11. Ferris und Nudeln

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11. Ferris und Nudeln

Am selben Abend sitzt Celia noch in der Bücherei, stöbert in Werken von Lady Winchilsea und liest Gedichte der Journalistin, Dramatikerin und Dichterin Angelina Weld Grimké. Sie kann nicht anders, als sichtlich zu staunen und mit jedem neuen Wort des Gedichtes "El Beso" in die Traumwelten der Poesie einzutauchen.

"Twilight—and you
Quiet—the stars;
Snare of the shine of your teeth,
Your provocative laughter,
The gloom of your hair;
Lure of you, eye and lip;
Yearning, yearning,
Languor, surrender;
Your mouth,
And madness, madness,
Tremulous, breathless, flaming,
The space of a sigh;
Then awakening—remembrance,
Pain, regret—your sobbing;
And again, quiet—the stars,
Twilight—and you."

Sie liest die Zeilen immer und immer wieder, was einerseits an ihrer Bewunderung, aber andererseits auch an ihren hin- und herschweifenden Gedanken liegen könnte. Ihre innere Sicht ist immer noch auf das leichte Lächeln Calistos fixiert, das er ihr schenkte, als zwischen ihnen die Welt in Strömen lag.
Sie möchte nicht zu sehr ins Detail gehen, sich nicht in diesen Kleinigkeiten verirren, doch kann das wohlige, neuartige Gefühl in ihrer Seele nicht unterbinden.

Um sich abzulenken, gestaltet sie lieber Notizen für ihre eigenen zukünftigen Werke, da die wenigen, aber wichtigen Worte "Nichts ist neu" jedes Mal in ihrem Kopf schwirren, während sie den Stift zu Papier bringt. Sie liest und staunt, um zu lernen und zu wachsen, zu deuten und zu erleben. Durch wenige Worte, die andere Menschen auf schöne Weise aneinanderreihen, werden immer wieder neue Universen von Möglichkeiten geschaffen, die jedem zu Füße liegen und nur darauf warten, genutzt zu werden.

Auch Worte von Autoren wie Grimké, die Arabella ihr vor ein paar Stunden noch empfohlen hat, inspirieren Celia, besser zu werden, ihre Prosen und Verse weiter auszuschmücken.

Als ihre Hand schließlich vom vielen Schreiben schmerzt und der Gedanke an die kurzen Momente der vergangenen Stunden sich weiterhin in ihrem Kopf verankern, räumt sie ihre Sachen zusammen.

Mrs Wildeen lächelt ihr schon erfreut zu, als sie sich ihr nähert und neue Gedichtbände auf den Tresen legt, sowie alte Bücher zurückgibt.

Bevor Celia geht, wirft sie nochmal einen Blick in die große Bibliothek, beinahe schon sehnsüchtig verlässt sie den Ort, weiß mit vollem Herzen, dass sie hier immer sicher sein wird.

Celia tritt in das warme Wohnzimmer ihres zu Hauses ein, erwartet schon die Standpauken ihrer Mutter, die ihr erneut weismachen, dass sie zu nichts zu gebrauchen und lediglich eine Verschwenderin ihrer kostbaren Zeit sei.
Doch anstatt jener bösen Mine, findet sie ihren Bruder und den schönen Ferris auf dem großen, alten Sofa sitzen, die von Büchern umgeben sind, aber trotzdem nur miteinander sprechen.

"Hallo?",sagt sie und räuspert sich, die Blicke der beiden Jungen treffen auf sie.
Es ist merkwürdig. Lucien würde nie Freunde einladen, niemanden zu sich nach Hause bitten, erst recht nicht unter den wachsamen Augen ihrer Mutter.

Ferris lächelt und sein Lächeln ist wirklich unbeschreiblich schön, sieht genauso aus wie das von Jemima, wenn sie nicht schelmisch grinst. Alles, sogar die Augen und Gesichtszüge sind gleich.

Er sitzt neben dem großen Kamin, lehnt an einem Bücherregal, das mit Bibeln und Gesangsbüchern, sowie Gebeten aus der Kirche gefüllt ist. Hier und dort ragt ein Kochbuch hervor, jedoch keine fiktiven Geschichten, erst recht keine Gedichte oder Prosen. Lucien sitzt gegenüber von ihm, blickt auf den großen Bücherstapel Unilektüren und hat ein unverkennbares Lächeln auf den Lippen.

Es ist das erste Mal, das sie nach Hause kommt und ihr die Eiseskälte nicht die Knöchel hochfährt.

Luciens Blick trifft auf sie und er sieht weicher aus als sonst, jegliche Anspannungen sind nicht mehr aus seinem Gesicht zu entnehmen.

 𝐕𝐈𝐒𝐈𝐎𝐍𝐀𝐑𝐈𝐄𝐒 Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt