Royal Escape (ONC 2024)

By Xclaudia89X

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•• Mein Beitrag zum ONC 2024 •• Inmitten der Ballsaison im Jahre 1825 bereitet sich die Londoner High Society... More

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|Epilog|
|Widmung|
|Nachwort|

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By Xclaudia89X

Das Gewicht der bevorstehenden Entscheidungen lastete auf meiner Seele. Der unvermeidliche Moment rückte näher - der Tag, an dem Albert Collingwood um meine Hand anhalten würde. Bei dem Gedanken daran, lief ein eiskalter Schauer über meinen Rücken.

Verzweiflung trieb mich dazu, mich den Männern meiner Familie anzuvertrauen. Doch mein Vater, ein Mann von strenger Haltung und festen Überzeugungen, ließ wenig Raum für Widerspruch. Mein älterer Bruder William, wenn auch verständnisvoller als mein Vater, konnte gegen die Wogen der Tradition nur wenig ausrichten. Die Entscheidung war gefallen und ich war wie ein Blatt im Wind, dessen Kurs bereits festgelegt war.

In den dunklen Stunden der Nacht suchte ich nach einem Ausweg. Doch egal, wie sehr ich mir den Kopf zerbrach, die Mauern schienen unüberwindbar und meine Suche nach einer Lösung endete in einer Sackgasse.

Eines Abends, als das Anwesen von einer seltsamen Stille erfüllt war, entschied ich mich für einen weiteren Akt der Rebellion. Die einzige Möglichkeit, um selbst über mein Leben bestimmen zu können.

Ich schlich mich in das Gemach einer Bediensteten von uns und suchte nach schlichter Kleidung, die mir zur Flucht verhelfen sollte. Die Griffe der Holzkommode quietschten leise und für einen Moment hielt ich die Luft an, in der Hoffnung, dass mich niemand erwischen würde. Als ich ein gewöhnliches Kleid herausholte, fühlte sich der Stoff fremd und rau an meinen Fingerspitzen an. Doch für mich war es ein Gefühl der Freiheit. Ebenso nahm ich einfache Lederschuhe mit, die mir ein wenig zu groß waren, doch das sollte mich nicht aufhalten.

Zurück in meinem Schlafgemach, froh darüber, dass mich niemand gesehen hatte, ließ ich meine königlichen Kleider zu Boden gleiten und schlüpfte in die einfache, befreiende Garderobe. Es war, als könnte ich plötzlich richtig durchatmen. Keine Corsagen mehr, die meinen Körper zu dem formten, wie man mich sehen wollte. Der Anblick im Spiegel erfüllte mich mit Furcht, aber auch mit Euphorie. Die Tochter des Grafen war verschwunden und an ihrer Stelle trat eine Frau, die nach Eigenständigkeit strebte - so lebendig wie ein Vogel, der seine Käfigtüren aufbricht.

Der nächste Schritt erforderte Mut und Entschlossenheit und fiel mir ungemein schwer. Ich nahm einen Rucksack und füllte ihn mit dem Nötigsten - ein wenig Geld, Proviant, eine Karte, die für mich mehr Fragezeichen als Antworten enthielt. Das sanfte Rascheln der Blätter vor meinem Fenster verriet die tiefen Schatten der Nacht. Mit einem letzten Blick auf mein wohlbehütetes Zimmer und einem zögernden Lächeln stieg ich auf das Fensterbrett und kletterte hinaus.

Die Dunkelheit verschluckte mich, als ich mich leise über unser Anwesen schlich. Der weiche Rasen dämpfte meine Schritte und die Sterne begleiteten mich auf meinem Weg in die Unabhängigkeit. Ich schaffte es, unbemerkt die Grenzen unseres Grundstücks zu überqueren, doch der schmerzhafte Blick zurück ließ mein Herz schwer werden. Hier lag nicht nur mein Zuhause, sondern auch ein Ort der Geborgenheit - meine Familie, meine Wurzeln. Hier war ich groß geworden und hier lebten die Menschen, die ich liebte. Auch wenn mein Vater und ich nicht immer die gleiche Meinung teilten.

