner Hose ab und blinzelte in die Runde. „Tjaa... ich freue mich, euch alle zurückzubegrüßen zum neuen Schuljahr. Bin ja erstaunt, wie gut ihr es durch die Ferien geschafft habt." Er gluckste deutlich, und Ace beobachtete, wie manche der Jungen grinsten und sich anstießen. Das war die Sorte, die sich nicht nur andauernd durch eigene Blödheit verletzte, sondern auch regelrecht stolz darauf war.

Während Mr. Morrison noch seine kleine Rede hielt, schwenkte Joses Blick wieder zu Ace. Der intensive Ausdruck in seinen Augen hätte ihm Angst gemacht, würde er nicht wissen, dass er von Jose eigentlich nichts zu befürchten hatte.

Der Junge schien abzuwägen. Seine Augen huschten vor und zurück, er biss sich auf die Lippen, und dann wurde die Stimme des Lehrers wieder laut. „...mit Basketball! Wir wollen dieses Schuljahr ja ordentlich einleiten!" Die meisten Jungen johlten. Während sie sich im weiten Halbkreis um den Lehrer gewunken wurden, murmelte Jose nur für Ace hörbar: „Überlegst du dir manchmal, wie weit es gehen müsste, damit das aufhört?" Dann wandte er sich schon wieder ab, stierte in die Ferne, als hätte er nie irgendwas gesagt, und einen kurzen Moment sah man die Sehnen an seinem Hals hervortreten. Ace blinzelte, während er versuchte zu erraten, was für eine Art von Antwort darauf erwartet wurde.

Inzwischen hatte man die Kapitäne ausgewählt – zwei der Jungen aus der Schulmannschaft – und die ersten Rufe wurden laut.

„-Devon!"

„-Nero!"

„– Joshua!"

„Komm schon, nimm Ethan"

„-Ethan!" Ihre Reihen lichteten sich. Als die größten und muskulösesten Jungen weg waren, ging es weiter mit „Imogen!", die juchzend die Arme in die Luft hob und in Team eins hüpfte. Unter den wenigen Mädchen der Sportgruppe war sie diejenige, die immer noch relativ früh gewählt wurde, zum Teil aus Beliebtheit und zum Teil, weil jahrelanges Leichtathletiktraining und gute Gene sie zu einer beeindruckenderen Gestalt geformt hatten, als es einige der Jungen waren, Ace eingeschlossen. Er schloss die Augen und blinzelte der hellen Sonne entgegen. Das er als letztes gewählt werden würde, war nichts neues und eine Demütigung, an die er sich schon lange gewöhnt hatte. Viel heftiger rumorten Joses Worte in seinem Kopf, bis er sich zu einer gemurmelten Antwort bequemte.

„Es wird nicht aufhören. Und ich hab nicht vor, irgendwas zu versuchen, dass es Schlimmer macht." Es konnte durchaus schlimmer werden, das hatte man ihm sehr eingehend demonstriert, als Ace in der siebten Klasse versucht hatte, eine Lehrerin über das Mobbing einzuweihen. So schnell wie möglich verdrängte er die Bilder, die vor seinem inneren Auge erschienen. „Ist nur noch ein Jahr, also leg dir deine Krankentage gut und dann – Augen zu und durch?" Ace sandte Jose ein ironisches Lächeln und bereute es, als er sah, dass der Junge es nicht erwiderte.

Der Platz hatte sich allmählich geleert. Als Ace seinen Blick über die wenigen Verbleibenden schweifen ließ, wurde ihm klar, dass die Mannschaften schon an dem Teil angelangt waren, wo sie das geringste Übel suchten.

Noah, der Kapitän von Team zwei, starrte seine Mitschüler mit gerunzelter Stirn an, während laute Ratschläge auf ihn einprasselten.

„Nicht Ace!"

„Keine Brenda."

„Könntest Jose nehmen, der bleibt im Ballbesitz, weil ihn keiner freiwillig anfasst."

„Ah komm, nimm Hughie und hoff, dass das andere Team die schlimmsten sammelt." Hughie, der eigentlich Eugene hieß, wurde aufgerufen und huschte mit erleichterter Miene ins Team zwei, während Team eins ohne lange Absprache „Quentin!" verlauten ließ. Um Nutzen ging es hier schon lange nicht mehr, aber es war wahrscheinlich weniger schlimm, zu Eugene freundlich zu sein, als beispielsweise zu Ace.

„Jose."

„Brenda." Das Mädchen erhob sich, vermutlich mit dem Gedanken, dass all das immer noch besser war als Ungeschicklichkeit neben Leuten wie Quinn und Angel zu demonstrieren, und trottete ins Team eins.

„Ah, komm schon!... Okay, Ace, her mit dir." Man wank ihn herüber, und Jose lächelte ihm nun doch zu – mit knappen zwei Minuten Verspätung – ehe er den Kopf senkte. Schließlich trat Mr. Morrison wieder aufs Feld.

„Gut so. Uuuuund Anfang!" Damit warf er den Ball in die Luft.


Obwohl sie nach einer halben Stunde abgebrochen und stattdessen fürs Sportfest trainiert hatten, konnte Ace die blauen Flecken immer noch zählen. Sicher, beim Spielen war man mal unachtsam oder rabiat, aber das war zuviel Angerempel gewesen, als dass er glauben könnte, nichts davon wäre Absicht gewesen. Jetzt, nachdem er im Eiltempo in die Umkleide und zurück gehuscht war, hatte er mit sich gerungen und sich schlussendlich wieder auf die Bank gesetzt, auf der er die Pause verbracht hatte. Es war die vernünftigste Entscheidung. Wenn er ihnen heute entwischte, würde es morgen doppelt so schlimm sein. Und wenn er morgen krank machte... Ace wollte gar nicht wissen, was ihn zum Ende der Woche erwarten würde.

Er sah auf, als er Schritte hörte, und erkannte Devon und einen der anderen Footballer, die vom Platz zurückkehrten. Wahrscheinlich hatten sie sich mit dem Lehrer verquatscht ... Immerhin würde auch die Saison bald wieder anfangen, und die Aushänge verkündeten ohnehin schon in der ganzen Schule, welche Clubs und Teams wieder auf Mitgliederfang waren.

Als Devon ihn allein auf der Bank erkannte, zwinkerte er ihm zu und wandte sich dann wieder lachend an seinen Gesprächspartner. Die Geste, die bei vielen Mädchen Quietschen und Erröten hervorgerufen hatte, war in diesem Fall wahrscheinlich nichts weiter als eine kurze Drohung zu Devons eigener Belustigung.

‚Lauf nicht weg. Wir warten auf dich.'


Er war noch nie gut darin gewesen, auf etwas zu warten, was er fürchtete. Schulvorträge? Ace machte normalerweise durch, weil die Angst ihn kaum schlafen ließ. Klassenfahrten? In der achten hatte er es geschafft, sich durch plötzliches, magischerweise auftretendes Fieber zu drücken, und auf ihrer Sophomore-Abschlussfahrt war ihm noch einmal bewusst geworden, wieso. Die eine Woche allein unter seinen größten Peinigern war in etwa das gewesen, was Ace sich unter dem Wort Hölle vorstellte. Und jetzt saß er hier, mit Kloß im Hals und bitterem Geschmack im Mund, und versuchte ruhig zu atmen, damit die Nervosität ihn nicht zum Erbrechen brachte.

An guten Tagen war das der Moment, an dem Ace es schaffte, in seine Fantasie abzutauchen. Die Welten in seinem Kopf beruhigten ihn, erzählten ihm, dass er mutiger und stärker war, als er sich in Realität jemals gefühlt hatte, und wenn er einmal dabei war, sich in die Charaktere seiner Träumereien einzufühlen, dann kam ihm alles gar nicht mehr so schlimm vor. Asriel würde sich nicht so einfach herumschubsen lassen. Merlea würde sich mit irgendeinem findigen Trick verteidigen, und Damian würde sich nicht nur allein im Kampf gegen drei dämliche Schläger behaupten können, sondern auch den jüngeren, schwächeren Schülern beistehen, damit die nicht auf sich allein gestellt auf einer dämlichen Bank vor einer dämlichen Sporthalle sitzen und auf Prügel warten mussten, während der Rest der Welt eifrig wegsah.

Aber heute war kein guter Tag, und Angst war ein starkes Betäubungsmittel für sein Vorstellungsvermögen.

Dann, endlich, Schritte. Ace starrte auf seine Schuhspitzen, und das Blut rauschte durch seine Ohren, als er die freundlich scherzende Stimme hörte. „Na so ein Zufall, du auch hier." Nero, natürlich. „Hand aus der Hose, aufstehen, mitkommen." Schon als er sich halb auf die Beine gequält hatte, wurde er von Ethan und Devon gepackt, wenn auch noch nicht so offensichtlich, dass Vorbeikommende sofort Verdacht geschöpft hätten. Er stolperte mit ihnen mit, seine Schritte ungelenk und alles andere als enthusiastisch, und je weiter die Schule hinter ihnen verschwand, desto mehr sackten seine Eingeweide nach unten. Neben ihm scherzten die Jungen sogar noch miteinander, und ihre Worte rauschten durch einen Filter an Verbitterung, Wut und Panik an Ace vorbei, so dass er schon keine Minute später vergessen hatte, über welchen nichtigen Schwachsinn sie sich unterhielten.


Etwa zehn Minuten von der Schule entfernt setzte ein Teil des Industriegebiets an, für das man den Ashley Creek umgeleitet hatte. Die zuständige Firma hatte ganze zwei Jahre danach pleite gemacht, keiner fühlte sich für die Reste verantwortlich, und heute hielten die abgesperrten Bauruinen als Sammelplatz für Jugendliche her. Drogensüchtige und Obdachlose hielten sich fern, und dennoch war es einer der Orte, an den Ace freiwillig keinen Fuß bewegt hätte, aus Angst vor Leuten, fremden Geräuschen und den Dingen, die sein überaktiver Geist daraus machen konnte. Im Hintergrund seines Kopfes sah er bereits Pestratten durch die leeren Lagerhallen trippeln.

Ganz entfernt hörte man das sanfte Rauschen des Wassers, das von besprühten Blechbauten, halbfertigen Produktionshallen und Ausschussware-Stahlträgeraufschichtungen abgefangen wurde. Irgendwo von der anderen Seite des Platzes drang der erdrückende Sommer-Geruch aus den Toilettenhäuschen, die die Baufirma vor Urzeiten hier aufgestellt und niemals ganz abgerissen hatte, und mit ihm kamen Erinnerungen, die Ace hastig versuchte zu verdrängen. In seinem Nacken stand ohnehin schon kalter Schweiß, trotz der Hitze.

Ace spürte, wie ihm sein Rucksack vom Rücken gezerrt wurde, und gab nach kurzem Gezappel auf. „Eins muss man dir lassen. Du lernst echt dazu." Nero drehte sich zu ihm um, und Ace hielt den Kopf gesenkt, während er dem dumpfen Krachen lauschte, das erklang, als Devon die Tasche spielerisch auf- und abwarf. Er glaubte nicht, dass viel kaputt gehen konnte – nicht so einfach – aber fürchtete gleichzeitig um die Zeichnungen, nur für den Fall, dass der Rucksack am Ende wieder im Abwasser oder sonstwo landen würde.

Urplötzlich wurde sein Gesicht umfasst. Neros Finger gruben sich in die empfindlichen Einbuchtungen zwischen Kopf und Kiefer, und Ace zog eine Grimasse, während sein Herz wieder zu trommeln begann. Sein Blick wurde nach oben gezwungen, wo ihn die belustigten Augen des Arschlochs begegneten. „Wenn ich mich erinnere, was für einen Riesenaufstand du früher immer gemacht hast... aber wir werden alle älter, hm?"