Jeder Schritt führte mich weiter weg von dem, was ich bisher gekannt hatte. Es war ein Schritt der Unsicherheit, ein zögernder Gang in eine ungewisse Zukunft. Die Flucht hinterließ ein zerrissenes Emotionschaos in meinem Innerem. Einerseits spürte ich die Erlösung. Die Luft der Unabhängigkeit atmete ich tief ein und ich wurde von einem Gefühl von Selbstbestimmung begleitet. Doch in dieser Freiheit vermischten sich auch Unsicherheit und Angst, die sich in mir breit machten. Die Stille wurde zu einem ständigen Begleiter und die Einsamkeit konfrontierte mich mit meinen innersten Ängsten.

Es entstand eine Spannung zwischen dem Verlangen nach meinen Wünschen und der Sehnsucht nach der vertrauten Geborgenheit meiner Familie. Tief in meinem Inneren rang ich mit den Konsequenzen meiner Entscheidung. Durchgefroren und übermüdet machte ich Rast auf einem Baumstamm. Doch der Weg in die Londoner Innenstadt lag dicht vor mir, das konnte ich spüren. Es würde nicht mehr lange dauern und ich hatte mein erstes Ziel erreicht.

In den frühen Morgenstunden färbten die ersten Strahlen der aufgehenden Sonne den Himmel rosa, als ich eine Landstraße erreichte. London lag direkt vor mir und ein Gefühl von Freude und Erleichterung machte sich auf meinem Gesicht breit. Ich strahlte heller als die Sonne. Stolz, dass ich diesen schweren Schritt gegangen war und unbeschadet überstanden hatte.

Es waren nur noch wenige Meter, bis ich an einem einfachen Gasthaus ankam. Man gewährte mir Unterkunft und gab mir die Möglichkeit, die fehlende Kraft in Form von Schlaf zu tanken. Das Zimmer, welches mir als vorübergehendes Zuhause diente, war klein und doch einladend. Die Wände trugen den Charme der vergangenen Jahre, verblasst, aber voller Geschichten. Ein schlichtes Bett mit einer gestrickten Decke war umgeben von hölzernen Nachttischen, auf denen jeweils eine Petroleumlampe stand.

Das Fenster ließ das gedämpfte Licht des Morgens herein, enthüllte aber auch den Blick auf die malerische Szenerie draußen. Ein schlichter Vorhang schwankte leicht im Wind und der Holzboden knarrte unter meinen Schritten, als ich mich durch den Raum bewegte. Ein alter Schrank bot begrenzten Stauraum für meine bescheidenen Habseligkeiten und ein einfacher Tisch mit einem Stuhl lud dazu ein, die Ruhe zu genießen. Als Geste des Hauses stand ein wunscherschöner Strauß mit Wildblumen darauf.

Von dort aus grübelte ich über die Konsequenzen meiner Entscheidung. Leichter Regen prasselte an die Fensterscheibe, und einige graue Wolken spiegelten meine eigene Unsicherheit wider. Ich vermisste meine Familie und war plötzlich nicht mehr sicher, ob es richtig war, mein bisheriges Leben aufzugeben.

Doch ich raffte mich auf und sah in den Spiegel, der eine veränderte Frau zeigte. Die königliche Pracht war einer schlichten, aber selbstbestimmten Erscheinung gewichen. Ein Lächeln, vielleicht nicht vollkommen frei von Zweifeln, zeichnete sich auf meinen Lippen ab. Doch egal, was kommen mochte, ich war die Architektin meines eigenen Schicksals und dieses Kapitel der Flucht war erst der Anfang einer Reise, die mich lehren würde, was es wirklich bedeutete, frei zu sein.