Ein Teil von Ace wollte Nero ins Gesicht spucken, dass er hoffte, viel älter würde der Junge nicht werden, und wünschte, Nero würde, nachdem er sich schon sämtliches Mitgefühl weggekifft hatte, endlich zu Drogen übergehen, die auch den Rest von ihm beendeten. Wie ernst er das meinte, wusste er nie – in solchen Momenten hieß er den Hass willkommen. Und dass, obwohl Ace normalerweise Pazifismus für alle vertrat.

Er versuchte Neros Blick auszuweichen, auf irgendeinen Punkt an der Nasenwurzel zu gucken, während er – undeutlich durch die schmerzende Kieferhaltung und den starken Zynismus – zischte: „Ja, und je eher wir älter werden, desto schneller kommen wir hier weg." Oder zumindest er selbst. Devon, Nero und ihresgleichen durften seinetwegen hier verrotten. Im nächsten Moment bereute er schon wieder. Er könnte schwören, dass da etwas Gehässiges in Neros Augen gefunkelt hatte, und spannte den Bauch an, als könnte das das Kommende abfedern, aber der Junge lachte nur und wuschelte ihm durchs Haar. In einer anderen Situation hätte die Geste liebevoll gewirkt.

„Richtig so, immer positiv denken." Und dann, ohne jeden Übergang, folgte der Schlag in den Magen. Ace sog Luft ein und wollte sich zusammenkrümmen, als die Schmerzenswellen seinen Körper durchzogen. Seine Arme hatten sich schützend auf seinen Bauch gelegt, wenn auch nur aus Reflex. Nero hielt ihn an Ort und Stelle, und er biss die Zähne zusammen, um das Wimmern zu ersticken. Er wusste, dass Gegenwehr unsinnig war. Einfach durchstehen und an etwas anderes denken.

Das leise Pfeifen folgte, und innerhalb von Sekunden schien Ace, als hätte sein Körper Schleusentore geöffnet und die restliche aufgestaute Angst in ihn gepumpt. Seine Glieder zitterten, am Rand seiner Augen wurde die Umgebung schwammig, und er wand sich, ohne es richtig zu bemerken. 

Da war nur die Stimme, die ihn begleitete, verspielt und ungläubig und spöttisch, mit fließenden Wechseln im Ton. Irgendwas an Neros Art zu sprechen war unnachahmlich charismatisch, und Ace hatte es genauso schnell hassen gelernt, wie viele Mädchen darauf abzufahren schienen.

„Aber... du glaubst doch nicht wirklich, dass es besser wird, wenn du hier abhaust, oder?" Schweigen. „Was meinst du denn, was sich ändern wird, hm, Acey? Glaubst du, du setzt einen Fuß aus Kalispell raus und plötzlich liegen sie dir alle zu Füßen, weil du so ein toller, liebenswerter, begabter Junge bist? Und nur die fiesen, dummen Kerle in der Schule haben das doch alle nie erkannt?" Nicht weit von ihnen hörte er Devon lachen. Rumsen folgte, das wahrscheinlich wieder von seiner Tasche stammte. Den Geräuschen nach wurde sie hin- und hergekickt zwischen den anderen beiden.

Er wünschte sich, Nero würde aufhören zu reden. Er wünschte, Nero würde aufhören, so zielsicher die Punkte zu finden, an denen es wehtat, weil Ace auch schon nächtelang wachgelegen hatte und sich fragte, was so falsch an ihm sein mochte, oder hassenswert. Dann ließ Nero ihn los, und ehe er sich aufrichten konnte, folgte der nächste Schlag. Ace knickte ein wenig ein, fühlte Spucke und Eisen in seinem Mund und eine verzerrte Mischung aus Wut und Ergebenheit in seinem Kopf. Einfach hinnehmen. Bald verlieren sie die Lust.