♕♕♕

Die schummrige Morgensonne schlich durch die zart gewebten Vorhänge meines Gasthauszimmers und küsste meine Wangen. Ein tiefer, erholsamer Schlaf hatte meine Sinne erfrischt und die vergangene Nacht schien wie ein Traum aus einer anderen Welt. Der holprige Weg meiner Flucht war in diesem Moment vergessen.

Mit einem leichten Seufzen öffnete ich die Augen und nahm das Zimmer in mich auf. Der raue Holzboden fühlte sich kühl unter meinen Füßen an, als ich mich langsam aufrichtete. Ein Blick aus dem Fenster verriet, dass die Welt draußen weiterlebte, unberührt von meinen inneren Kämpfen, die ich austrug.

Die Geräusche des Gasthauses drangen zu mir durch. Ein leises Murmeln von Stimmen und das Klappern von Geschirr verrieten den Beginn eines neuen Tages. Ich stand auf und streckte mich, als könnte ich einfach die Ketten der Vergangenheit abwerfen. Das simple Bett hatte mir mehr Ruhe geschenkt, als ich in den letzten Nächten bekommen hatte. Ein Gefühl von Dankbarkeit breitete sich in meinem Herzen aus.

Die Tür quietschte leise, als ich sie öffnete und den Flur betrat, nachdem ich mich für den neuen Tag frisch gemacht hatte. Ein warmes Lächeln empfing mich von Mrs. Patterson, der höflichen Wirtin des Gasthauses. "Guten Morgen, Miss Elizabeth. Hatten Sie einen angenehmen Schlaf?", fragte sie mit einem freundlichen Blick.

"Guten Morgen, Mrs. Patterson. Ja, ich habe wunderbar geschlafen, danke", erwiderte ich lächelnd. Ihre Augen verrieten eine Spur von Neugier, aber sie stellte keine weiteren Fragen und schien meine Privatsphäre zu respektieren.

Der Duft von frisch gebrühtem Kaffee kitzelte meine Nase und rief mir in Erinnerung, dass das Leben hier, weit weg von den adligen Pflichten, einen neuen Alltag fand. Er führte mich in den kleinen Gemeinschaftsraum, wo einige Gäste bereits an den Tischen saßen. Ein älterer Herr mit einer Zeitung und ein junges Paar, das leise miteinander plauderte - eine einfache Szene, die mir ein wenig Normalität schenkte. Ich setzte mich an einen freien Tisch, bestellte Brot mit Butter und einen Kaffee und ließ meinen Blick durch den Raum schweifen.

Nachdem ich meinen ersten Schluck genossen hatte, breitete sich eine angenehme Wärme in meinem Körper aus. Der Kaffee schien nicht nur meine Müdigkeit zu vertreiben, sondern auch die Dunkelheit meiner Gedanken. Ein Mann mittleren Alters, der am Nebentisch saß, faltete seine Zeitung und lächelte mich freundlich an.

"Guten Morgen. Sie sind neu hier, oder?", erkundigte er sich höflich.

"Ja, das bin ich. Mein Name ist Elizabeth", antwortete ich vorsichtig.

"Freut mich, Sie kennenzulernen, Elizabeth. Ich bin Thomas. Sind Sie auf der Durchreise oder haben Sie einen bestimmten Ort im Blick?" fragte er neugierig. Ein Moment der Überlegung folgte, bevor ich antwortete. "Auf der Suche nach einem neuen Anfang, würde ich sagen."

Thomas nickte verständnisvoll. "Wir alle haben unsere Gründe, neue Wege einzuschlagen. Ich hoffe, Ihr Weg führt Sie zu dem, was Sie suchen."

Die Worte berührten mich unerwartet tief. Es war, als hätte dieser Fremde eine verborgene Sehnsucht in mir angesprochen, die ich selbst noch nicht in Worte fassen konnte. Die Welt draußen schien plötzlich voller Möglichkeiten zu sein und ich spürte, dass dieser Tag der Beginn einer Reise war - nicht nur räumlich, sondern auch innerlich.

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