Jemand schnappte nach seinen Oberarmen, und er wurde in die Höhe gezerrt, während Nero ihm herablassend die Wange tätschelte und wieder Blickkontakt erzwang. „Nicht weggucken. Das ist unhöflich im Gespräch.", meinte er mit vollkommen ernster Miene. Ace sog Luft ein, in der Hoffnung, das würde ihn davon abhalten, etwas Dummes zu sagen.

„Ich weiß, du willst das nicht hören... aber das Problem liegt nicht bei uns." Neros Stimme klang freundlich. Sogar mitfühlend, trotz der Worte. „Und es ist ganz egal, wie weit du abhaust, weil du überall, für den Rest deines Lebens, auf dieselben Schwierigkeiten treffen wirst. Vor dir selbst kannst du nicht weglaufen, so ist das mit verweichlichten Heulsusen nunmal. Von daher..." Die Hand, die soeben noch sein Kinn gehoben hatte, schloss sich um Aces Kehle, und wie aus Reflex wurde sein Atem schneller, während sich sein ganzer Körper starr machte. Dabei sollte er es besser wissen, totstellen hatte noch nie geholfen. Der Griff schmerzte noch mehr, als Nero ihn am Hals in die Höhe zog, und Ethan hielt seine Arme zu fest, als dass Ace wirklich hätte zappeln können. „...solltest du dankbar sein, wenn man dir Mal ne Dosis Realität verpasst." Ethan gluckste hinter ihm, als wäre irgendwas daran witzig. Vielleicht war es das ja sogar. Vielleicht verstand Ace den Humor anderer Menschen nur nicht. Ein weiterer Schlag in den Magen folgte, und diesmal sackte Ace endgültig zusammen, weil Ethans Arme urplötzlich verschwunden waren.

„Fuck, man. Jessy fragt, wo wir bleiben", hörte er Sekunden später von ihm.

„Sag ihr halt, ich hatte noch zu tun."

„Sorry-Babe-Nero-musste-noch-Müll-entsorgen..." Ethan las beim Tippen mit und brachte die anderen beiden Jungen zum Lachen. Ace blieb eingekugelt sitzen und wagte kaum zu atmen.

„Sag mal, Superstar, wofür bezahlt man dich eigentlich? Jetzt wirf das Scheißding schon."

„Wär mir neu, dass ich bezahlt werd." Und dennoch begab sich Devon in Kugelstoßer-Position und hob Aces Tasche, um sie mit einer geschmeidigen Bewegung von sich zu schleudern, bis sie in einem der Dächer auf der Nähe landete. Ethan pfiff begeistert und ließ es sich nicht nehmen, in Aces Richtung zu treten, als er zu seinem Freund trottete. Nero folgte, als wäre das zusammengerollte Menschenbündel auf dem Boden schon gar nicht mehr existent für ihn.

„Da hat jetzt aber wenig Liebe dringesteckt."

„Ich geb dir gleich ma' Liebe, eh." Der Blonde streckte sich und sonnte sich in Ethans bewundernden Seitenblicken.

„Aber bitte ganz sanft sein, bin noch Jungfrau."

Ace schwieg, den Kopf hinter seinen Armen verborgen. Das lockere Geplänkel der drei schwamm an ihm vorbei, als wären sie sich gar nicht bewusst, dass er sie noch hören konnte. Als wäre Ace tatsächlich nicht viel mehr als Müll in ihren Augen – sobald er seinen Zweck einmal erfüllt hatte, konnte man ihn ja liegenlassen. Es tat nicht so weh wie die Schläge, sondern auf eine andere Art, die tief grub und die Brüche in seinem Selbstwert wieder aufklaffen ließ. Sechs Wochen Ferien waren nicht genug, um sie zuheilen zu lassen. Scheiße, Ace wusste nicht, ob ein ganzes Leben genügte, um sie wieder zuheilen zu lassen.

Erst, als er allein war, erlaubte er sich, Tränen fließen zu lassen.

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